Marseille ist Frankreichs älteste und zugleich zweitgrösste Stadt. Sie hat einen enormen Migrationsanteil: 90 Prozent der heutigen Stadtbevölkerung haben Vorfahren, die nicht aus Frankreich stammen. Die mediterrane Mentalität der Bewohner Marseilles spiegelt sich in der Brauchtumspflege und in einer tiefen, für Grossstadtmenschen ungewöhnlich ungebrochenen Religiosität. «La Bonne Mère», die gute Mutter, nennen die Marseillais ihr Wahrzeichen «Notre-Dame de la Garde», das in 154 Metern Höhe über die Stadt wacht. Zu ihr gehen die Einwohner von Marseille, wenn sie ein Gebetsanliegen haben. Mehr als zwei Millionen Menschen jährlich besuchen die Marienkirche aus dem 19. Jahrhundert mit der vergoldeten Madonna als Turmspitze. Auch Papst Franziskus wird sich in die Schar der Pilger einreihen.
Kardinal Jean-Marc Aveline, der Erzbischof von Marseille, sagte im Hinblick auf den Besuch der Marienkirche und des Abschlussgottesdienstes im Fussballstadion von Olympique: An diesen beiden Orten sei die Stadt in ihrer ganzen Vielfalt vereint. Das sei so, als ob Franziskus jeden Marseillais zu Hause besucht.
Auf Spenden angewiesen
Seit der strikten Trennung von Staat und Kirche im Jahr 1905 erhält die Kirche im katholisch geprägten Frankreich keinerlei staatliche Zuschüsse mehr; sie ist ganz auf die Spenden von Gläubigen angewiesen. Priester und Bischöfe bekommen monatlich rund 950 Euro, von denen teils noch Unterkunft und/oder Verpflegung zu bestreiten sind.
Die Einkünfte der Diözesen sind an die Finanzierung der kirchlichen Kernaufgaben gebunden: Gottesdienst, Seelsorge, Caritas.
Die Baulast für historische, vor 1905 errichtete Kirchengebäude liegt beim Staat, der im Zuge der Französischen Revolution allen Besitz der Kirche enteignete. Allerdings vernachlässigen die Gemeinden und andere staatliche Instanzen ihrer Verpflichtung zur Instandhaltung von kirchlichen Gebäuden oft sträflich. Ein Grund dafür sind finanzielle Schwierigkeiten, vor allem in ländlichen Regionen, sowie Bevölkerungsschwund.
Der Staat stellt die historischen Kirchengebäude, auch Kathedralen, den Pfarreien und Bischöfen kostenlos zur Verfügung. Derzeit sind von rund 50 000 religiösen Gebäuden in Frankreich, die dem Gottesdienst dienen – darunter 42 000 katholische – nur gut 10 000 denkmalgeschützt.
Risse in den Mauern und einstürzende Türme
Besonders die wiederholten Dürreperioden greifen die religiösen Gebäude an: Zuletzt mussten mehrere Kirchen ihre Türen wegen Rissen im Mauerwerk schliessen, wie die Zeitung «La Croix» berichtet. Experten sehen die Ursache dafür im Rekord-Regenmangel des Sommers 2022.
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