Christus Pankrator, Mosaik im Baptisterium San Giovanni von Florenz.

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Kardinal Müller erläutert katholische Grundlagen für das heutige Europa

Zentrale Fragen beschäftigen die katholischen Gläubigen heutzutage in ganz Europa, vor allem aber nördlich der Alpen. Wo sind Antworten, die bibel- und romtreue Christen nicht erschrecken? Man muss wissen, wen man fragt. Die Kernbestandteile der genialen und griffigen Botschaft, die der «deutsche Papst» Benedikt XVI. zu Lebzeiten verkündete – die finden sich jetzt in einem so schönen wie handlichen Buch von Gerhard Kardinal Müller, dem ehemaligen Bischof von Regensburg und späteren Leiter der päpstlichen Kongregation für die Glaubenslehre.

«Der Souverän der Kirche ist Gott» – der Titel des Müllerschen Buches lässt keine Fragen offen. Hier sendet jemand die katholische Botschaft wirksam aus, vertritt sie couragiert und führt sie im Sinne des jüngst verstorbenen Papstes fort. In drei Teile gliedert sich der Gesprächskreis, der in diesem Buch aufgetan wird – Kirche, Philosophie, Politik. Ein schmales Inhaltsverzeichnis zeigt bereits die enorme Breite der behandelten Themen. Am Beginn des ersten und grössten Teils, der von der Kirche handelt, steht die Beschäftigung mit Papst Benedikt XVI.; Kardinal Müller hält ihn für einen Kirchenlehrer der Zukunft. Das ist ein bedeutendes Wort, bedenkt man, dass Benedikt damit auf eine Stufe zum Beispiel mit Thomas von Aquin gestellt wird.

Es geht in diesem Buch um den grossen Rahmen. Zunächst aber legen der Kardinal und sein kongenialer Gesprächspartner den Finger in die Wunden der Zeit. Betont sachlich beantwortet Gerhard Ludwig Müller die Fragen rund um die Missbrauchsvorwürfe, mit denen die Katholische Kirche konfrontiert ist. Befragt wurde Kardinal Müller dabei von Lothar C. Rilinger, der zugleich Rechtsanwalt und katholischer Publizist ist. Nichts wird relativiert oder negiert, zugleich aber bleibt die Kirche im wahrsten Sinne des Wortes im Dorf. Kardinal Müller erklärt, warum die Kirche als Ganzes, als Institution wegen dieser Frage keinesfalls zur Disposition stehen kann.

Immens dicht ist dieses Buch, jeder Text lohnt, jede Seite ein Gewinn. Wer, und sei es durch Zufall, bei Seite 126 landet, findet eine Überschrift, die Spannung verspricht: «Ein blosses Kulturchristentum hat keine Zukunft» – stark! Spannend ist dieses Interview, und es trifft unsere heutige Realität, gerade auch die deutsche Befindlichkeit, ganz exakt: «Die Theologie beruht nur auf der Auslegung der Offenbarung, aber sie zieht dafür auch das Erfahrungswissen der Geistes- und der Sozial- und der Naturwissenschaften sowie der praktischen Regeln der gesunden Alltagslogik heran, um eine geistige und moralische Orientierung der Glaubenden in ihrer jeweiligen Welt und Epoche zu ermöglichen.»

Über dieses Buch eine Rezension zu schreiben, ist schwierig, denn das Herausheben einzelner Teile ist quasi unmöglich. Von der Wichtigkeit des bewussten Umganges mit dem Islam angezogen, blätterte der Rezensent auf die Seite 141, wo eine Überschrift dieses Thema ankündigt, doch unversehens kommt eine gute, lange und wichtige Passage über das Naturrecht, also die unveräusserlichen Werte, die jedem Menschen zustehen, unabhängig von der staatlichen Institution, in der er lebt. Ja, sehr richtig! Das ist die Grundlage, auf der hier diskutiert werden sollte! Und wie brillant dann die fundamentaltheologischen Unterschiede zwischen Christentum und Islam herausgearbeitet werden – das sollten Sie lesen. Wie Kardinal Müller das Christentum aus dem Naturrecht heraus entwickelt, wobei ihn der Jurist Rilinger natürlich auch genau das Richtige fragt, das müssen Sie parat haben! Schon gar in Zeiten von Gender-Gaga und der Verwässerung theologischer Anliegen bis zur totalen Beliebigkeit.

Lothar C. Rilinger fragt gekonnt, Kardinal Müller wird deutlich, der Leser erlebt einen würdigen Präfekten der päpstlichen Kongregation für Glaubenslehre – beeindruckend! Einer Relativierung Gottes in jedweder Form erteilt Kardinal Müller eine klare Absage, das transhumanistische Menschenbild geisselt er als schwere Sünde. Das sind mutige Botschaften, aber sie werden klar belegt, und die Begründungen sind stichhaltig. Dieses Buch hält, was sein Titel verspricht: Der Souverän der Kirche ist nicht das Volk, sondern Gott. Und, so fügt der Rezensent hinzu, die Vorlesung Benedikts XVI., gehalten am 12. September 2006 in Regensburg anlässlich seines epochalen Pontifikalbesuches, ist im Hinblick auf die Äusserungen zum Islam bereits heute als prophetisch zu werten. Dies Buch bestätigt es eindrucksvoll.

Der Souverän der Kirche also ist nicht das Volk, sondern Gott. Der von einer einseitig ökosozial auf politisch links getrimmten Kirche vereinnahmte Gott ist dann kein Souverän mehr – sondern die Addition menschlich-allzumenschlicher Meinungen, Attitüden und Irrungen. Und präsentiert sich die Kirche hierzulande nicht exakt derart vergendert und vergemeinschaftet, in Glaubensfragen der allzu menschlichen Beliebigkeit anheimgefallen? Nun, Kardinal Müller kontert im Gespräch mit Lothar C. Rilinger diesen Zeitgeist mit Substanz aus. Er richtet die Schönheit des Glaubens auf und tritt der Entchristlichung unserer westlichen Gesellschaft und ihrer politischen Repräsentanz mutig entgegen – mit der durch die Bibel offenbarten Botschaft, die von Vernunft und Wahrheitsliebe getragen ist. Unbedingt sollte auch die katholische, häufig verzagte, aber noch mehr die evangelische, allzu «verzeitgeistlichte» Geistlichkeit dieses Buch zur Hand nehmen. Für alle Leserinnen und Leser gilt, dass bei diesem bemerkenswerten Buch jede Seite ein Gewinn ist.

 


Gerhard Ludwig Müller, Lothar C. Rilinger, Der Souverän der Kirche ist Gott. Gespräche über Kirche, Philosophie und Politik, Lepanto-Verlag, Rückersdorf über Nürnberg 2023, 326 Seiten, ISBN 978-3-942605-30-4.


Sebastian Sigler


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