Logo Polyamory. (Bild: Opensofias, CC0, via Wikimedia Commons)

Kommentar

Frauen – die Opfer der «befrei­ten Liebe»

Die ach so befreite Liebe bedeu­tet nichts ande­res als Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit auf Kos­ten ande­rer. Die schöne neue Welt der offe­nen Bezie­hun­gen ist genau das Gegen­teil von dem, was sie vor­täuscht zu sein. Und Frauen sind ihre gröss­ten Opfer.

Der Beitrag von Kristina Ballova erschien zuerst auf «Corrigenda».

Die echte Liebe befreit: von Einsamkeit, Eigensinn und Egoismus. Eheleute, die Jahre oder gar Jahrzehnte miteinander verbrachten, sich wirklich kennen und vertrauen, erwecken genau diesen Eindruck. Sie sind entspannter, nehmen sich nicht zu ernst, sind grosszügig. Sie müssen nicht ständig alles neu aushandeln, sie müssen sich nicht etwas beweisen und sie müssen nicht um ihre Rolle kämpfen. Im Gegensatz zu Menschen, die die Liebe von der verbindlichen Zweisamkeit und schliesslich sich selbst von der Liebe «befreien» wollen.

Jüngst widmete sich der «Spiegel» dem Thema der «befreiten» Liebe. Auf etlichen Seiten wird die monogame Beziehung als ein Auslauf-Konzept präsentiert. Nicht nur als altmodisch, sondern auch als unvernünftig. Wozu alles auf eine Karte setzen, wenn diese Karte irgendwann ohnehin ausgetauscht wird, fragen die Autoren. «Freundschaft plus und Situationship, offene Beziehung und Polyamorie» sollen die verbindliche romantische Liebe ersetzen.

Die Soziologin Andrea Newerla möchte die romantische Liebe «gern von ihrem hohen Sockel schubsen» und will nicht «in die Romantikfalle tappen: verlieben, verschmelzen, Haus kaufen, Kinder kriegen». Es folgen weitere Beiträge, die einen Abgesang auf die klassische Vorstellung von Liebe und Partnerschaft anstimmen.

Die schöne hippe Welt macht verletzlich
Ein queerer Influencer aus Berlin, der in einem «Hausprojekt» lebt, die Idee der sexuellen Freundschaften lobt, sich als schwul bezeichnet und gleichzeitig in einer offenen Ehe mit einer Frau lebt. Eine Frankfurter Sozialpädagogin, die zwar «feministischer lieben» möchte, aber durchblicken lässt, dass die schöne hippe Welt der offenen Liebe verletzlich macht. Sie wurde von ihrem Partner plötzlich verlassen, weil dieser polyamourös sein wollte.

Aus ihren Worten folgt, dass sie am liebsten in einer klassischen, verbindlichen Beziehung leben möchte, es sei aber gar nicht mehr einfach, in dem linken Grossstadtmilieu Männer kennenzulernen, «die nicht schon mit drei Leuten was haben». Eine andere Frau, die als Mutter in einer offenen Ehe lebt und als Beziehungscoach arbeitet, findet ihren Lebensstil «cool, wenn auch manchmal anstrengend».

Gleich zu Anfang verrät sie das, was ich vermutete: Ihr Mann kam mit dem Vorschlag, in einer offenen Beziehung zu leben. Wie sie selbst sagt, war sie «geschockt, verzweifelt, weinte». Heute schreibt sie Bücher darüber, wie offene Beziehungen gelingen können.

Zerfall der Beziehungsstruktur und der Familie
Weiter möchte ich das gar nicht aufzählen. Denn das, was hinter der vermeintlich verlockenden Idee einer offenen Liebe steckt, ist nicht nur ein Zerfall der Beziehungsstrukturen und Familie, sondern auch ein Betrug an Frauen. Es gehört zur Blindheit des Feminismus, das nicht zu bemerken.

Die ach so befreite Liebe bedeutet nichts anderes als Verantwortungslosigkeit auf Kosten anderer. Besser könnte es dieser «Spiegel»-Artikel nicht verdeutlichen: Hinter einer selbstbewussten Buchautorin, die in einer offenen Ehe lebt, steckt eine enttäuschte Ehefrau, die ihre gesunden und natürlichen Sehnsüchte unterdrücken musste. Hinter einer Grossstadt-Feministin eine verletzliche Frau, die in ihrer linken Blase seit Jahren vergeblich nach Liebe sucht.

Es ist nichts als eine kalte Welt
Wohlgemerkt: Wir Frauen sind nicht unschuldig, denn Männer tun nur das, was man ihnen auch erlaubt. Jedoch sollte man klar benennen, wer als Gewinner im wirren Lotto der «befreiten Liebe» dasteht: Es sind Männer. Und auch nur solche, die es sich leisten können. Nicht die schüchternen, nicht die uncoolen, nicht die weniger attraktiven Männer, sondern genau jene, die unter normalen Umständen als Machos gelten würden.

Unter dem progressiven Deckmantel dürfen sie es aber. Die Zahlen lügen nicht: 23 Prozent der Männer können sich vorstellen, in einer offenen Beziehung zu leben, aber nur 11 Prozent der Frauen.

Die schöne neue Welt der offenen Beziehungen ist genau das Gegenteil von dem, was sie vortäuscht zu sein. Es ist eine kalte Welt der Austauschbarkeit, Unbarmherzigkeit und Verantwortungslosigkeit. Und es sind vor allem die Frauen, deren Wünsche und Interessen auf dem Altar der vermeintlichen Freiheit geopfert werden.
 

Originalbeitrag auf Corrigenda


Corrigenda


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  • user
    Michael 20.02.2024 um 12:19
    So läuft der Hase.