Gian Lorenzo Bernini, Selbstporträt um 1638, Galleria Borghese, Rom.

Hintergrundbericht

Gian Lorenzo Bern­ini: Reprä­sen­tant form­voll­en­de­ter Syn­these von Skulp­tur und Architektur

Gian Lorenzo Bern­ini wurde am 7. Dezem­ber 1598 in Nea­pel gebo­ren. Durch seine in Mar­mor gemei­sel­ten Meis­ter­werke hat er der nach dem Kon­zil von Tri­ent erneu­er­ten und erstark­ten Kir­che ein kon­ge­nia­les Gesicht verliehen.

Gian Lorenzo Bernini kommt am 7. Dezember 1598 in Neapel zur Welt. Bereits als Achtjähriger geht er mit seinem Vater Pietro Bernini nach Rom, wo er in dessen Bildhauerwerkstatt ausgebildet wird. Schnell zeigt sich, dass er seinen Vater an Talent übertrifft.

Durch seinen Vater kommt Gian Lorenzo in Kontakt mit seinem ersten Mäzen, dem Florentiner Kardinal Maffeo Barberini, der ihm zwei Arbeiten überträgt. Die Qualität seiner Arbeit erregt die Aufmerksamkeit eines anderen Kardinals: Scipione Caffarelli-Borghese. Dieser gibt dem damals erst 20-jährigen Bernini den Auftrag, von der antiken Mythologie inspirierte Skulpturengruppen für seine Villa zu schaffen.
Die wohl berühmteste Skulptur stellt jene Szene aus Ovids «Metamorphosen» dar, in der sich die Nymphe Daphne auf der Flucht vor ihrem göttlichen Verehrer Apollo rettet in einen Lorbeerbaum verwandelt. «Bernini präsentiert die Szene auf einem ansteigenden Steinvorsprung, an dessen Spitze Daphne steht, dicht gefolgt von Apollo. Auf Erlösung hoffend, reckt die Nymphe ihre Arme in die Höhe, während Apollo sich nach ihr ausstreckt, um sie zu ergreifen. Meisterhaft fängt der Bildhauer den flüchtigen Moment der Verwandlung ein: Daphnes Zehen, die zu Wurzeln, ihre Beine, die zu Rinde, ihre Finger, die zu Zweigen werden. So hält Bernini das Vergängliche im harten Marmor fest: ein Kontrast, der Kunstkenner bis heute begeistert.»[1]
 


1623 wird sein erster Förderer, Maffeo Barberini, Papst. Die Wahl Urban VIII. ist für den jungen Künstler ein Glücksfall, denn dieser will Rom umgestalten und zu neuer Pracht führen. Urban VIII. erkennt in Bernini den idealen Künstler, um seine städtebaulichen und architektonischen Projekte zu verwirklichen und die Kirche als vom Konzil von Trient innerlich erneuerte und glanzvoll erstarkte Kraft darzustellen.

Gian Lorenzo Bernini wird zum Leiter der Baumassnahmen am Petersdom ernannt. Er nimmt sich der Ausgestaltung der Vierung (Kreuzpunkt von Haupt- und Querschiff) an und schafft den neuen Hochaltar. Ihn umgeben vier hohe, verdrehte Säulen, auf denen ein 28 Meter hoher Bronzebaldachin ruht, abgeschlossen mit einer Weltkugel mit Kreuz – Zeichen für die allumfassende Herrschaft Christi.

Um an das benötigte Material zu gelangen, wird die Deckenverkleidung des heidnischen Pantheon geschmolzen. Diese Aktion sorgt unter den Einwohnern Roms für Empörung: «Quod non fecerunt barbari, fecerunt Barberini» (Was die Barbaren nicht gemacht haben, machten die Barberini).

In die Nischen der Vierungspfeiler sind vier Figuren geplant, von denen Bernini aber nur eine selbst gestalten kann – den Longinus.

Rund zwanzig Jahre später wird Gian Lorenzo Bernini mit der Gestaltung der Kolonnaden rings um den Petersplatz sein Können unter Beweis stellen. Bis heute verharren Besucher ehrfürchtig staunend, wenn die Säulen den Blick auf den Petersplatz und die Basilika freigeben. Auf den Dächern wachen überlebensgrosse Heiligenfiguren. Ein Meisterwerk der barocken Prachtentfaltung – und der optischen Täuschung. Von bestimmten Punkten des ovalen Platzes aus betrachtet erscheinen  die Travertin-Pfeiler als eine einzige Säulenreihe. Angeordnet sind sie tatsächlich in vier Reihen hintereinander. Zwei runde Marmorkacheln mit der Aufschrift «Centro del Colonnato» verweisen auf die ideale Perspektive.
 


Als Urban VIII. 1644 stirbt, bekommt Bernini die Quittung für seinen unzimperlichen Umgang mit der Konkurrenz: Papst Innozenz X. lässt ihn fallen, Bernini erhält keine öffentlichen Aufträge mehr.

Das Blatt wendet sich erst wieder 1648: Dank alter Beziehungen gelingt es Bernini, einen Entwurf für den Brunnen auf der Piazza Navona einzureichen. Dieser gefällt Papst Innozenz  X. und so erhält Bernini den Zuschlag.

Der Vierströmebrunnen besteht aus einem niedrigen ovalen Becken, aus dem sich in der Mitte ein felsenartiger Aufbau mit verschiedenen Skulpturen erhebt. Die vier Männerfiguren an den Ecken repräsentieren die vier Flüsse Donau, Ganges, Nil und Río de la Plata, die ihrerseits für die vier damals bekannten Kontinente stehen. Auf einem anderen Kontinent war Bernini aber nie; seine einzige Auslandreise führte ihn nach Frankreich.

Auch einen Elefanten dürfte Gian Lorenzo Bernini nie gesehen haben und doch schuf er einen der berühmtesten Elefanten. Das freundlich und etwas pummelig wirkende Rüsseltier mit einem ägyptischen Obelisken auf dem Rücken steht vor der Basilika «Santa Maria sopra Minerva», nahe am Pantheon. Einer römischen Legende nach war die Darstellung des tierischen Gesässes ein Racheakt Berninis an einem Dominikaner, der links der Kirche wohnte. Der Pater beanstandete die Statik des ursprünglichen Entwurfs. Auf päpstliches Geheiss musste Bernini seinen Elefanten verändern und der Ordensmann anschliessend mit dem Blick auf das tierische Hinterteil leben.
 


Wer Rom besucht, trifft auf Plätzen, in Kirchen und Museen immer wieder auf Bernini. Eine Auflistung aller Werk wäre den Rahmen des Beitrages sprengen. Deshalb nur noch zwei kurze Hinweise:

Wer von der Engelsburg Richtung Zentrum möchte, wird über die Engelsbrücke gehen. Die zehn gewaltigen Engelsfiguren, welche Symbole tragen, die mit der Passionsgeschichte Christi verbunden sind, stammen von Bernini und seinen Schülern.

Im linken Querarm der Kirche «Santa Maria della Vittoria» liegt vor goldenen Strahlen aus einem angedeuteten Himmel die heilige Teresa von Ávila. Vor ihr steht ein Engel mit einem Pfeil, zielt auf ihr Herz. Die «Verzückung der heiligen Teresa» zählt zu den berühmtesten Werken Berninis und zeigt die heilige Teresa im Augenblick ihrer Vision, bei der ihr ein Engel mit dem Pfeil der göttlichen Liebe das Herz durchbohrt. Gemein hat sie mit seinen weiteren Statuen ihre Lebendigkeit. Dabei beschränkt sich der Künstler nicht auf blosse Äusserlichkeiten, sondern fängt Moment, Stimmung und Wesen der Abgebildeten ein.

Im Gegensatz zu seinem direkten Konkurrenten, dem Tessiner Francesco Borromini, konnte Bernini dank seines umgänglichen Charakters gute Beziehungen zu seinen Auftraggebern pflegen. Als gläubiger Mensch besuchte er täglich die Messe und befolgte die zeitgenössische religiöse Praxis.

Diesem hochbegabten und vielseitigen Künstler war eine verspielt-leichtfüssige Seite nicht fremd: Berninis Karikaturen prominenter Persönlichkeiten, darunter Papst Innozenz X., offenbaren seinen ausgeprägten Sinn für Humor und Ironie.

Gian Lorenzo Bernini starb am 28. November 1680 und liegt begraben in einem schlichten Grab in der Kirche «Santa Maria Maggiore».
 


[1] https://www.geo.de/magazine/geo-epoche-edition/1067-rtkl-ein-leben-fuer-rom-gianlorenzo-bernini


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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