Hans_Zollner. (Bild: Rebecski, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Kirche Schweiz

Kom­men­tar zur Pilot­stu­die: «kath​.ch» unter­schlägt zen­trale Aussagen

«kath​.ch» hat den Kom­men­tar von Pater Hans Zoll­ner zum Pilot­pro­jekt über die Miss­brauchs­fälle zusam­men­ge­fasst. Doch aus­ge­rech­net die für die Schweiz rele­van­tes­ten Aus­sa­gen wur­den ausgeblendet.

Kann aus Deutschland etwas Gutes kommen? Ja, durchaus! Aber just die für die Schweiz wesentlichen Aussagen in der Stellungnahme des deutschen Jesuitenpaters Hans Zollner zur Pilotstudie über die Missbrauchsfälle in der Schweiz verschweigt «kath.ch». Zwar hatte sich Pater Zollner bereits vor der Veröffentlichung der Studie per Ferndiagnose vorschnell zu deren Inhalt geäussert und dieselbe ohne deren Kenntnis präventiv unter intellektuellen Denkmalschutz gestellt.

Nun aber, da die Studie vorliegt, gibt Pater Zollner nach der Lektüre einen ausführlichen Kommentar ab. Über weite Strecken kann man ihm zustimmen. So, wenn er sagt, der Befund der Studie bestätigte im Wesentlichen die Resultate von analogen Untersuchungen in andern Ländern: «Sowohl die Zahl der Betroffenen von Missbrauch – die Autorinnen begründen im Text, dass sie auf Wunsch von Betroffenen nicht von ‹Opfern› sprechen – als auch die Zahl der Angeschuldigten dürfte in etwa in der Grössenordnung liegen, die wir aus den Berichten und Gutachten kennen, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten in andern Ländern veröffentlicht wurden.»

«kath.ch» hat die Einschätzung von Pater Zollner unter dem Titel «Hans Zollner: ‹Die Schweiz ist keine Insel der Seligen›» zusammengefasst. Doch ausgerechnet die für die Schweiz aufschlussreichsten und relevantesten Feststellungen von Pater Zollner hat «kath.ch» verschwiegen:
«Viele mag es überraschen, dass die staatskirchenrechtlichen Besonderheiten, das duale System, und eine grössere Macht von Laien in der Kirchengemeindeleitung sowie die finanzielle Unabhängigkeit vom Bischof keineswegs zu weniger Missbrauch oder klarerem und strengerem Umgang mit Tätern geführt hat. Die auch sonst sehr erhellenden Fallbeispiele, die im Bericht aufgeführt werden, zeigen sehr deutlich auf, dass Klerikalismus nicht ein Phänomen ist, das nur Klerikern vorbehalten wäre. Bei ‹fortschrittlichen› Pfarreien, Diözesen und Bischöfen haben die gleichen Mechanismen wie bei ‹konservativen› verhindert, den Missbrauch zu unterbinden und den Täter zu stellen.»

Irgendwie folgerichtig, diese Unterschlagung, ist doch Pater Zollners Befund so gar nicht nach dem Gusto des Medienportals «kath.ch», das jeweils reflexartig alle vermeintlichen oder tatsächlichen Missstände in der Kirche pauschal dem Klerus anlastet. Und das hiesige duale System permanent glorifiziert. Denn wer beisst schon die Hand, die ihn füttert – schon gar nicht «kath.ch».


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

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Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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    stadler karl 15.09.2023 um 15:08
    Dieser Widerspruch zwischen Hans Zollner und einer Passage in der Studie ist mir auch aufgefallen. Aber wahrscheinlich lässt sich sowohl der Hinweis von Zollner als auch das Hervorheben der Schutzhürde des dualen Systems andererseits in der Studie nicht einfach verallgemeinern. Historisch liessen sich vielleicht Beispiele für beide Aussagen finden. Und dass die CH keine einschlägige Insel der Seligen ist, das hat sich bereits im Vorfeld der Studie wahrscheinlich auch niemand vorgestellt. Warum sollte sie auch? Dieser Titel war wirklich überflüssig.

    Auch das Verständnis für Begriffe wie "sexueller Missbrauch", "sexualisierte Gewalt" oder "Übergriffigkeit" , sei es in physischer oder verbaler Form, hat sich wahrscheihnlich im Verlauf der Jahrzehnte verändert und die Definitionen wurden ausgeweitet. Was im Jahre 2023 unter diese Begriffe subsumiert wird, wäre wahrscheinlich vor sechzig Jahren nicht alles darunter gefallen. Das hat natürlich auch einen Einfluss auf das quantitative Ausmass der Fälle.
    Aber die Studie als ganzes erscheint doch sehr wertvoll und muss wirklich ernst genommen werden, auch wenn ich persönlich nicht mit allen Aussagen einig gehen würde. Beispielsweise eine so ausgeprägte, fast blinde Autoritätsgläubigkeit gegenüber der Geistlichkeit, wie sie im Zusammenhang mit spirituellem Missbrauch analog beschrieben wird, hat auch in den fünfziger, sechziger Jahren in der breiten Masse der Gläubigen so nicht bestanden. Das waren wohl eher punktuell ablaufende Ereignisse. Im Gegenteil: Wenn etwas nicht in die praktische Alltagswirklichkeit hineinpassen wollte, waren Chur oder Rom bald einmal sehr weit entfernt.
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    Heinz Meier 15.09.2023 um 13:35
    Das Machtgefälle ist ausschlaggebend in jedem Missbrauchsfall. Die Relevanz der Aussagen von Pater Zollner liegt (im Gegensatz zur hier insinuierten Relativierung?) in der allem kirchlichen Verkündigen inhärenten Überhöhung der eigenen Position. Solch religiös aufgeladenes Rollenverständnis ist für jedes pädagogischen Verhältnis eine zusätzlich erhöhte Gefahr für missbräuchliche Anmassungen (nicht nur sexueller Art) in allen Religionen. Jesus hat dies - etliche Jahre vor der „Aufklärung“ - in die mahnende Formel gebracht:“Ihr sollt euch nicht Meister nennen lassen….“ und „niemand ist euer Vater….“ ! Nichtsdestotrotz verehren Konservative wie progressive Christen ihre Vorbilder als MeisterInnen und auch der Hirte Roms lässt sich „gottgleich“ Heiliger Vater nennen. Die Reich Gottes Predigt Jesu und das konkrete Verständnis davon in der Kirche haben sich im Verlauf der Jahrhunderte oft widersprochen. Solchen Versuchungen in „spirituellen Führungsrollen“ sich aufzuspielen liegt ein dominierender Narzissmus zugrunde, wie er gerade auch im Weihe-Verständnis der Kirche zum Ausdruck kommt. Ob mit einer „psychologischen Eignungsprüfung“ diese komplexe Versuchung einzudämmen ist, bleibt fraglich, solange das kirchliche Selbstverständnis der Rollenträger sich nicht biblisch hinterfragen liesse.
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      Michael 15.09.2023 um 16:34
      Man soll also niemanden auf Erden „Vater“ nennen, auch ein kleines Kind soll das nicht tun: im Ernst jetzt? Jesus hat es daraufhin gemünzt, dass ein Vater nur im Namen Gottes ein Vater sein kann und daher nur im Namen Gottes Vater zu nennen ist. Sie aber machen daraus eine Wortklauberei.
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      Martin Meier-Schnüriger 16.09.2023 um 14:46
      "Das Machtgefälle ist ausschlaggebend ,,," Dieses Mantra wird ständig wiederholt, wird aber dadurch nicht wahrer. Die Formel, Missbrauch in der Kirche sei in erster Linie Machtmissbrauch und habe nur bedingt etwas mit Sexualität zu tun, wird benutzt, um die katholische Kirche, wie sie ist, aus den Angeln zu hebeln. Denn wenn der Missbrauch der Macht geschuldet ist, ist das ganze System faul und muss geändert werden. Nun weist aber Pater Hans Zollner zu Recht darauf hin, dass dort, wo diese "Macht" der Kleriker stark beschnitten ist - wie in unserem "famosen" dualen System -, die Zahl der Missbrauchsfälle keineswegs kleiner ist. Also müssen die Gründe wohl anderswo zu suchen sein ...
  • user
    Michael Dahinden, Riemenstalden 15.09.2023 um 10:24
    Genau gesagt und gut recherchiert.