Als Vertreter der Bistumsleitung anwesend waren Bischof Markus Büchel, Pastoralamtsleiter Franz Kreissl, Präsident der «Kommission Schutz und Prävention», Dolores Waser Balmer, Mitglied der «Kommission Schutz und Prävention», Vreni Peterer von der «Interessensgemeinschaft für missbrauchsbetroffene Menschen im kirchlichen Umfeld» sowie Isabella Awad von der Kommunikationsabteilung des Bistums.
«Es kann sein, dass nicht genügend Zeit vorhanden ist, um alle Fragen zu beantworten», hiess es am Schluss der Einladung. Im Verlauf der Veranstaltung zeigte sich schon bald, wie dieser Vorbehalt von der Bistumsleitung verstanden wurde: Nicht gefragt waren Fragen, welche die wissenschaftliche Qualität der Studie infrage stellten. Dabei hätte genau dieser Aspekt mit zu einer transparenten, vorurteilsfreien Diskussion gehört, hatte doch die «Weltwoche» in einer ausführlichen Analyse diese Pilotstudie als «Machwerk», als «Pseudo-Studie» bezeichnet.
An dieser Stelle sollen zwei zentrale Punkte beleuchtet werden, auf die näher einzugehen geboten ist. Da ist als Erstes die schlagzeilenträchtig-magische Zahl von 1002 Fällen sexuellen Missbrauchs zu nennen, die in der Einleitung (!) erwähnt werden. Wer nun auf den weiteren 135 Seiten der Studie nach Belegen für diese Zahl von 1002 Fällen sucht, bleibt ratlos zurück: Sie lassen sich – ausgenommen die wenigen handverlesenen «Fallbeispiele» (z. B. «Fallbeispiel zur Entwicklung des Fachgremiums St. Gallen») – nirgends finden! Auf diesen Umstand angesprochen reagierte die graue Eminenz des Bistums, Franz Kreissl, mit dem Hinweis, die Nennung all dieser Fälle mit Name und Adresse könne erst im Rahmen der dreijährigen Nachfolgestudie erfolgen. In der Pilotstudie sei nur eine Anonymisierung möglich gewesen. Nein, Herr Kreissl! Die Pilotstudie enthält – mit Ausnahme der erwähnten wenigen Fallbeispiele – keinerlei Angaben zu den behaupteten 1002 Fällen, auch nicht in anonymisierter Form. Dies wäre angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten fraglos ohne grossen Aufwand möglich gewesen.
Dieser Punkt ist von zentraler Bedeutung. Denn im Gefolge der Publikation dieser Studie ergoss sich ein veritabler Medien-Tsunami über die Schweiz, der die magische Zahl von 1002 Missbrauchsfällen der Bevölkerung wie weiland die Offenbarung der Zehn Gebote auf dem Berg Sinai aufs Auge drückte. Um nur ein Beispiel unter vielen zu nennen: Das Internet-Portal «nau.ch» veröffentlichte am 17. November 2023 eine Meldung mit dem Titel «Charta gegen Missbrauch in katholischer Kirche im Wallis». Darin heisst es unter Bezugnahme auf die Pilotstudie: «Der Bericht dokumentiert über 1000 Fälle von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche seit der Mitte des 20. Jahrhunderts.» Tut sie eben nicht! Eine Dokumentation dieser Fälle ist in der ganzen Studie nirgends ausfindig zu machen. Gerade die ebenfalls anwesende Vreni Peterer von der «Interessensgemeinschaft für missbrauchsbetroffene Menschen im kirchlichen Umfeld» wäre für diese Klarstellung gewiss froh gewesen, behauptete sie doch – wohl in Unkenntnis der Faktenlage – die Zahl von 1002 Missbrauchsfällen stehe nunmehr «schwarz auf weiss fest».
Betroffene wollten ausdrücklich nicht als «Opfer» bezeichnet werden
Damit sind wir beim zweiten, nicht minder wichtigen Punkt. Just Vreni Peterer wäre die prädestinierte Person gewesen, um die Frage zu beantworten, weshalb die Betroffenen entgegen dem Willen der Verfasserinnen der Studie sich ausdrücklich nicht als «Opfer» bezeichnet wissen wollten, sondern eben als «Betroffene». Eine Terminologie, zu der sich die Studienleitung nur mühsam durchringen konnte: «Weil verschiedene Personen erklärten, dass sie sich nicht als Opfer identifizieren wollen, wird in diesem Bericht der Begriff ‹Betroffene› verwendet» (Pilotstudie S. 18).
Ein dritter, ebenfalls relevanter Kritikpunkt: Wie wird der Begriff «sexueller Missbrauch» definiert? Dazu wiederum die Pilotstudie: «Tatsächlich ermöglicht die Erweiterung des Gewaltbegriffs von einer rein physischen Verletzung auf die Überschreitung einer psychischen oder symbolischen [sic] Grenze eine Historisierung des Tatbestands, dessen Bedeutung sich im Verlauf der Zeit verschob und sich von Gesellschaft zu Gesellschaft unterscheiden kann [...] Ganz allgemein kann der Begriff des ‹sexuellen Missbrauchs› so definiert werden, dass er alle Taten umfasst, die das sexuelle Selbstbestimmungsrecht von Menschen verletzen» (Pilotstudie S. 17f.).
Dass mit dieser extensiven Begriffsbeschreibung einer willkürlichen Zuschreibung sexueller Gewalt Vorschub geleistet wird, liegt auf der Hand. Die Pilotstudie liefert dazu gleich selbst ein eindrückliches Beispiel, subsumiert sie doch darunter auch einen «Übergriff, der in vermeintlich wertschätzende Interaktionen eingebettet wird» (Pilotstudie S. 17).
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
So haben ähnliche Studien in Frankreich eine viel grössere Anzahl an Fällen belegt. Nämlich 330 000 Opfer von rund 3000 Tätern. Ebenso die Studie in Portugal mit 4800 Opfern.
Schweiz 115 Fälle pro Mio. Einwohner
Portugal 464 Fälle pro Mio. Einwohner
Frankreich 4870 Fälle pro Mio. Einwohner
Alle Studien beleuchten den Zeitraum von rund 70 Jahren.
Ihre "Fälle" sind einmalig oder mehrfach angeblich vorgekommene
Handlungen von Personen einer nicht genau beschriebenen Personengruppe aus einem willkürlich beschränkten Zeitraum von 70 Jahren. Wenn Sie die einfach zusammenzählen und in Bezug zur aktuellen (geschätzten) Einwohnerzahl eines aktuellen Staates setzen, kommt nur Unsinn heraus. Bespiel Frankreich (68 Mio E heute plus ungezählte weitere Aufenthalter) hatt i J 1950 rund 42 Mio E und i J 2012 rund 40 Mio Katholiken (und rund 10'000 Priester). Zählen Sie mal den rund 35'000 Wohnungseinbrüchen oder 50'000 polizeilich erfassten Gewaltstraftaten gegen Leib und Leben i J 2022 noch jene der letzten 70 Jahre dazu und berechnen Sie die Kriminalitätsbelastung in unserem kleinen Ländchen? Habe ich Sie erschreckt? Das täte mir leid.