Diesjähriges Hungertuch von «Fastenaktion».

Kirche Schweiz

Fas­ten­op­fer alias Fas­ten­ak­tion: Es gibt Alternativen

Das katho­li­sche Hilfs­werk «Fas­ten­ak­tion» geriet wegen des von ihm mit­ver­ant­wor­te­ten Fas­ten­ka­len­ders in die Kri­tik. Dies, weil darin der christ­li­che Bezug weit­ge­hend fehlt. Aber auch der unge­wöhn­lich hohe Kos­ten­an­teil für Wer­bung und Mit­tel­be­schaf­fung wirft Fra­gen auf. Alter­na­ti­ven sind gefragt.

Alttestamentler Thomas Staubli nimmt kein Blatt vor den Mund, nennt das Kind beim Namen: Als «trauriges Zeugnis der Verödung des Christentums» bezeichnet er in einem «kath.ch»-Beitrag vom 21. Februar 2024 die diesjährige Ausgabe des Fastenkalenders, des Spendenvehikels des «Fastenopfers», seit dem Jahre 2022 «Fastenaktion» genannt. Stäublis Kritik gilt der Tatsache, dass dem Fastenkalender jeglicher Bezug zur christlichen Spiritualität abgeht. Er verweist auf die im Fastenkalender enthaltenen Denkanstösse des chinesischen Philosophen Wang Yangming, der Autorin Alison Faulkner, des indischen Gurus Sathya Baba, des römischen Philosophen Seneca, der Computerpionierin Grace Hopper, des chinesischen Philosophen Konfuzius und des griechischen Philosophen Sokrates. Impulse aus der jüdisch-christlichen Tradition als der, so Staubli, «naheliegendsten Quelle für einen christlichen Fastenkalender» sucht man vergeblich. Staubli vermisst als Alttestamentler insbesondere Weisheiten aus dem Buch der Sprichwörter. Er schliesst seine Kritik mit den markigen Worten: «Statt die einzigartige Situation eines Printmediums mit einer Auflage von sage und schreibe 1 375 000 Drucken auch für eine angemessene christliche Alphabetisierung und Sensibilisierung zu nutzen, werden wir Zeugen eines spirituellen Suizids.»

Ein Faktencheck bestätigt diesen Befund. Item: Nicht nur Denkanstösse und Weisheiten der Bibel, auch Texte aus dem Fundus der reichen spirituellen Tradition der Kirche sucht man im Fastenkalender vergebens. Dies befremdet umso mehr, als der diesjährige Fastenkalender schwergewichtig den Klimaschutz zum Gegenstand hat, christlich gesprochen also die Bewahrung der Schöpfung: Unter dem Motto «Weniger ist mehr» fordern «Fastenaktion», HEKS und «Partner sein» dazu auf, «Missstände zu sehen und klimagerecht zu handeln». Was würde da näher liegen, als aus dem Sonnengesang des heiligen Franziskus zu zitieren, dessen Spiritualität für die ökologischen Herausforderungen unserer Zeit wie massgeschneidert ist.

Darfs auch eine Kartoffelsuppe mit Ingwer sein?
Stattdessen enthält der Fastenkalender sage und schreibe sieben Suppenrezepte, angefangen von der Karottensuppe mit Ingwer über die Senfsuppe mit Kartoffeln bis zur Minestrone. Mit Verlaub, liebe Leute von der «Fastenaktion», für Suppenrezepte braucht es kein Hilfswerk, auch kein christliches, da ist unsereiner mit dem «Betty Bossy»-Kochbuch weit besser bedient. Und kirchenferne Infrastrukturprojekte wie schonende Fischerei und Küstenpflege sind bei säkularen Hilfswerken wie «Helvetas» und «Swissaid» bestimmt in professionelleren Händen.

Die Replik auf den Beitrag von Thomas Staubli liess nicht lange auf sich warten. Die Kritik von Thomas Staubli sei ein «Verriss mit Röhrenblick»“, zürnte der Hauptverantwortliche für Text und Redaktion des Fastenkalenders, der Deutsche Matthias Dörnenburg. Es gehe, so seine Argumentation, beim Fastenkalender darum, einem immer säkulareren und kirchenkritischeren Publikum Inspirationen zum aktuellen Thema der Ökumenischen Kampagne «Weniger ist mehr» und für die Fastenzeit zu geben. Dörnenburg räumt ein, dass sich zu den meisten Zitaten «selbstverständlich auch Entsprechungen aus der Bibel finden. Ob diese dann bei einem breiteren Publikum mehr Anklang finden, wagen die Autoren zu bezweifeln.»

Diese Argumentation läuft ins Leere, denn der Massenversand von 1,3 Millionen Exemplaren richtet sich nicht an ein wie auch immer geartetes säkulares und kirchenkritisches Publikum, sondern ausschliesslich an Kirchenmitglieder, deren Adressen der «Fastenaktion» von den Pfarrämtern zur Verfügung gestellt werden. Letztere übernehmen gar den Versand vor Ort. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass jene, welche sich der Bussübung einer Lektüre dieses Fastenbriefes unterziehen, zu jenem Teil des Kirchenvolkes gehören, das mit Fug und Recht erwartet, dass auch für ein katholisches Hilfswerk der Grundsatz gilt, wonach «drin steckt, was draufsteht».

Bernd Nilles, Geschäftsführer der «Fastenaktion», eilt seinem Landsmann Matthias Dörnenburg mit einem vielsagenden Statement zu Hilfe: «Es geht uns darum, auf Dinge zu verzichten, die wir eigentlich gar nicht brauchen. […] De facto ist es eine Art Kulturwandel [...] eine geistige, eine gedankliche Umstellung . […] Ich glaube, darum geht es, dafür muss man aber nicht katholisch sein.» Bleibt zu ergänzen: Für den Verzicht auf überflüssigen Konsum braucht es auch kein Hilfswerk, und sei es ein katholisches.

An den Ortskirchen vorbeigeschleust
Die ideologische Umpolung des «Fastenopfers», heute «Fastenaktion» genannt, fällt nicht aus heiterem Himmel, hat vielmehr eine längere Vorgeschichte. Nach dem Rücktritt des legendären «Fastenopfer»-Direktors Ferdinand Luthiger übernahm die vorher bei der «Erklärung von Bern» tätig gewesene Anne-Marie Holenstein 1995 das Ruder. Sie schleuste Spendengelder bzw. damit unterstützte Projekte sukzessive an den Ortskirchen in Afrika, Asien und Lateinamerika vorbei. Im Stiftungsrat des «Fastenopfers» formierte sich immer mehr Widerstand gegen diese Zweckentfremdung von Spendengeldern. Sogar der als liberal-progressiv etikettierte St. Galler Bischof Ivo Fürer sah sich als damaliger Stiftungsratspräsident veranlasst, die mangelnde Einbindung der «Fastenopfer»-Projekte in die Ortskirchen der Dritten Welt zu beanstanden. Direktorin Holenstein kam einer Kündigung zuvor und verliess bereits fünf Jahre später das «Fastenopfer».
 

An der einseitig auf einen säkularen, diffusen Humanitätsbegriff fokussierten Ausrichtung des «Fastenopfers» hat sich seither wenig geändert – im Gegenteil. Per 1. Januar 2022 gab man sich einen neuen Namen, neues Logo inklusive. Das «Fastenopfer» heisst fortan «Fastenaktion». Ohne Not wurde eine bestens eingeführte und allseits bekannte Marke kurzerhand entsorgt. Begründet wurde dieser Tapetenwechsel so: «Der neue Name Fastenaktion findet die Balance zwischen einem Aufbruch, der neue Kreise anspricht und Tradition, um die treuen und langjährigen Unterstützerinnen und Unterstützer sowie den Support der Pfarreien nicht zu verlieren»: Frei nach dem Motto «Dä Füfer und s'Weggli» – ein Marketingtrick, der selten funktioniert.
 


Auch das altbewährte Logo mit seinem hohen Wiedererkennungswert musste einem neuen Logo mit einem zerstückelten Kreuz weichen. Dieses neue Logo betone «die Menschlichkeit» und symbolisiere «gleichzeitig die ungerechte Welt». Wenigstens ist diese Interpretation ein Indiz, dass den Machern der «Fastenaktion» das Dictum «Glauben macht selig» nicht gänzlich abhandengekommen ist.

Die der «Fastenaktion» inhärente Unstimmigkeit wird durch die alljährlich wiederkehrende Fastenkalender-Kampagne zusätzlich verschärft. Diese ökumenische Kampagne wird von den drei Hilfswerken «Fastenaktion», HEKS und «Partner sein» gemeinsam aufgegleist. Dies ist insofern problematisch, als die Reformatoren die Fastenzeit und deren Sinngehalt als mit ihrem Verständnis des Christentums nicht vereinbar abgetan haben. Deren Nachwirkungen zeigen sich u. a darin, dass bei ökumenisch konnotierten Kampagnen alles, was auch nur entfernt an spezifisch Katholisches erinnert, bis zur Unkenntlichkeit abgeschliffen wird. Anschauliches Beispiel ist das «ökumenische Hungertuch», das alljährlich pünktlich zu Beginn der Fastenzeit die Innenräume katholischer Pfarrkirchen bereichert. Besonders augenfällig das diesjährige Hungertuch: Wer sich auf diese Farbenkleckserei à go go einen Reim machen kann, ist wirklich seligzupreisen.

Spätestens jetzt stellt sich nun aber die Frage, wie viel vom Spendenfranken für solche doch recht aufwendige Werbeaktionen wie den Fastenkalender & Co. abgezwackt werden. Für das Jahr 2023 liegen noch keine Zahlen vor. Dem Jahresbericht 2022 lassen sich unter anderem folgende Kennziffern entnehmen:

Ausgaben (ohne Projekte)

Sensibilisierung

Fr. 3 348 626

Mittelbeschaffung

Fr. 2 372 091

Administration

Fr. 941 590

Programmentwicklung

Fr. 872 500

Total Ausgaben

Fr. 7 534 807

 

Einnahmen

Allgemeine Spenden

Fr. 9 514 844

Zweckbestimmte Spenden:

Fr. 4 641 447

Beiträge der Öffentlichen Hand

Fr. 1 442 633

Beiträge vom Bund (DEZA)

Fr. 6 756 040

Legate

Fr. 1 223 141

Beiträge Dritter zusätzlich

Fr. 265 000

Total Einnahmen

Fr. 23 843 105


Damit beträgt der Unkostenanteil satte 31,6 Prozent. Es ist dies ein bemerkenswert hoher Unkostenanteil angesichts der Tatsache, dass branchenüblich ein Satz von 19 Prozent die Norm ist. Dies gilt umso mehr, als die Fastenaktion bei ihrer Spendenaquisition in ganz erheblichem Masse die weitgehend unentgeltlich erbrachten Ressourcen der Pfarreien in Anspruch nimmt.

Es gibt Alternativen
Das Ganze ruft förmlich nach Alternativen. Im Folgenden soll eine dieser Alternativen, die Aktion «Unsere Spende», kurz vorgestellt werden. Dieses vor 40 Jahren im Wallis gegründete Hilfswerk ist sozusagen in fast jeder Beziehung das Kontrastprogramm pur zur «Fastenaktion». Auf dem neuesten, einfach gestalteten, aber aussagekräftigen Faltprospekt sind die Eckdaten der Aktion «Unsere Spende» aufgelistet:

  • Der Unkostenanteil beträgt rekordverdächtig tiefe 0,72 Prozent. Dies ist nur möglich, weil alle Mitarbeitenden ehrenamtlich tätig sind.
  • Das Hilfswerk ist steuerbefreit und wird alljährlich von einem Treuhandbüro überprüft.
  • Die Vertrauenspersonen, welche vor Ort die Projekte koordinieren und überwachen, sind den Verantwortlichen der Aktion «Unsere Spende» persönlich bekannt.
  • Alle Projekte werden in Zusammenarbeit mit den Pfarreien und Ordensgemeinschaften vor Ort realisiert.

Die Projekte erstrecken sich von Kindertagesstätten in Sighet (Rumänien) über ein von Schönstattschwestern in Burundi geleitetes Gesundheits-Ambulatorium bis zum Bau von Brunnen für sauberes Trinkwasser im Norden von Ghana.

Ein Quervergleich der Aktion «Unsere Spende» mit der «Fastenaktion» dürfte den Entscheid, welchem Hilfswerk die diesjährige Fastenspende zukommen soll, doch um einiges erleichtern.

 

Aktion «Unsere Spende»
Postfach 10
3930 Visp
IBAN: CH31 8080 8006 0967 5267 1
www.unserespende.ch


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

E-Mail

Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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Bemerkungen :

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    Bernadette Anliker-Fehr 11.03.2024 um 20:57
    Als reformierte Christin gehe ich mit Ihrer Argumentation 100% einig. Ich habe dies auch in einem E-Mail Herrn Dörnenburg kundgetan. Weiters platzierte ich einen Leserbrief im aktuellen "Kirchenboten". Es freut mich, dass ich nicht die Einzige bin, die mit dem diesjährigen Fastenkalender nicht glücklich ist. Und ja, das Logo war früher auch viel aussagekräftiger und auch schöner. Vielen Dank!
  • user
    martino mantovani 10.03.2024 um 13:13
    ja, als altmitglied vom fastenopferforum vor 20 Jahren bin ich enttäuscht und immer mehr besorgt über die Tendenzen bei der neuen fastenaktion. wenn fr. 20’000.- für die unglauwürdige “glaubwürdige katholische allianz” in luzern gespendet werden. ich habe meine spenden und finanzierung der FA gekündigt
  • user
    Stefan S. 07.03.2024 um 21:14
    Eine Frage Herr Herzog; Was tut es zur Sache, die Nationalität von Matthias Dörnenburg und Bernd Nilles hervorzuheben? Danke für Ihre Rückmeldung.
    freundliche Grüsse
    Stefan S.
  • user
    Stefan Fleischer 07.03.2024 um 03:38
    ein neues Logo mit einem zerstückelten Kreuz
    Dem ist entgegenzuhalten, was unser Heiliger Vater in seiner ersten Predigt nach seiner Wahl den Kardinälen ans Herz gelegt hat:
    «Wenn wir ohne das Kreuz gehen, wenn wir Christus ohne Kreuz bekennen, sind wir nicht Jünger des Herrn: Wir sind weltlich, wir sind Bischöfe, Priester, Kardinäle, Päpste, aber nicht Jünger des Herrn.»
    Das «Fastenopfer» ist nicht die einzige Organisation in unserer Kirche, welche – schon seit vielen Jahren – mit dem Kreuz nichts mehr anzufangen weiss, ja das Kreuz unseres Herrn am liebsten ganz "entsorgen" möchte. Wir schaffen ja unsere Erlösung selbst, auch ohne den Herrn.
    Von mir erhält es schon seit Jahren keinen Rappen mehr. Mit dem neuen Logo spricht es sich nun in aller Öffentlichkeit selbst das Urteil.