Der Medienmitteilung der Zürcher Justizdirektion lässt sich Interessantes entnehmen: Ende 2022 wohnten rund 1,58 Mio. Menschen im Kanton Zürich. Damit nahm die Bevölkerung im vergangenen Jahr um 1 % zu, obwohl die Zahl der Geburten im gleichen Zeitraum stark zurückging (40 – 50 %). Dies bedeutet wiederum, dass sich die Zunahme von ca. 15 000 Personen (in etwa die Einwohnerzahl von Stäfa) primär der Zuwanderung von Ausländern verdankt. In dieser Zahl sind die Flüchtlinge aus der Ukraine nicht enthalten, weil Personen mit Schutzstatus S erst ab einer Aufenthaltsdauer von 12 Monaten zur zivilrechtlichen Bevölkerung gezählt werden.
Doch nicht diese Zahlen, so aufschlussreich sie sind, stehen hier im Fokus. Von besonderem Interesse sind vorliegend primär die Mitgliederzahlen der Evangelisch-reformierten und Römisch-katholischen Kirche: Gerade noch 750 000 Personen, das sind weniger als die Hälfte der Einwohnerinnen und Einwohner, gehören einer der beiden grossen christlichen Konfessionen an. Die Evangelisch-Reformierten machen 24,5 % der Gesamtbevölkerung aus, die Römisch-Katholischen 22,8 %. Franziska Driessen-Reding, Synodalratspräsidentin der Römisch-katholischen Körperschaft, die sich ironiefrei gerne als «Oberste Katholikin im Kanton Zürich» apostrophieren lässt, führte den Mitgliederschwund zunächst generell auf die konfessionsübergreifende Säkularisierung und die Verdunstung der institutionellen Bindung zurück, sattelte dann aber stracks ihr überstrapaziertes Lieblings-Steckenpferd: Die Hauptschuld trage die Verschleppung der Aufarbeitung der (klerikalen) Missbräuche – worunter die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche schwer zu leiden habe.
Auf den ersten Blick ein scheinbar einleuchtender Befund. Aber eben nur scheinbar. Denn Driessen-Reding verschliesst ihre Augen vor der Tatsache, weshalb der Mitgliederschwund der Evangelisch-reformierten Kirche prozentual höher war (2,7 %) als jener der Römisch-katholischen Kirche (2 %). Synodalratspräsidentin Driessen-Reding & Co. müssen sich die Frage gefallen lassen, warum sich die Abwärtsspirale bei der Evangelisch-reformierten Kirche seit Jahren schneller dreht, obwohl letztere vom chronisch behaupteten sog. «Reformstau» als vermeintlicher Primärursache aufgrund ihres Kirchenverständnisses per definitionem nicht betroffen ist. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) teilt das Schicksal ihrer protestantischen Glaubensgeschwister in der Schweiz. Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus bezeichnete die Entwicklung der jüngst veröffentlichten Mitgliederzahlen als «bedrückend». In der Tat: Im vergangenen Jahr sackte die Zahl der Mitglieder um 575 000 Gläubige ab. Noch 19,15 Millionen bekennen sich zur Evangelischen Kirche in Deutschland. Dies bedeutet einen Schwund von 2,9 % gegenüber 2,6 % im Vorjahr (2021).
Zurück zum Kanton Zürich: Neben der Evangelisch-reformierten und Römisch-katholischen Kirche ist auch die Christkatholische Kirche vom Staat öffentlich-rechtlich anerkannt. Diese hatte sich im Gefolge des I. Vatikanischen Konzils von der Katholischen Kirche abgespalten. Gemäss Auskunft des statistischen Amtes der Justizdirektion beträgt die Zahl ihrer Gläubigen aktuell noch 2018 Personen (= 0,128 % der Gesamtbevölkerung). Den Zölibat kennt sie nicht, der Zugang zum Priestertum ist unabhängig vom Beziehungsstatus möglich, der «Ehe für alle» erteilt sie den kirchlichen Segen. Kurz: Die «Reformkatholiken» müssten sich da bestens aufgehoben fühlen, sind doch ihre Forderungen in der Christkatholischen Kirche allesamt erfüllt. Dennoch bleibt der Zustrom aus. Ihr öffentlich-rechtlicher Status lässt sich angesichts der sich der Promillegrenze nähernden Mitgliederzahl immer weniger rechtfertigen.
In einem Leserbrief des Pfarrblatts «forum» hat Daniel Erni aus Stäfa eine Ursachenforschung des Mitgliederrückgangs vorgenommen, welche der Realität weit eher näher kommt als der behauptete «Reformstau». Er vermutet, dass das ewige Gerede über «Modernisierung, Anpassung an den Zeitgeist und das Verteufeln alles Alten und Traditionellen» viele Gläubige aus der Kirche vertreibt. Synodalratspräsidentin Driessen-Reding und ihr überdimensionierter PR-Apparat unter der Ägide des auf systematische Nestbeschmutzerei abonnierten Simon Spengler dürfen sich da ganz besonders angesprochen fühlen.
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Zum sogenanten "Zeitgeist", dem viele glauben nachrennen zu müssen, sagt Altmeister Goethe im "Faust":
"Was ihr den Geist der Zeiten heisst, das ist im Grund der Herren eigner Geist, in dem die Zeiten sich bespiegeln."
(Goethe hat noch im generischen Maskulinum geschrieben, d. h. die Frauen sind inkludiert. Diese Aussage führt hoffentlich nicht zu einem feministschen Aufschrei ...)
Das genaue Gegenteil wird passieren, die Kirche des synodalen Weges wird zu einer beliebigen NGO. Eine dem Zeitgeist angepasste Organisation, notabene mit guten Pfründen.