Eine mittlerweile berühmt gewordene Szene aus dem Leben von Flannery O’Connor ist für den amerikanischen Bischof Robert Barron von ganz besonderer Bedeutung und war mitunter ein Grund, um sie in seiner mehrteiligen Videoserie über den katholischen Glauben «Catholicism: Pivotal Players» zu porträtieren. Die junge Flannery O’Connor – eine brillante, aufstrebende Autorin – wird in New York von der etablierten Schriftstellerin Mary McCarthy und ihrem Mann zum Abendessen eingeladen. O`Connor, die aus dem tiefen Süden der Vereinigten Staaten stammt, ist schüchtern und zurückhaltend in der illustren New Yorker Kulturszene, in die es sie verschlagen hat. Um sie mehr in das Gespräch miteinzubeziehen sagt die Gastgeberin, die weiss, dass O`Connor Katholikin ist, dass die Eucharistie ein ganz wunderbares Symbol ist. Worauf O`Connor mit bebender Stimme antwortet: «Wenn es bloss ein Symbol ist, dann zur Hölle damit!»
Von komischen Hühnern und lächerlichen Pfauen
Mary Flannery O’Connor wird 1925 in Savannah (Georgia) als Einzelkind in eine wohlhabende katholische Familie geboren. Schon früh zeigt sich in dem eigensinnigen Kind grosses Talent für die Künste. Sie richtet sich im Estrich eine Art Atelier ein, in dem sie zeichnet, liest und eigene Texte verfasst.
Als sie fünf Jahre alt ist, geschieht etwas, was sie später als den Höhepunkt ihres ganzen Lebens bezeichnen wird. Ein Filmteam kommt vorbei, um ein Huhn zu filmen, dem O`Connor beigebracht hat, rückwärts zu laufen. Der Beitrag dauert gerade einmal eine Minute, hinterlässt jedoch einen nachhaltigen Eindruck. Dreissig Jahre später, als sie die Geschichte in einem Essay erzählt, zeigt sich, dass diese frühe Faszination des Grotesken ihr ganzes künstlerisches Leben prägte.
Während der High-School und dem Studium der Soziologie und der englischen Literatur arbeitet sie für die Studentenzeitung und zeichnet humoristische Cartoons für die Presse. Mit 25 Jahren, mitten in ihrem literarischen Aufstieg, empfindet sie eines Tages beim Schreiben an der Schreibmaschine eine eigenartige Schwere in den Armen. Kurz darauf wird Lupus bei ihr diagnostiziert, eine unheilbare Krankheit, an der bereits ihr Vater zehn Jahre zuvor gestorben ist. O`Connor zieht mit ihrer Mutter auf eine Farm in Milledgeville (Georgia), wo sie den Rest ihres Lebens schwer von ihrer Krankheit geplagt, jedoch überaus produktiv verbringt. Sie züchtet Pfaue, die sie liebt, weil sie majestätisch und lächerlich zugleich sind. Sie schreibt zweiunddreissig Kurzgeschichten, zwei Romane und unzählige Essays. Zudem pflegt sie eine ausgedehnte Briefkorrespondenz und hält regelmässig Vorträge. Mit 39 Jahren stirbt Flannery O’Connor und wird in Milledgeville neben ihrem Vater begraben. Ihr Grabstein ziert ein Kreuz und das Nomen Sacrum IHS, das aus den ersten drei griechischen Buchstaben des Namens Jesus besteht.
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