(Bild: Rosmarie Schärer/swiss-cath.ch)

Kirche Schweiz

«Er war wie ein Vater»

Am 17. April 2024 wurde der ver­stor­bene Bischof von Chur, Vitus Huon­der, in Ecône zu Grabe getra­gen. Am gest­ri­gen Frei­tag, 20. April, nahm die Diö­zese Chur in der Kathe­drale Abschied von ihrem ehe­ma­li­gen Hirten.

Nahmen an der Beerdigung von Bischof Vitus Huonder in Ecône nur Bischof Joseph Maria Bonnemain und Weihbischof em. Marian Eleganti teil, waren am Requiem für den ehemaligen Bischof von Chur in der Kathedrale Mariä Himmelfahrt in Chur fast alle Schweizer Bischöfe anwesend. Unter den Konzelebranten waren auch der Apostolische Nuntius für die Schweiz, Erzbischof Martin Krebs, der am Ende der heiligen Messe das Kondolenzschreiben aus dem Vatikan verlas, sowie Bischof Benno Elbs als Apostolischer Administrator des Fürstentums Liechtenstein, das bis vor wenigen Jahren noch Teil des Bistums Chur war.
Neben Mitgliedern des Domkapitels nahmen viele Gläubige, darunter Vertreter des Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem und ein Vertreter der Päpstlichen Schweizergarde, Abschied vom ehemaligen Churer Bischof.

In seiner Homilie erinnerte Bischof Joseph Maria Bonnemain an einige Stationen aus dem Leben des verstorbenen Bischofs. Dabei dienten ihm Aussagen von Bischof Vitus, die dieser 2017 im Rahmen eines Priestertages gemacht hatte, als Grundlage. Damals berichtete Bischof Vitus, wie er bereits als Kind Pfarrer werden wollte. Die Teilnahme an der heiligen Messe sei für ihn von klein auf ein himmlisches Ereignis gewesen und er habe sich schon früh mit dem Wunsch beschäftigt, heilig zu werden. Nach seiner Schulzeit trat er ins Kloster Disentis ein. Diese Zeit im Kloster war für ihn eine Zeit der innigen Gottesbegegnung: Beten zu können und beten zu dürfen, sei ein unschätzbares Geschenk Gottes. Als interessanter Hinweis erwähnte Bischof Bonnemain, dass sein Vorgänger federführend bei der Entstehung der Wortgottesfeier und des Romanischen Messbuches beteiligt gewesen war.
Im ersten Teil seiner Homilie stellte Bischof Bonnemain den verstorbenen Bischof als einen Suchenden nach einer geschützten, heilen und abgeschiedenen Welt dar. Diese hätte er nach seiner Emeritierung bei der Priesterbruderschaft des hl. Pius X. in Wangs und in einer vorkonziliaren, ritualisierten und genau vorgeschriebenen Liturgie, wie er sie aus seiner Kindheit kannte und schätzte, gefunden. «Ich wage zu sagen, sein Leben blieb immer von diesen beiden Seiten geprägt: Eine Sehnsucht nach einer heilen, unberührten, heiligen Welt und die Mühe, die Realität zu akzeptieren, eine Welt, die erlösungsbedürftig bleibt, anzunehmen.»

Im zweiten Teil seiner Homilie nahm er Bezug auf die Lesung aus dem Buch des Propheten Ezechiel (34,11–16), die von Schafen und von Menschen spricht, die sich verirrten, zerstreut wurden und sich nach Sammlung sehnen. Jesus Christus, der wahrhaft gute Hirt, hat sein Leben für uns hingegeben: «Aber nicht, um uns in einer heilen Welt ‒ geschützt vor der gefährlichen Welt ‒ abzusondern, sondern damit wir, mitten in unserer Welt, wie sie ist, in der Kirche, hier und heute, dank seiner Liebe und Freundschaft mit unserem Leben und unseren Taten Verkündende des Heils sein können.» Eine diplomatisch verpackte, giftige Spitze gegen seinen Vorgänger.
Bischof Vitus als einen Menschen darzustellen, der nicht mit der Welt klar kam, wird ihm nicht gerecht. Er war vermutlich mehr ein Diplomat, der wusste, dass Grabenkämpfe nichts bringen – im Gegenteil der Kirche schaden. Deshalb griff er äusserst selten direkt ein. Er konzentrierte seine Kräfte stattdessen auf den Verkündigungsdienst.

In erster Linie war er für die Priester da. So beschreibt ihn Vikar Andreas Egli als «herzenslieben, freundlichen, aufmerksamen, sehr durchdachten guten Hirten. Er war für mich wie ein geistiger Vater, dem ich viel verdanke.» Pfr. Francis Alakkalkunnel aus der Pfarrei Arth stammt aus Indien. Er habe im Vorfeld immer wieder Negatives über Bischof Vitus gehört. Im persönlichen Gespräch habe er ihn ganz anders erlebt. «Ich war beeindruckt davon, wie einfach er war. Er war wie ein Vater, freudig, ein Vorbild.»

Für Wally Bäby-Rainalter, heute Präsidentin des «Pfarreiblatt Graubünden», war er fast ein Freund, ja fast ein Vater «Als Präsidentin des Kantonalen Seelsorgerates Graubünden hatte ich es nicht immer einfach. Bischof Vitus hatte mich in seiner Zeit als Generalvikar immer unterstützt. Deshalb bin ich heute auch hier.»

Bischof Vitus war auch Mitglied im Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem. Mit ihm hatte Aaron Bellini, ebenfalls ein Mitglied, gute Gespräche und war ihm auch freundschaftlich verbunden.

Dass Bischof Vitus auch die Gläubigen in den Pfarreien erreichen konnte, zeigt das Beispiel von Sarah Landolt, die von ihm als Erwachsene getauft und gefirmt wurde und von ihm die Erstkommunion empfing. «Er war eine Vaterfigur, ein sehr liebevoller Mensch. Wir beten für ihn.» Ihr Vater Philipp Landolt ergänzt: «Er war ein sehr guter Bischof. Wir sind ihm sehr dankbar für alles, was er für uns getan hat. Er hat durch sein Wirken grossen Einfluss darauf gehabt, dass ich mit meiner Frau und meinen Kindern wieder zur heiligen, katholischen und apostolischen Kirche zurückgefunden haben. Dank ihm besuchen wir wieder häufig die heiligen Sakramente und dank ihm dürfen wir uns heute im heiligen Stand der Gnade wähnen. Dafür werden wir ihm für immer sehr dankbar sein.» Auch Monika Abellas erlebte ihn als guten Hirten, der viel Verständnis hatte und in ihren Augen sehr sanftmütig war. «Er hat sehr gut gepredigt, er konnte direkt ins Herz hinein predigen.»

Bischof Vitus hatte aber auch eine andere, introvertierte Seite. Bischof Jean-Marie Lovey, der ihn nur wenige Male an den Vollversammlungen der Schweizer Bischofskonferenz erlebte, meinte, er habe Bischof Vitus als «très mysterieux» (sehr geheimnisvoll) erlebt.

Pfr. Roland Graf aus Unteriberg erinnert sich noch gut an die Liturgievorlesungen bei Bischof Vitus: «Er war immer ausgezeichnet vorbereitet. Man merkte, dass ihm die Liturgie, eine schön gefeierte Liturgie, ein grosses Anliegen war.»
In der Eucharistie treffen Himmel und Erde zusammen; sie ist gleichsam ein Vorgeschmack der kommenden Ewigkeit. Wir dürfen hoffen, dass Bischof Vitus Huonder nun das ewige Glück der Anschauung Gottes erleben darf.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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    Roberta Dietiker 26.04.2024 um 20:43
    Die erwähnte "giftige Spitze" von Bonnemain gegen Bischof Vitus hat mich persönlich sehr gestört und verletzt. Ich habe die Gelegenheit gehabt, Vitus Huonder zu begegnen und habe ihn immer sehr kontaktfreudig, offen und sympathisch erlebt. Die erwähnte Äusserung ist eine Schlussfolgerung von Bonnemain, die der Wahrheit nicht entspricht und die ich ausserdem ganz fehl am Platz beim Requiem finde: das hätte wirklich bei dieser Angelegenheit nicht sein müssen, egal ob wahr oder nicht!
    Ruhe in Frieden Vitus und danke für alles!
  • user
    Martin Steiner 20.04.2024 um 15:39
    Es wäre wichtig ergänzend zu erinnern, dass Bischof Vitus Huonder ein ausgezeichneter Forscher des Alten Testaments war. Er hat eine ausgezeichnete Doktor- und Habilitationsarbeit verfasst und dozierte Altes Testamente an der Churer Hochschule. Wäre es der Redaktion möglich, auch diese wissenschaftliche Seite seiner Persönlichkiet in Erinnerung zu rufen und gebührend zu würdigen?
    Besten Dank!