Ampelmännchen in der Reichenbachstrasse in München (Ausschnitt). (Bild: Maximilian Dörrbecker (Chumwa), CC BY-SA 2.5 via Wikimedia Commons)

Interview

Homo­se­xua­li­tät und Pädophilie

Die Pilot­stu­die zum sexu­el­len Miss­brauch in der Katho­li­schen Kir­che gelangt zu fol­gen­dem Befund: 56 Pro­zent der Betrof­fe­nen bzw. Opfer waren Män­ner, in 74 Pro­zent der Fälle han­delte es sich um Min­der­jäh­rige. Ange­sichts die­ses Sach­ver­halts stellt sich die Frage nach einer mög­li­chen Kor­re­la­tion von Homo­se­xua­li­tät und Pädo­phi­lie. Der Experte Dr. Ger­hard van den Aard­weg ord­net ein.

Im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch wird immer wieder von «pädophilen» Tätern gesprochen. Was versteht man in der Wissenschaft unter Pädophilie?
Pädophilie wird definiert als «erotisches Angezogenwerden» durch prä-pubertäre Kinder, d. h. Kinder, die jünger als 11 und 12 Jahre sind. Das Kriterium ist aber subjektiv: Je nach kulturellen und erbbedingten Faktoren können Knaben jedoch auch in diesem Alter noch vollständig prä-pubertär und damit für Pädophile attraktiv sein, während das auf andere Jungen im gleichen Alter nicht mehr zutrifft. Wirkliche pädophile Missbrauchsfälle stellen in der Katholischen Kirche eine kleine Minderheit der Fälle dar – warum es wesentlich geht, ist homosexuelle Ephebophilie. Diese Wirklichkeit will man jedoch nicht wahrhaben, also wird jeder homosexuelle Missbrauch als Pädophilie «diagnostiziert» und alle Schuld den pädophilen Homosexuellen zugeschoben, damit die Wahrheit bezüglich des Zusammenhangs zwischen herkömmlicher männlicher Homosexualität und Verführung/Versuchung nicht bekannt wird.

Sie haben gerade die Ephebophilie erwähnt. Was versteht man darunter und gibt es noch weitere Unterscheidungen?
Ephebophilie ist auf pubertäre Jugendliche gerichtet, Androphilie auf junge und reifere erwachsene Männer. Es gibt dabei fliessende Übergänge, obwohl die meisten Betroffenen eine ziemlich feste Präferenz haben. Die grosse Mehrheit der androphilen homosexuellen Männer sind nicht interessiert an prä-pubertären Jugendlichen, aber es kommt nicht selten vor, dass ein ephebophiler Mann auch erotische Gefühle für Kinder spürt.

Die Pilotstudie spricht von 1002 Missbrauchsfällen. In 56 Prozent der Fälle waren die Opfer männlich. Die Täter waren fast ausschliesslich Männer. Gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, ob ein direkter Zusammenhang zwischen Homosexualität und Missbrauch besteht?
Der Zusammenhang ist sehr gut dokumentiert. Das Risiko, dass erwachsene homosexuelle Männer minderjährige Jungen sexuell belästigen, ist 10 bis 20 Mal so hoch wie das Risiko, dass erwachsene heterosexuelle Männer minderjährige Mädchen belästigen. Dies ist durch mehrere Studien gut belegt.[1] Homosexuelle Männer sehen als ideale Altersgruppe für Partner die Gruppe der Teenager und der jungen Erwachsenen. So gaben in einer Studie aus dem Jahr 2000 rund 80 Prozent der erwachsenen homosexuellen Männer an, einen Partner im Alter von 15 bis 20 Jahren zu bevorzugen.[2]

Es wird immer wieder angemerkt, dass Sexualtäter oft selbst Opfer von (sexueller) Gewalt waren. Können Sie das bestätigten?
In relativ wenigen Fällen hat der aggressive Verführer in der Jugend selbst eine mehr oder weniger aggressive Vergewaltigung/Verführung erfahren. Ein Mann, der selbst Opfer wurde, neigt eher zu einer aggressiven Annäherung, weil er diese Strategie selbst erlebt hat und ihm diese Möglichkeit schneller in den Sinn kommt als jemanden, der kein Opfer war. Es ist aber nicht so, dass eine eigene Gewalterfahrung an sich ein kausaler Hauptfaktor ist; der eigentliche Grund für Sexualstraftaten liegt im grossen inneren Drang zu sexueller Affektion.

Der erwähnte Bericht zur Pilotstudie listet unter den «katholischen Faktoren» für Missbrauch auch die angebliche «homophobe Kultur» der Katholischen Kirche auf.
Das stimmt so nicht. Die Missbrauchsfälle haben gerade seit den 1950er- bis 1960er-Jahre sehr stark zugenommen. Seit diesem Zeitpunkt gab es zunehmend homosexuelle Priester und Bischöfe, homosexuelle Seilschaften in Priesterseminaren und diözesanen Bürokratien sowie homosexuelles Verhalten und Missbrauchsfälle, die durch die kirchliche Verwaltung und Bischöfe nicht diszipliniert, das heisst nicht bestraft wurden und im Gegenteil Täter geschützt wurden. Es war die Zeit der sexuellen Revolution – auch in der Katholischen Kirche. «Ich schätze, dass 50 bis 60 % der Männer, die gleichzeitig mit mir Mitte der Siebzigerjahre ein religiöses Leben begannen, homosexuell waren», schreibt ein gut informierter amerikanischer Jesuit in einer Analyse der Skandal-Welle.[3]
Weiter weise ich nur darauf hin, dass wir nicht ein spezifisch katholisches Problem besprechen: Studien zeigten bei protestantischen Pfarrern sogar höhere Prozentsätze von homosexuellem Missbrauch als bei katholischen Priestern, obgleich die Pfarrer meistens verheiratet waren. Wenn Leiter von Studien in ihren Interpretationen sich dieses Faktes nicht bewusst sind, suchen sie die Ursachen, wo sie nicht sind. So findet auch relativ viel Missbrauch in nicht-religiösen oder pädagogischen Institutionen, in der Justiz und in der Armee durch homosexuelle Lehrer, Pädagogen, Mitarbeiter usw. statt.
Bei der Pilotstudie geht es um katholische Priester, aber bei protestantischen Pfarrern, jüdischen Rabbinern, Imamen, buddhistischen Mönchen usw. ist es dasselbe, das heisst, es gibt eine Überrepräsentation von homosexuellen Personen im Vergleich mit der Durchschnittsbevölkerung.

 


[1] Vgl. z. B. Cameron, Teacher-pupil sex, how much is homosexual ? Empirical Journal of Same-Sex Behavior (online), 2007, Bd. 1, 1–19 ; John Jay College of Criminal Justice : The nature and Scope of the problem of sexual abuse of minors by Catholic priests and deacons in the U. S. Washington DC : U.S. Conference of Catholic Bishops, 2004.
[2] Vgl. Zebulon, A. u. a. : Sexual partner age preferences of homosexual and heterosexual men and women. Archives of Sexual Behavior, 2000, Bd. 29, 67–76.
[3] Paul Mankowski, Jesuit at Large, Essays and Reviews. Ignatius Press, 2021.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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