Giuseppe Gracia (Bild: zVg)

Neuerscheinungen

«Kapi­ta­lis­ti­scher Kli­ma­schutz ist Selbstmord»

Das neue Buch von Giu­seppe Gra­cia han­delt von Klima-​Aktivisten, die sich radi­ka­li­sie­ren und in den Ter­ro­ris­mus abglei­ten. Im Gespräch mit swiss​-cath​.ch erzählt Giu­seppe Gra­cia wie es zum Buch kam, was er damit aus­sa­gen möchte und was «Schwar­zer Win­ter» mit dem Ers­ten Korin­ther­brief zu tun hat.

Nahmen Sie für «Schwarzer Winter» einfach ein aktuelles Thema auf oder haben Sie einen persönlichen Bezug zur Klimabewegung?
Giuseppe Gracia: Das Thema ist seit Jahren in den Medien, spätestens seit Greta. Als Autor nehme ich gern aktuelle Trends auf. Bei einigen Gruppen im Namen des Klimaschutzes fand ich es spannend, dass sie von einer grünen Apokalypse ausgehen, die uns erwartet, wenn wir nicht umkehren, wenn wir nicht Busse tun, mit CO2-Reduktion und weltweitem Verzicht. Dieses Untergangs- und Umkehr-Denken ist eindeutig religiös konnotiert. Es ist eine Art Revolution gegen die eigene Weltuntergangserwartung. Daraus entwickelte ich meinen Roman.

In Ihrem Roman radikalisieren sich junge Menschen, da ihrer Meinung nach die Verantwortlichen nicht einsehen wollen, dass es längst fünf vor Zwölf ist. Befürchten Sie eine solche Radikalisierung der Klimabewegung auch in der Realität?
Wir müssen unterscheiden zwischen den jungen Menschen, die sich Sorgen um die Umwelt machen und dafür friedlich demonstrieren, und den Ideologen, die diese Sorgen für ihre Zwecke missbrauchen. Der Ruf nach dem «Great Reset», nach dem Systemwechsel, das ist Ideologie. Man tut so, als müsse der liberale Westen sein freies System aufgeben, um die Welt zu retten. Dabei zeigen alle Studien, dass der absolute Grossteil der Umweltschäden von Ländern wie China oder Russland ausgeht und dass im Vergleich dazu Westeuropa kaum etwas ausrichten kann gegen die Klimaerwärmung.

Julia, die Hauptperson in Ihrem Roman, tauscht das Mikrofon gegen eine Maschinenpistole, wird von einer Journalistin zur Terroristin. Ist dieser Schritt nicht extrem?
Ich habe viel zur Entstehung der RAF recherchiert, zu den Studentenbewegungen damals. Ulrike Meinhof war wichtig für mich, um die Figur der Julia zu entwerfen, die ja auch Journalistin ist, bevor sie zur Terroristin wird. Ich hatte Kontakt mit Meinhofs Tochter in Deutschland, die mich beraten hat. Das war sehr inspirierend. Bei der Geschichte der RAF interessierte mich die Frage der Gewalt. Und die Frage nach der Liebe. Kann ein Mensch noch lieben, wenn er in den Untergrund geht, wenn er Mord und Totschlag in Kauf nimmt?

Die Klimaaktivisten haben keine Probleme damit Fleisch zu essen, Hightech-Produkte zu benutzen oder mit einem Privatjet zu reisen. Warum wird ihnen ihre eigene Widersprüchlichkeit nicht bewusst?
Sie empfinden es nicht als Widerspruch, sondern als vorübergehendes notwendiges Übel auf dem Weg zur Revolution. Das ist ja bei allen Revolutionen so gewesen, dass die Köpfe des Aufstands Privilegien genossen, die sie für die Menschheit generell abschaffen wollten: Geld, Macht, Freiheit. Die Idee, dass Kapitalismus und Privatbesitz die Wurzel aller Probleme sind, gehört zum Mainstream in der Linken. Kürzlich sah ich in Zürich an der Hauswand einer Bank den Spruch: «Kapitalistischer Klimaschutz ist Selbstmord». Das passt zur Forderung nach dem Systemwechsel. Der Spruch klingt für Junge cool, aber wenn er lauten würde: «Kommunistischer Klimaschutz ist besser» – das würde niemand glauben. Es geht um eine reine Anti-Haltung, nicht um einen Realvergleich der Kulturen.

Sie zitieren als Vorspann aus dem Ersten Korintherbrief («hätte aber die Liebe nicht»)1. Warum?
Das reflektiert meinen Glauben. Ohne Liebe ist der Mensch nichts und hat auch nichts, egal, wie mächtig er in der Welt sein mag, wie wichtig seine politische Vision, wie schön seine Idee der besseren Welt ohne kapitalistische Ungerechtigkeiten. Der Hass auf Reiche bringt keine bessere Gesellschaft. Der Neid macht keine besseren Menschen. Nicht das ungerechte System ist das Problem, sondern wir sind das Problem, das Herz des Menschen. Nur die Liebe ändert das Herz. Wenn der Mensch an Gott glaubt, hat die Liebe Gottes eine Chance, in uns zu kommen und uns besser zu machen.

In Ihrem Roman kommt Gott nicht vor. Möchten Sie mit ihm trotzdem eine christliche Botschaft vermitteln?
Romane sind keine Verkündigungsplattform, seien es religiöse oder politische Verkündigungen. Romane suchen die literarische Transzendenz, um eine Welt zu erschaffen, als Reaktion auf die Realität, die ein Autor vorfindet. Wenn ein Roman gut ist, kann er die Epoche, in der er entsteht, dem Leser auf lebendige, spannende Weise bewusst machen. Ich fühle mich dieser literarischen Tradition verpflichtet.
 


Giuseppe Gracia, Schwarzer Winter. Fontis-Verlag Basel 2023. ISBN 978-3-03848-259-8. 270 Seiten. Link

 

 

 

 


1 «Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüsste und alle Erkenntnis hätte; wenn ich alle Glaubenskraft besässe und Berge damit versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts. Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte und wenn ich meinen Leib opferte, um mich zu rühmen, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts» (1 Kor 13,2–3).


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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