Während des diesjährigen Gedenkgottesdienstes an die Märtyrer während des Regimes der «Roten Khmer». (Bild: Facebook catholic cambodia)

Weltkirche

Kam­bo­dscha: Bei­nahe aus­ge­rot­tet, erwacht Katho­li­sche Kir­che zu neuem Leben

Die Katho­li­sche Kir­che in Kam­bo­dscha bil­dete schon immer eine kleine Min­der­heit. Unter dem Ter­ror­re­gime der «Roten Khmer» wurde sie fast voll­stän­dig zer­stört. Heute blüht sie wie­der auf – auch dank der Saat der Märtyrer.

Das Königreich Kambodscha stand von 1863 bis 1953 unter französischer Vorherrschaft. Im Jahr 1970 stürzten kambodschanische Offiziere unter der Führung von General Lon Nol den König und gründeten die Republik Khmer, was einen Bürgerkrieg zur Folge hatte. Lon Nol verbündete sich mit den Kommunisten und musste der Stationierung der «Vietnamesischen Volksarmee» und des «Viet Cong» auf seinem Staatsgebiet zustimmen, was Kambodscha in den Vietnamkrieg (1955–1975) hineinzog. Im April 1975 eroberten die kommunistischen Truppen, die sich inzwischen als «Rote Khmer» bezeichneten, die Hauptstadt Phnom Penh. Sie errichteten eine Schreckensherrschaft und versuchten, nach maoistischem Vorbild eine egalitäre Gesellschaft zu errichten. Jede Religionsausübung wurde verboten, religiöse Stätten sowie Kirchen zerstört. Es kam zu Zwangsumsiedlungen aufs Land, Zwangsarbeit und Massentötungen. Neben den ehemaligen Regierungsbeamten richtete sich die Gewalt vor allem gegen die geistige Elite und ethnische Minderheiten, insbesondere gegen Vietnamesen. Alle Ausländer wurden gleich zu Beginn aus Kambodscha ausgewiesen, darunter auch katholische Priester und Ordensleute.

Dem Terrorregime der «Roten Khmer» fielen rund 2 Millionen Menschen zum Opfer, bis es durch den Einmarsch der vietnamesischen Armee 1979 beendet wurde. Kambodscha blieb in den nächsten zehn Jahre von Vietnam besetzt; die entmachteten Roten Khmer leisteten mit Guerillataktik Widerstand. Erst 1989 kam es zu einem Friedensabkommen zwischen der regulären Regierung und den «Roten Khmer». 1993 erhielt Kambodscha eine neue Verfassung und die ursprüngliche Monarchie wurde wieder hergestellt.
 


Wiedererstehen der Katholischen Kirche
Der christliche Glaube kam bereits 1555 durch den portugiesischen Dominikanerpater Gaspar da Cruz nach Kambodscha. Im 19. Jahrhundert wurde das Land Missionsgebiet der «Missions étrangères de Paris» (MEP), die dort im Jahre 1850 ein Apostolisches Vikariat gegründet hatten. Katholisch waren vor allem die französischen Kolonialherren und die Vietnamesen – beides Gruppen, die bei der Bevölkerung nicht gut angesehen waren.

Während des Terrorregimes der «Roten Khmer» wurde die kleine katholische Kirche in Kambodscha fast vollständig zerstört. «Nach dieser Zeit», berichtet Pfarrer Paul Chatsirey Roeung, «gab es eine langsame Erholung. Die Kirche hatte unter dem Regime der Roten Khmer alles verloren, es gab keine Bischöfe, Priester, Ordensschwestern oder Katecheten. Und auch als das Regime fiel, mussten sich die Katholiken noch lange verstecken.»

1990 – drei Jahre, bevor die neue Verfassung Religionsfreiheit gewährte – wurde die Feier von Gottesdiensten erlaubt. «Heute erinnert man sich an das historische Datum des 7. April 1990, als das ‹Zentralkomitee der Revolutionären Volkspartei Kambodschas› die Eröffnung einer Kirche und die Feier des Khmer-Neujahrs nach christlichem Ritus erlaubte», erzählt Pfarrer Paul Chatsirey Roeung. «Am 14. April 1990, dem Karsamstag, versammelten sich 1500 Christen in einem Theater, um endlich wieder öffentlich Ostern zu feiern.» Im ganzen Land gab es etwa 2000 Gläubige, die das Regime überlebt hatten. Um die Kirche wieder aufzubauen, kamen ausländische Priester und Ordensleute nach Kambodscha, was bei den Einheimischen den Eindruck verstärkte, dass die Katholischen Kirche eine «ausländische Kirche» sei.

Einer der ausländischen Ordensleute war der französische Bischof Yves Ramousse (1928–2021), der bereits von 1962 bis 1976 Apostolischer Vikar von Phnom-Penh gewesen war. Nachdem er 1992 erneut zum Apostolischen Vikar ernannt worden war, widmete er sich dem geistlichen, pastoralen und sozialen Wiederaufbau. Nach Verhandlungen mit der Regierung von Kambodscha erwirkte er 1994 die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zum Heiligen Stuhl. 1997 durfte er sich über die offizielle Genehmigung der Statuten der katholischen Kirche als Religionsgemeinschaft freuen. «Wenn die Kambodschaner heute glücklich und frei Christus nachfolgen können, ist es grösstenteils Bischof Ramousse geschuldet», ist der aktuelle Apostolische Vikar von Phnom Phen, Bischof Olivier Schmitthaeusler, überzeugt.

Mit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zum Heiligen Stuhl war der Weg zum Aufbau einer «Kirche mit kambodschanischem Gesicht» möglich. Heute gibt es ein Vikariat und zwei Apostolische Präfekturen mit insgesamt 25 000 Gläubigen, 14 kambodschanische Priester und 4 Seminaristen sowie etwa ausländische 100 Missionare und Ordensleute.
 


Die Saat der Märtyrer
«Wir sind eine kleine Kirche, die auch heute noch eng mit der Erinnerung an die Märtyrer verbunden ist. Unsere jungen Kambodschaner werden in dem Seminar ausgebildet, in dem auch der kambodschanische Bischof Joseph Chmar Salas lebte», hält Pfarrer Paul Chatsirey Roeung fest.

Für Bischof Salas und 34 Gefährten eröffnete die kambodschanische Kirche im Jahr 2015 offiziell die diözesane Phase des Seligsprechungsprozesses. Der Bischof und seine Gefährten kamen zwischen 1970 und 1977 während der Verfolgung der Kirche unter dem Regime von Pol Pot und den «Roten Khmer» ums Leben, stammen aus Kambodscha, Vietnam und Frankreich und sind Priester, Laien, Katecheten und Missionare, darunter einige Mitglieder der «Société des Missions Etrangères de Paris» (MEP).

Die Ermittlungen seien sehr langwierig und schwierig, denn die «Roten Khmer» hätten alle brauchbaren Dokumente vernichtet, erklärt Pfarrer Paul Chatsirey Roeung, der auch Postulator des Seligsprechungsverfahrens ist. Jene Dokumente, die noch existieren, werden in Archiven und an Orten ausserhalb Kambodschas aufbewahrt.

Als die «Roten Khmer» an die Macht kamen, war Yves Ramousse Bischof in Kambodscha. Da er mit seiner Ausweisung rechnete, holte er den damals 38-jährigen einheimischen Priester Joseph Chmar Salas zurück, der zum Weiterstudium in Frankreich war. Dieser wurde am 14. April 1975 vom Heiligen Stuhl zum Koadjutor-Bischof für das Apostolische Vikariat von Phnom Penh ernannt und trat 1976 die Nachfolge von Yves Ramousse an. Doch Bischof Salas wurde vom Regime auf ein Reisfeld in Kompong Thom verbannt, wo er im September 1977 an Erschöpfung starb.
Eine Halskette mit einem Kreuz, die Bischof Salas bei seiner Bischofsweihe trug, wurde im Laufe der Jahre an seine Nachfolger weitergegeben; heute trägt sie Bischof Olivier Schmitthaeusler.

Wenigstens einmal im Jahr halten kambodschanische Katholiken inne, um jener zu gedenken, die ihr Leben für den Glauben an Christus hingegeben haben und «Samen und Väter» der heutigen kambodschanischen Glaubensgemeinschaft sind.

Eine junge, wachsende Kirche
«Wir haben junge Gemeinden, die sich aus Menschen zusammensetzen, die erst kürzlich den christlichen Glauben angenommen haben, zeigt sich Pfarrer Paul Chatsirey Roeung erfreut. Die Kirche in Kambodscha kann jedes Jahr Taufen von Jugendlichen und Erwachsenen feiern. So haben an Ostern 2024 im Apostolischen Vikariat Phnom Penh insgesamt 185 junge Menschen die Erwachsenentaufe empfangen.

Das Vikariat hat als Vorbereitung auf das Heilige Jahr ein «Jahr des Gebetes» ausgerufen. Bei einem Treffen mit mehr als 100 Jugendlichen mahnte Bischof Olivier Schmitthaeusler: «Um die Gegenwart Jesu im täglichen Leben zu entdecken und mit ihm verbunden zu bleiben, muss man glauben, dass Jesus im eigenen Herzen wohnt; sich mit den Augen des Glaubens umsehen; das eigene Leben mit Dankbarkeit betrachten; mit kurzen Gebeten den ganzen Tag über mit Gott kommunizieren; sich morgens und abends Zeit für Meditation und Gebet nehmen; den Blick für die Nöte der Welt weiten; barmherzig zu den anderen sein, besonders zu den Ärmsten.» Das Jahr der Vorbereitung auf das Heilige Jahr werde somit auch ein besonderes «Jahr der Berufung» für junge Kambodschaner sein, um den Ruf Gottes zu hören, auch im Hinblick auf die Berufung zum Priestertum oder zum geweihten Leben.

Obwohl die Katholische Kirche in Kambodscha nur sehr klein ist, leistet sie grosse Arbeit im Dienst der Versöhnung und der Aufbau der Gesellschaft. So erhielt Bischof Schmitthaeusler 2022 als Vertreter der Katholischen Kirche von der kambodschanischen Regierung den «Grossen Orden für nationale Verdienste». Damit sollte das besondere Engagement der Kirche für die Entwicklung in vielen Bereichen der Provinz Takeo gewürdigt werden, insbesondere für ihr Wirken im Bereich der Bildung, der Kunst und der Kultur, für soziale Arbeiten und die Gesundheitsversorgung im Dienst der Gemeinschaft. In Anbetracht seiner besonderen Verbundenheit mit Kambodscha und seines Mitwirkens an der Entwicklung der Gesellschaft des Landes verlieh die Regierung Bischof Schmitthaeusler zudem die kambodschanische Staatsbürgerschaft.

Auch die Kirche in Kambodscha spürt die Probleme und Herausforderungen, die durch die Globalisierung und Säkularisierung entstehen. Doch Pfarrer Paul Chatsirey Roeung ist zuversichtlich: «Um den Glauben lebendig zu halten und voranzukommen, ist die Erinnerung an unsere Märtyrer immer eine wertvolle Quelle der Inspiration und der Gnade.»
 

Rund 96 Prozent der Bevölkerung Kambodschas sind Anhänger der Staatsreligion des Theravada-Buddhismus. Dem Islam gehören rund 1,9 Prozent an, dem Christentum gerade einmal 0,4 Prozent. Die grösste christliche Konfession ist die «Neuapostolische Kirche».


Fides/Redaktion


Kommentare und Antworten

×

Name ist erforderlich!

Geben Sie einen gültigen Namen ein

Gültige E-Mail ist erforderlich!

Gib eine gültige E-Mail Adresse ein

Kommentar ist erforderlich!

You have reached the limit for comments!

* Diese Felder sind erforderlich.

Sei der Erste, der kommentiert