Fumietreten von Tokugawa Shogunate um 1870. (Bild: Public domain via Wikimedia Commons).

Weltkirche

Japan: Zur Geschichte eines Katakomben-​Christentums

Die von den Jesui­ten im 16. Jahr­hun­dert initi­ierte Mis­sio­nie­rung Japans war in den ers­ten Jahr­zehn­ten aus­ge­spro­chen erfolg­reich. Bald aber setzte eine erbar­mungs­lose Ver­fol­gung ein, wel­che die Chris­ten wäh­rend zwei Jahr­hun­der­ten in den Unter­grund zwang. Erst im März 1873 setze das Kai­ser­haus Meiji der Chris­ten­ver­fol­gung ein Ende.

Die Geschichte des Christentums in Japan begann mit dem heiligen Franz Xaver, der 1549 mit drei weiteren Jesuiten nach Japan kam. In den folgenden Jahrzehnten nahmen mehrere Hunderttausend Japaner den katholischen Glauben an; dies war vor allem ein Werk der ersten christlichen Familien, die andere Familien für ihren Glauben gewinnen konnten. Die Küstenstadt Nagasaki wurde zu ihrem Zentrum.

Im Jahr 1579 kam der Jesuit Alessandro Valignano (1539–1606) in Japan an. Er war ein hochgebildeter Priester und ein grosser Missionar: Ihm war bewusst, dass die Jesuiten die Sprache und Kultur der Japaner erlernen mussten, um sie zu evangelisieren; so schrieb er ein Handbuch, das grundlegend für die Missionare in Japan wurde. Da z. B. die Teezeremonie in Japan hohes Ansehen genoss, ordnete er an, dass in jeder Jesuitenniederlassung ein Raum für diese Teezeremonie eingerichtet wurde. Dank dieser der Inkulturation verpflichteten Missionspolitik konvertierten auch japanischer Intellektuelle und Fürstenfamilien zum christlichen Glauben oder zeigten grossen Respekt vor dieser neuen Religion.
Auch der Jesuit João Rodrigues (1561–1633) sprach fliessend Japanisch und wurde deshalb als Dolmetscher bei Gesprächen mit den Herrschenden eingesetzt. Er stellte wichtige Nachschlagewerke zusammen, darunter eine japanische Grammatik, ein japanisch-portugiesisches Wörterbuch, eine Missionsgeschichte und eine Einführung in die japanische Kultur.

Verflechtung von Mission und Kolonialpolitik
In dieser Zeit herrschten ein paar wenige Mächtige über die Bevölkerung, die ihrerseits keine Rechte hatte und deren Leben nichts galt. Der christliche Glaube, wonach jeder Mensch ein Geschöpf Gottes und deshalb wertvoll ist, wurde deshalb von den Mächtigen als Gefahr angesehen.

Die Missionierung wurde von handfesten wirtschaftspolitischen Interessen der Herkunftsländer der Missionare überlagert, teils gar behindert. Portugal und Spanien hatten die Länder unter sich aufgeteilt; Japan fiel in die Sphäre Portugals. Damit war Spanien nicht einverstanden, denn das ausschliessliche Recht, das Christentum in Japan zu verbreiten, bedeutete das exklusive Recht, mit Japan Handel zu treiben. So kamen später spanische Franziskaner und auch Dominikaner über Manila nach Japan. Sowohl die Portugiesen wie auch die Spanier versuchten Einfluss zu erlangen. Da der Katholizismus ein Gegengewicht zu den buddhistischen Klöstern bildete, die ihrerseits Einfluss zu nehmen versuchten, wurde er von den Regionalherrschern toleriert oder gefördert.
Der im 6. Jahrhundert in Japan eingeführte Buddhismus beteiligte sich aktiv an militärischen und politischen Auseinandersetzungen und hatten grosse Macht. Dabei war der Tempel «Berg Hiei» das geistige und organisatorische Zentrum; er verfügte über ein landesweites Netz von Klöstern und Schreinen, die auch anderswo als lokale Machtzentren agierten. Daneben gab einzelne buddhistische Sekten, die ganze Provinzen unter ihre Kontrolle gebracht und dort eine Art gottesstaatliches Regime errichtet hatten. All dies war den Herrschenden, die ein vereinigtes Japan anstrebten, ein Dorn im Auge.

Als die Macht der buddhistischen Klöster gebrochen wurde, verlor das Christentum für die Regionalherrscher an Bedeutung. Ausserdem hatten sich die portugiesischen Kaufleute durch ihre Preispolitik unbeliebt gemacht.

1587 erliess Toyotomi Hideyoshi, ein General und Politiker, der die verschiedenen kleinen Herrschaftsgebiete Japans zu einigen versuchte, ein Ausweisungsedikt für die Missionare. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde dieser Erlass zunächst aber kaum durchgesetzt. Als jedoch ein spanischer Kapitän in Hideyoshis Gegenwart damit prahlte, dass die Spanier zuerst Missionare in ein Land sandten, um es später mit Waffengewalt zu erobern, war es mit der Duldung der Missionare vorbei. Aus Angst vor einem möglichen europäischen Einfluss liess Hideyoshi 1597 drei japanische Jesuiten, sechs spanische Franziskaner-Tertiare und 17 japanische Christen durch Kreuzigung hinrichten: die «Märtyrer von Nagasaki» oder auch «Paul Miki und Gefährten». Diese ersten Märtyrer der Katholischen Kirche in Japan wurden 1862 von Papst Pius IX. heiliggesprochen.

Die Christenverfolgung nahm zu. Dabei «experimentierten» die Herrscher mit immer grausameren Formen der Folter und des Mordes: Christen wurden gekreuzigt, bei schwacher Hitze verbrannt, in heissen Quellen lebendig gekocht, zersägt oder auch kopfüber in einer Grube voller Exkremente aufgehängt. Christen konnten sich retten, indem sie ihrem Glauben abschworen und als Zeichen dafür auf die «Fumie» (Bilder mit christlichen Motiven) traten.

Ausweitung der Verfolgung
Unter der Herrschaft von Tokugawa Ieyasu (ab 1603–1616) kam es zunächst nochmals zu einer Phase der Toleranz, war er doch am Handel mit den Portugiesen interessiert. Durch die Ankunft von immer mehr europäischen Protestanten (Holländer und Engländer) verloren die Portugiesen ihr Handelsmonopol; Tokugawa Ieyasu brauchte die Katholiken nicht mehr. Zugleich erfuhr er so vom Religionsstreit zwischen Katholiken und Protestanten. Da er selbst versuchte, Japan zu vereinigen, wuchs sein Misstrauen gegenüber den Europäern.

1609 wurden in Kyushu Dominikaner verhaftet und nach Nagasaki gebracht. Einige von ihnen wurden hingerichtet, die anderen des Landes verwiesen. 1612 verbot Tokugawa Ieyasu den römisch-katholischen Glauben in seinem Herrschaftsgebiet, 1615 dann in ganz Japan. Am 14. Mai 1614 fand die letzte Prozession durch die Strassen von Nagasaki statt. In Nagasaki, das auch das «Rom Japans» genannt wurde, gab es damals bereits zehn Kirchen und auch eine religiöse Frauengemeinschaft sowie zwei Krankenhäuser. Die Mehrheit seiner Einwohner waren Christen.
Während der weiteren Verfolgung wurden Kirchen zerstört und Gläubige hingerichtet, so z. B. am 10. September 1622 als beim «Grossen Genna-Martyrium von Nagasaki» (liturgisch «Sebastian Kimura und Gefährten») 56 Missionare und christliche Laien – Dominikaner-, Jesuiten- und Franziskanerpriester, Seminaristen und Ordensbrüder sowie Ehemänner, Ehefrauen und Kinder, das jüngste war drei Jahre alt – der Verfolgung zum Opfer fielen.
Trotzdem kamen 1623 neun Missionare, darunter drei Dominikaner, aus Manila nach Japan. Bis 1634 wurden alle verhaftet und hingerichtet.
 

Zwischen 1637 und 1638 kam es in Shimabara in der Nähe von Nagasaki zu einem Aufstand von Bauern, die sich gegen die hohen Steuern wehrten. Angeführt wurden die Aufständischen vom christlichen Samurai Amakusa Shiro. Der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen, alle rund 37 000 Gefangenen – vorwiegend Christen – hingerichtet. Obwohl der Aufstand aufgrund der zu hohen Staatsabgaben erfolgte und nicht wegen der Religion, kam bei den Herrschern die Furcht vor Glaubenskriegen auf. Zudem erkannten sie, dass viele Christen untereinander und gegenüber der Kirche grössere Loyalität zeigten als gegenüber den Herrschenden.

Es wurden Verfolgungsbehörden eingerichtet, die eine landesweite Verfolgung und Ausrottung der Christen zum Ziel hatten. Alle Untertanen wurden gezwungen, sich in einer buddhistischen Tempelanlage registrieren zu lassen. Um versteckte Christen ausfindig zu machen, mussten bei den jährlichen Versammlungen in den Tempeln alle auf «Fumie» treten – wer sich weigerte, war als Christ überführt und wurde getötet, ausser er schwor dem Glauben ab. So blieb er am Leben; die gesamte Familie wurde danach über sieben Generationen von den staatlichen und religiösen Behörden überwacht.
Die Herrschenden hegten den Verdacht, dass Katholiken aus dem Westen an der Ausbreitung der Rebellion beteiligt waren. Daher wurden 1639 die im Lande verbliebenen letzten Portugiesen vertrieben.

1641 erliess der Shogun Tokugawa Yemitsu ein weiteres Dekret, das später als «sakoku» bekannt wurde. Dieses verbot jegliche Form des Kontakts zwischen Japanern und Ausländern. Japaner, die im Ausland lebten, erhielten den Befehl, in ihre Heimat zurückzukehren, alle Ausländer mussten Japan verlassen. Zweieinhalb Jahrhunderte lang schirmte sich Japan gegen aussen ab. Einzig die kleine Insel Deshima in der Nähe von Nagasaki blieb offen: Hier hatten sich niederländische protestantische Händler niedergelassen, die von den japanischen Herrschern toleriert wurden, da sie nie missionierten.

Über 200 Jahre im Untergrund
Einige Priester blieben illegal in Japan, darunter achtzehn (namentlich bekannte) Jesuiten, sieben Franziskaner, sieben Dominikaner, ein Augustiner, fünf Weltpriester und eine unbekannte Anzahl weiterer Jesuiten. Die Christen übten ihre Religion im Verborgenen aus; sie werden deshalb als «Kakure Kirishitan» (verborgene Christen) bezeichnet. Da jeder Kontakt zur Aussenwelt abgebrochen war, entwickelte sich der katholische Glaube unabhängig von der Weltkirche weiter. Weil auch zwischen den einzelnen «Pfarreien» fast kein Austausch möglich war, variierte die konkrete Glaubenspraxis von Ort zu Ort. Laien übernahmen Dienste in den mit der Zeit priesterlos gewordenen «Pfarreien» – die sakramentale Praxis erlebte dadurch einen Rückgang. Auch Bibeln oder geistliche respektive katechetische Bücher gab es nicht mehr; diese waren auf Befehl des Shogunats verbrannt worden; die Überlieferung erfolgte nur noch mündlich. Die weiter getragenen Gebete waren eine Mischung aus Latein, Portugiesisch und Japanisch. Gegen aussen pflegten die Katholiken den Buddhismus, um nicht aufzufallen. Dabei verehrten sie offiziell eine Statue des buddhistischen Gottes Kannon. Aufgrund seiner weiblichen Züge stellte er für sie aber die Gottesmutter dar. Auch besassen sie heimlich mit einem Kreuz gekennzeichnete Objekte. Da die Katholiken öffentlich Rituale des Buddhismus und Shintō (ethnische Religion Japans) ausüben mussten, vermischte sich der katholische Glauben im Laufe der Jahrzehnte mit diesen beiden Religionen.

Erst 1853 öffnete sich Japan auf Druck der USA wieder gegen aussen. Zehn Jahre später kamen zwei französische Priester der «Société des Missions Étrangères», Louis Furet und Bernard Petitjean, in Nagasaki an. Sie bauten eine Kirche zu Ehren der 26 Märtyrer von Nagasaki, die im Jahr zuvor heiliggesprochen worden waren. Am Karfreitag, 17. März 1865, kurz nach der Fertigstellung, kam eine Gruppe in die Kirche. Eine alte Frau der Gruppe sagte zu Pater Petitjean: «Wir haben das gleiche Gefühl im Herzen wie Sie. Wo ist die Statue der Jungfrau Maria?» Es stellte sich heraus, dass es sich um Christen aus dem Ort Urakami handelte.[1] So kam es zum ersten Kontakt japanischer Christen mit der Weltkirche nach mehr als 200 Jahren. Papst Pius IX. erklärte dieses Geschehen zum «Wunder des Orients». Pater Petitjean stellte dabei fest, dass sie den Taufritus während der ganzen Zeit treu überliefert hatten.
Erst am 14. März 1873 beendete das neue Kaiserhaus Meiji die Verfolgung der Christen und erkannte 1888 das Recht auf Religionsfreiheit für alle Bürger an.

Es bestand bereits seit dem 1. Mai 1846 ein Apostolisches Vikariat in Japan, das jedoch nur Ausländern offenstand. Nach der Öffnung Japans kehrte etwa die Hälfte der japanischen Katholiken zur Römisch-katholischen Kirche zurück, deren religiöse Neuorientierung anfangs nicht einfach war. Andere blieben beim «Mischglauben» der «Kakure Kirishitan».

Auf dem Höhepunkt der Mission im frühen 17. Jahrhundert gab es Schätzungen zufolge über 700 000 japanische Christen (5 % der Gesamtbevölkerung) und etwa 300 bis 400 europäische Missionare.
2021 betrug die Zahl der Katholikinnen und Katholiken in Japan 431 100 (0,34 % der Gesamtbevölkerung). Davon sind 6200 Kleriker, Seminaristen und Ordensleuten. In den 15 Diözesen gibt es rund 950 Kirchen.

 


[1] Beim Atombombenabwurf auf Nagasaki am 9. August 1945 kamen 8500 der 12 000 Katholikinnen und Katholiken in Japans grösster christlichen Gemeinde Urakami ums Leben.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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