Hintergrundbericht

In der Hei­li­gen Stadt die Rechte der drei Reli­gio­nen achten

Jeru­sa­lem ist für Juden, Chris­ten und Mus­lime eine Hei­lige Stadt. Vor 75 Jah­ren plä­dierte Papst Pius XII. mit der Enzy­klika «Redemp­to­ris nos­tri» für eine Inter­na­tio­na­li­sie­rung Jeru­sa­lems. Heute wird die­ser zukunfts­wei­sende Vor­schlag vom Vati­kan in aktua­li­sier­ter Form wie­der ins Spiel gebracht.

Heilig ist Jerusalem für alle: Für Juden ist es die Stadt Davids und des Tempels, für Christen der Ort des Todes und der Auferstehung Jesu. Und für Muslime ist es heilig, weil Mohammed hierher seine nächtliche Reise unternahm. Und da im spannungsgeladenen arabisch-israelischen Konflikt die Trennungslinien auch entlang der Religionen verlaufen, bleibt die Stadt ein neuralgischer religiöser und politischer Ort.

Für den Vatikan, für den Papst und seine Diplomatie kamen das Heilige Land und Jerusalem ganz oben auf die Prioritätenliste, als sich mit dem Ende des britischen Mandats 1948 eine neue politische Landschaft und eine Gewalteskalation abzeichneten. Nicht weniger als sieben Enzykliken, Ansprachen und Interventionen widmete Papst Pius XII. – für den nach Ende des Zweiten Weltkriegs die Wahrung des Weltfriedens das Kernthema war – diesem Krisenherd.

So begrüsste er von Anfang an den Teilungsplan der UNO vom November 1947, der eine Aufteilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat sowie eine Internationalisierung Jerusalems – als corpus separatum – unter internationaler Kontrolle vorsah. Auch als sich der Teilungsplan nicht realisieren liess, als Israel im Unabhängigkeitskrieg sein Territorium vergrösserte und Jerusalem zwischen Israel und Jordanien durch eine hermetische Grenze zweigeteilt wurde, blieb der Heilige Stuhl zunächst bei seiner Haltung.

Ein Schlüsseldokument ist die Enzyklika «Redemptoris nostri», die Pius XII. am 15. April 1949, einem Karfreitag, erliess. Kurz zuvor war nach dem israelischen Unabhängigkeitskrieg weitgehende Waffenruhe eingetreten. Die Gedanken der Christen gingen «in grösster Ehrerbietung auf jenes Land, […] in dem Jesus Christus sein irdisches Leben verbrachte, sein Blut vergoss und den Tod erlitt», so eröffnete Pius XII. seine dreiseitige Botschaft.

«Bitterste Trauer» äusserte er dabei über die Lage der Christen und die unsicheren Verhältnisse an den Heiligen Stätten. Auch nach Ende des Waffengangs gebe es «Klagen über die Entweihung von Heiligtümern und Wohltätigkeitsstätten und über die Zerstörung friedlicher Ordenshäuser.» Ausserdem sei das Los der zahllosen Flüchtlinge ungelöst, «die in Lagern in der Verbannung unter Not leben». Sein Appell: Alle Verantwortlichen sollte sich dafür sorgen, «dass allen Gerechtigkeit widerfährt».

In «Redemptoris nostri» konzentrierte sich der Papst freilich auf den Status und die Zukunft der Heiligen Stätten. Er wiederholte seinen bereits mehrfach geäusserten Aufruf, dass eine «Internationalisierung Jerusalems und seiner Umgebung» die Sicherheit der Erinnerungsstätten an den göttlichen Erlöser am besten gewährleisten könnte. Eine solche rechtliche Verfassung müsse durch ein gemeinsames Übereinkommen der friedliebenden Nationen gesichert werden.

Von der Maximalforderung einer Internationalisierung Jerusalems sind Päpste und Vatikan-Diplomaten schon lange abgerückt. Sie plädieren für ein international garantiertes Statut, das die Heilige Stadt aus dem politischen Streit heraushält und den Mitgliedern aller drei Religionen gleiche Rechte garantiert. Nur so könne man den historischen Charakter sowie die religiöse und kulturelle Eigenheit der Stadt bewahren. Dabei geht es dem Vatikan nicht nur um freien Zugang zu den Heiligen Stätten. Es geht auch nicht darum, Grabeskirche, Klagemauer oder Felsendom zu extraterritorialen Orten zu machen.

Die Diskussion um einen Sonderstatus Jerusalems ist in letzter Zeit auf christlicher Seite wieder neu aufgerollt worden. Die heiligen Stätten sollten als Ort der Begegnung einen eigenen internationalen Rechtsstatus bekommen, um sie aus nationalen Ansprüchen herauszunehmen, heisst es. Das könne auch ein Beitrag für eine Friedensvision sein, zumindest aber die festgefahrene Situation in Bewegung bringen.

Der Lateinische Patriarch Pierbattista Pizzaballa hatte unlängst gefordert, die Christen müssten eine systematischere, religiös begründete Position zu Jerusalem entwickeln und ihre Position zur Heiligen Stadt besser begründen. Denn während Muslime wie auch Juden ein sehr klares religiöses Narrativ hätten, falle es Christen schwer, ihre eigene Vision eines offenen, universellen Jerusalem angemessen zu begründen. «Wir Christen sprechen von Frieden, Dialog und Versöhnung als konstitutivem Bestandteil der Identität und der Berufung der Heiligen Stadt, aber wir sind sehr vage, wenn es darum geht, zu erklären, worauf wir diese Prinzipien aus religiöser Sicht gründen», so der Kardinal.

Jerusalem müsse nach der christlichen Vision der Bibel eine Stadt sein, über die «niemand das Monopol hat», die alle Menschen willkommen heisse und offen für alle sei. Jerusalem sei der einzige Ort, an dem alle christlichen Konfessionen vertreten seien und an dem die Spaltungen «so schmerzhaft sichtbar sind wie nirgendwo sonst». Gleichzeitig sei es elementarer Teil der Identität und der Berufung Jerusalems, eine gemeinsame Sprache zu finden – und die Kirchen sollten darin vertreten sein.

Ein solches gemeinsames Narrativ könne auch dazu beitragen, eine christliche Strategie für die Zukunft Jerusalems sowie im Umgang mit dem Konflikt zu entwickeln, die über das gegenwärtig herrschende Krisenmanagement hinausreiche. Kardinal Pizzaballa: «Gegenwärtig löschen wir Feuer und reagieren auf Krisen und Notfälle, aber wir dürfen es nicht dabei belassen, sondern müssen eine Strategie entwickeln.»


KNA/Redaktion


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