Dormitio-Abtei in Jerusalem. (Bild: Andrew Shiva / Wikipedia / CC BY-SA 4.0)

Interview

«Es ist wie ein neues Ja-​Sagen zur Dormitio»

Wer mit dem Gedan­ken spielt, in den Bene­dik­ti­ner­or­den ein­zu­tre­ten, ist nach Wor­ten von Niko­de­mus Schna­bel OSB gerade jetzt in der Dormitio-​Abtei in Jeru­sa­lem zur rich­ti­gen Zeit an der rich­ti­gen Stelle.

Nach Renovierungsarbeiten an den Gebäuden stehe die deutschsprachige Benediktinerabtei vor der Aufgabe, «das zu füllen, was architektonisch wiederhergestellt wurde», sagt der 44-Jährige, der der Dormitio seit dem 3. Februar vorsteht und am 21. März offiziell zum Abt geweiht wird. Die Brüder und er hätten «Lust auf diese Zukunft», so Schnabel im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

KNA: Herzlichen Glückwunsch zum neuen Amt!
Nikodemus Schnabel OSB: Die Wahl hat mich ehrlich überrascht und in mir ein Gefühlschaos ausgelöst. Ich bin berührt von dem Vertrauensbeweis meiner Mitbrüder und weiss mich getragen. Es ist das Gefühl, dass die erste Liebe einen wieder ruft. Ich bin vor zwanzig Jahren in die Dormitio eingetreten, habe aber meine Energien in den letzten fünf Jahren stark ausserhalb der Abtei investiert. Mit meiner Abtsweihe an Pfingsten wird sie wieder ungeteilt den Brüdern gelten. An Pfingsten vor vierzehn Jahren habe ich auch mein feierliches Gelübde abgelegt, es ist wie ein neues Ja-Sagen zur Dormitio. Und hier kommt mein Abschiedsschmerz. Zu Pfingsten werde ich mein Amt als Patriarchalvikar und Leiter der katholischen Seelsorge für Migranten und Asylsuchende niederlegen, obwohl ich alles andere als amtsmüde bin. Entsprechend möchte ich zusammen mit meiner Gemeinschaft überlegen, wie wir in dieser Seelsorge weiter tätig sein können.

Haben Sie als Abt schon eine Art «Regierungsprogramm»?
Ich muss als erstes «Vater» werden. Ich möchte glückliche Brüder. Das von uns gewählte, durch Gebet, Arbeit und Studium rhythmisierte Leben der Gottsuche soll Freude und Glück bringen. Es geht ums Zuhören, die Bedürfnisse des Einzelnen und seine Ideen, darum, eine gemeinsame Wir-Vision zu entwickeln: Wohin wollen wir uns als Gemeinschaft entwickeln? Und darum, was meine Mitbrüder von mir erwarten. Nicht zu vergessen die wichtigste Frage: Wie können wir uns gegenseitig bei der Gottsuche unterstützen?

Wo liegen die Herausforderungen?
Das sind zum ersten die ausländischen Christinnen und Christen, die auf Zeit im Heiligen Land sind, um der Frage nach Gott Raum zu geben: Pilger, Studentinnen, Volontäre. Hier sind wir traditionell gut aufgestellt. Das zweite ist die Ortskirche, sowohl die arabische als auch die kleine hebräischsprachige Gemeinde. Wir sind nicht nur ein Pilgerort, sondern Teil der christlichen Landschaft des Heiligen Landes und müssen uns fragen, wie wir hier mehr dienen können. Ein drittes Phänomen sind die «Profi-Christen», die über 1000 weiblichen und knapp 600 männlichen Ordensleute. Wer macht Seelsorge für die Seelsorger? Das zu übernehmen, wäre sehr benediktinisch. Mit der vierten Gruppe schliesst sich mein persönlicher Kreis. Das sind die mittelfristig im Land lebenden Ausländer, die Arbeitssklaven und Asylsuchenden, die mir sehr am Herzen liegen. Im Blick auf diese vier Realitäten müssen wir uns fragen, wie wir fruchtbar sein können. Wo können wir einen Mehrwert schaffen? Diese spannende Phase kommt in einer guten, organischen Zeit für den Zion.

Sie spielen auf die Renovierung der Abtei an?
Genau. Der äussere Aufbau ist gemacht, jetzt ist es an uns, das zu füllen, was architektonisch wiederhergestellt wurde. Das geht einher mit dem Nachdenken darüber, wie und wo wir uns öffnen wollen. Gibt es etwas, was wir gerne ausprobieren würden? Ist jeder Bruder am rechten Platz? Wo können wir uns Hilfe suchen? Ich habe Lust auf diese Zukunft und spüre das auch bei meinen Brüdern. Anders gesagt: Wer mit dem Gedanken spielt, einzutreten – jetzt wäre der optimale Zeitpunkt, eine Art Stunde null.

Das klingt sehr optimistisch.
Ich spüre eine grosse Offenheit für neue Impulse von Innen und Aussen, eine Aufbruchstimmung. Es ist eine spannende Weggabelung. Wir sind nicht dem Untergang geweiht. Wir sind vital, jung und energetisch. Wir sind aber auch nicht an einem Punkt, an dem man sagen könnte, «alles läuft». Kein «weiter so», aber auch keine Panik. Die jetzige Gemeinschaft blickt auf etwa 25 Jahre zurück. Die Kennenlernphase ist abgeschlossen. Wenn wir Visionen und Sehnsüchte formulieren, haben sie Hand und Fuss und sind geerdet. Sie haben das Fundament im gemeinsamen Auf-dem-Weg-Sein über Jahre.

Gibt es etwas, was Sie aus den fünf Jahren abseits der Dormitio – in Berlin, Brüssel, Rom und als Patriarchalvikar besonders mitgenommen haben?
Die Ortskirche war in den letzten anderthalb Jahren mein Lebensschwerpunkt. Als Abt will ich nicht zurück ins Schneckenhaus, sondern die Gemeinschaft einbringen als aktiven Teil der Kirche des Heiligen Landes. Dafür stehe ich als Person, und auch auf der Seite der Brüder ist die Bereitschaft da.

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KNA Katholische Nachrichten-Agentur


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  • user
    Stefan Fleischer 13.03.2023 um 18:12
    Schön und gut. Aber vergessen wir nie:
    "Was unsere Kirche heute braucht, ist ein neuer Aufbruch, einen neuen Aufbruch zu Gott, zu einer neuen, tiefen Gottesbeziehung, zu einer Rückbesinnung auf das erste und wichtigste Gebot: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft.“ Anzufügen wäre noch: "Was die Menschen heute mehr denn je brauchen, ist die Seelsorge in ihrem ursprünglichen Sinn, die Sorge ihrer Hirten und uns aller Christen um das ewige Heil unserer unsterblichen Seelen. Was nützt dem Menschen alles Glück und alle Freude dieser Welt, wenn er schliesslich des ewigen verloren geht?"