Besucher des Klostermarktes im Hauptbahnhof Zürich. (Bilder: Niklaus Herzog/swiss-cath.ch)

Kirche Schweiz

Klos­ter­markt im Zür­cher Haupt­bahn­hof: Die Liebe geht – auch – durch den Magen

Pre­mière im Zür­cher Haupt­bahn­hof: Zum ers­ten Mal fand hier vom 5. bis 6. Mai 2023 ein Klos­ter­markt statt – ein Erfolg in jeder Beziehung.

Der Zürcher Hauptbahnhof: 131 Meter lang und 26 Meter hoch – der grösste überdachte öffentliche Platz der Schweiz, von täglich 367 000 Reisenden bevölkert. In dieser «Höhle des Löwen» einen Klostermarkt auf die Beine zu stellen, braucht überdurchschnittliche Einsatzbereitschaft, logistisches Flair und vor allem Mut. Pater Thomas Fässler, Hauptinitiant des Klostermarktes, hatte diesen Mut, und der Mut hat sich gelohnt: Wer am Freitag Nachmittag des 5. Mai 2023 die Bahnhofhalle betritt, stösst auf eine frohgemute Schar von Ordensleuten und auf viel interessiertes Publikum.
 


Das Angebot an Viktualien, Heilmittel gegen Gebresten aller Art und Devotionalien ist ebenso vielfältig wie kunstvoll verpackt. Als ein von Jahr zu Jahr vom Blütenstaub mehr geplagter Zeitgenosse springen mir die Heuschnupfen-Tropfen vom Kapuzinerinnenkloster St. Jakobsbad (AI) sogleich in die Augen. Zu Hause ausprobiert stelle ich verblüfft fest: ein Volltreffer! Und seit jeher Süssigkeiten jeglicher Art nicht abgeneigt – mein Bruder ist Confiseur –, werfe ich einen Blick auf die «Apfelringli mit dunkler Schoggi» der Zisterzienserinnen vom Kloster Wurmsbach: Sie munden höllisch – pardon himmlisch – gut. Da hilft nur noch ein Stossgebet («Und führe mich nicht in Versuchung»), um der Gefahr einer Gewichtszunahme zur Unzeit vorbeugen zu können. Und sozusagen als krönender Abschluss das dunkle Spezialbier «St. Placi» vom Kloster Disentis: sagenhaft gut – lässt so manchen Koma-Säufer vom Münchner Oktoberfest alt aussehen.
 


Aber klar: Ob all der kulinarischen Genüsse soll und darf das Wichtigste nicht ausser Acht gelassen werden: «Alles wirkliche Leben ist Begegnung» (Martin Buber, jüdischer Religionsphilosoph). Zuerst begegne ich Pater Sebastian. Er war als junger Priester als Seelsorger in den Pfarreien des St. Galler Oberlandes tätig und hat nun seine eigentliche Berufung als Ordensmann in der Nachfolge des heiligen Benedikts gefunden und ist seit zwei Monaten Postulant bei den Missionsbenediktinern auf dem St. Otmarsberg in Uznach. Nicht weit von ihm ist Bruder René im Gespräch mit Besuchern des Klostermarktes. Zusammen mit drei weiteren Mitbrüdern betreut der Franziskanermönch Randständige und Bewohner von Alters- und Pflegeheimen in der Stadt Zürich. Und – last but not least – Schwester Benedicta von der Spirituellen Weggemeinschaft auf der Klosterinsel Rheinau. Ich habe sie schon oft in Gottesdiensten in der Klosterkirche Rheinau gesehen, begegne ihr aber hier zum ersten Mal persönlich – eine Frau von aussergewöhnlicher Ausstrahlung. Das Leitmotiv dieser Gemeinschaft lautet: «Wir wollen euch nicht nur am Evangelium teilhaben lassen, sondern auch an unserem eigenen Leben. Wirken für Menschen in Leid und Not – durch IHN und für IHN.»
 


Am Klostermarkt lockt nicht nur eine Fülle von Angeboten für Einzelmasken, auch dem urmenschlichen Bedürfnis nach Gemeinschaft wird Sorge getragen: Im Gebetszelt findet um 17.00 Uhr unter der Leitung der Franziskaner eine Vesper statt, die Menschen aus unterschiedlichsten sozialen Milieus zum gemeinsamen Gotteslob zusammenführt.
 


Und ja, sogar Bischof Josef Maria Bonnemain hat zum in jeder Hinsicht gelungenen Klostermarkt 2023 im Zürcher Hauptbahnhof beigetragen. Eine Schiefertafel hält schwarz auf weiss (bzw. «weiss auf schwarz») fest: «Diözesanbischof Joseph Maria Bonnemain dispensiert heute (5. Mai) alle Teilnehmer des Klostermarktes vom Freitagsgebot. Sie dürfen Ihre Wurst mit Freude und einem guten Gewissen geniessen!» Wenn das kein Versprechen für den Klostermarkt 2024 an gleicher Stelle ist!
 


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

E-Mail

Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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Bemerkungen :

  • user
    Josef Köchle 07.05.2023 um 19:25
    Sind die Leute hinter dem Mond? Das Abstinenzgebot vom Freitag ist schon längst abgeschaft. (Sollte auch Bischof Bonnemain wissen)
    • user
      Redaktion 07.05.2023 um 20:04
      Die Meinung von Josef Köchle ist falsch. Es gilt, zwischen Fast- und Abstinenztagen zu unterscheiden. Der Freitag ist zwar kein Fasttag mehr, aber nach wie vor ein kirchlich gebotener Abstinenztag: «Abstinenz von Fleischspeisen oder von einer anderen Speise entsprechend den Vorschriften der Bischofskonferenz ist zu halten an allen Freitagen des Jahres, wenn nicht auf einen Freitag ein Hochfest fällt; Abstinenz aber und Fasten ist zu halten an Aschermittwoch und Karfreitag» (can. 1251 des geltenden kirchlichen Gesetzbuches).
      • user
        Josef Köchle 08.05.2023 um 16:18
        Das Kirchenrecht überlässt es den Bischöfen, Näheres zu bestimmen:

        Can. 1253 — Die Bischofskonferenz kann die Beobachtung von Fasten und Absti-
        nenz näher bestimmen und andere Bußformen, besonders Werke der Caritas und
        Frömmigkeitsübungen, ganz oder teilweise an Stelle von Fasten und Abstinenz fest-
        legen.

        Im Bistum Chur wurde bekannt, dass die Fleischabstinenz durch ein anderes Opfer ersetzt werden kann.
        • user
          Redaktion 09.05.2023 um 10:57
          Das Kirchenrecht überlässt es nicht den Bischöfen, Näheres zu bestimmen, sondern den Bischofskonferenzen. Die Schweizer Bischofskonferenz hat entschieden, dass die Abstinenz von Fleisch an Freitagen (ausser den obligatorischen Fasten- und Abstinenztagen Aschermittwoch und Karfreitag) durch andere Formen der Busse ersetzt werden kann (vgl. Schweizerische Kirchenzeitung 157 (1989) 98f.). Diese Anordnung gilt für das gesamte Territorium der Schweizer Bischofskonferenz. Was bedeutet dies konkret? Wer der traditionellen Praxis der Kirche folgend jeweils am Freitag weiterhin auf den Verzehr von Fleisch verzichtet, weil er diese Art von Verzicht als einen persönlich vollzogenen und bewusst bejahten Bussakt auf sich nehmen will, konnte am vergangenen Freitag auf dem Klostermarkt gleichwohl herzhaft zugreifen (vgl. letztes Foto) – eben dank der Dispens von Bischof Joseph Maria Bonnemain.
          • user
            Josef Köchle 10.05.2023 um 10:48
            Ist das Christentum eine Gesetzesreligion oder eine Liebesreligion?