Symbolbild (Bild: @LIQUIDBONEZ/flickr CC BY-SA 2.0)

Kirche Schweiz

Lit­ur­gi­scher Miss­brauch: Bischof Bon­ne­mains Trauerspiel

Lit­ur­gi­scher Miss­brauch in der Effre­ti­ker Pfar­rei St. Mar­tin: Am 8. Sep­tem­ber 2023 wurde die Öffent­lich­keit über die Ergeb­nisse der kano­ni­schen Vor­un­ter­su­chung infor­miert: Ein Ver­fah­ren, das in mehr­fa­cher Hin­sicht Fra­gen aufwirft.

Bischof Bonnemain hat Zeit, viel Zeit. Vor allem, wenn er die Chance wittert, sich als Troubleshooter, als Krisenmanager profilieren zu können. So, als er in einem Interview mit dem «SonntagsBlick» auf seinen päpstlichen Auftrag zur kirchenrechtlichen Voruntersuchung hinsichtlich der gegen Schweizer Bischöfe erhobenen Vorwürfe der Vertuschung sexueller Übergriffe verweisen konnte. Und eben erst diesen Dienstag hatte er im Rahmen der Präsentation der Pilotstudie betreffend der landesweit erhobenen Fälle von in den letzten 70 Jahren festgestellten sexuellen Missbräuche seinen grossen Auftritt. Bischof Bonnemain war in seinem Element, kündigte gleich vier konkrete Umsetzungsmassnahmen an. Doch damit nicht genug. Flugs schlüpfte er in die Rolle des «Meister Proper» und legte noch einen obendrauf: Wir haben die Aufhebung der kirchenrechtlichen Normen über die Aktenvernichtung beschlossen, wohlwissend, dass damit übergeordnetes Recht verletzt wird, dessen Änderung allein dem Papst zusteht. Doch, so Bischof Bonnemain voller Selbstergriffenheit den Märtyrer ex ante spielend: Falls jemand im Vatikan dagegen protestieren würde, werde er das auf seine Kappe nehmen. Gemäss aktuellem, in der ganzen Kirche geltendem Recht sind jährlich jene Strafakten, deren Angeklagte verstorben oder die seit zehn Jahren durch Verurteilung abgeschlossen sind, zu vernichten. Ein kurzer Tatbestandsbericht mit dem Wortlaut des Endurteils ist aufzubewahren (vgl. can. 489 § 2 CIC).

Wenig bis gar keine Zeit hat hingegen Bischof Bonnemain, wenn es darum geht, sich Fragen zu stellen, die hausinterne, diözesaneigene Vorgänge und Probleme betreffen. Paradebeispiel ist der liturgische Missbrauch im Rahmen des Abschiedsgottesdienstes von Monika Schmid in der Effretiker Pfarrei St. Martin vom 28. August 2022: Letztere hatte im Rahmen einer «Eucharistiefeier» ein verstümmeltes Hochgebet allein gesprochen, die anwesenden Priester hielten sich im Hintergrund. Bischof Bonnemain leitete darauf hin eine kirchenrechtliche Voruntersuchung ein und beauftragte seinen Kirchenrichter Artur Czastkiewicz mit der Abklärung dieser causa. Dieser lieferte seinen Bericht in der ersten Februarhälfte 2023 ab. Es dauerte dann volle sechs Monate, bis am 8. September 2023 in einer gemeinsamen Erklärung das Bistum Chur, die katholische Kirchgemeinde St. Martin Effretikon sowie die involvierten Seelsorgerinnen und Seelsorger die Öffentlichkeit über die Konsequenzen des angesprochenen liturgischen Missbrauchs informierten. Sowohl hinsichtlich der überlangen Verfahrensdauer wie auch des Inhalts dieser Medienmitteilung ortete «swiss-cath.ch» Klärungsbedarf. Via seine Kommunikationsstelle liess Bischof Bonnemain «swiss-cath.ch» folgende Antwort zukommen:

«Bischof Bonnemain ist froh, dass diese langandauernde Angelegenheit abgeschlossen werden konnte. Im gemeinsamen Pressecommuniqué sind die Ergebnisse des ganzen Verfahrens zusammengefasst. Der Bischof möchte nun die Sache ruhen lassen. Aus diesem Grund möchte er nicht auf einzelne Aspekte der selben eingehen.»

Jetzt aber einfach zur Tagesordnung überzugehen, wäre kontraindiziert. Die Strategie «Bonnemain locuta, causa finita» hat postwendend die radikalfeministische «Junia-Initiative» durchkreuzt: In ihrer Reaktion äusserte sich «bestürzt» über den erteilten Verweis und «bedauerte zutiefst die dadurch verursachte Verärgerung und Verunsicherung engagierter Pfarreiangehöriger».

An dieser Stelle ist zunächst einmal nach dem Grund der überlangen Verfahrensdauer zu fragen. Die Vermutung liegt nahe, dass der Kirchenrichter Artur Czastkiewicz in seinem im Februar 2023 abgelieferten Bericht zum Schluss kam, es sei infolge des Schweregrades dieses liturgischen Missbrauchs eine Weiterleitung an die zuständigen vatikanischen Behörden erforderlich (der liturgische Missbrauch ist ja zu offensichtlich). Doch, so ist ebenfalls zu vermuten, passte ein solches Prozedere wohl nicht in das kirchenpolitische Konzept des Bischofs, der sich nicht primär der Lösung drängender Probleme und Herausforderungen verpflichtet fühlt, sondern seinem Image als über den Parteien stehender Krisenmanager, der es mit niemandem (völlig) verderben will und so die verfahrene Situation erst recht perpetuiert. Als ausgebildeter Arzt müsste er aber wissen, dass die Heilungschancen nur noch sehr gering sind, wenn ein Tumor bereits Metastasen gebildet hat.

Ein Murks
Irgendwie folgerichtig erweist sich denn auch die nun vereinbarte Abmachung als ein ausgesprochener Murks, als eine rabulistische Wortklauberei. Da ist zum einen davon die Rede, dass es zu keinen schwerwiegenden liturgischen Verstössen gekommen sei, deren Beurteilung dem vatikanischen Dikasterium für die Glaubenslehre vorbehalten wäre. Gleichzeitig wird im gleichen Atemzug betont, es seien wichtige liturgische Bestimmungen missachtet worden, die für die ganze Kirche verbindlich sind. Worin da der Unterschied besteht, fällt wohl unter das bischöfliche Amtsgeheimnis. Item: Es seien den beteiligten Seelsorgenden ein «formeller Verweis» erteilt und entsprechende «Verwarnungen» ausgesprochen worden. Gemäss geltendem Kirchenrecht (vgl. can. 1339 § 2) setzt ein Verweis voraus, dass die betroffene Person durch ihren Lebenswandel in der kirchlichen Öffentlichkeit «ein Ärgernis oder eine schwere Verwirrung der Ordnung» verursacht. Da sich die ganze Untersuchung einzig und allein auf die Art und Weise der Durchführung des Abschiedsgottesdienstes vom 28. August 2022 bezieht, ist nicht nachvollziehbar, warum in diesem Zusammenhang auch die Lebensführung der Betroffenen beanstandet wurde.

Das Datum der Bekanntgabe des Abschlusses der kirchenrechtlichen Voruntersuchung im unmittelbaren Vorfeld der Bekanntgabe der Pilotstudie weckt schliesslich den Verdacht, damit im Sinne einer Schadensbegrenzung das mediale Echo möglichst gering halten zu können.

Den Vogel hat in dieser verfahrenen Angelegenheit wieder einmal das Medienportal «kath.ch» abgeschossen. Dessen Inkompetenz untermauerte Chefredaktor Charles Martig höchstpersönlich. Im Lead zu seinem Artikel «Bischof Joseph Bonnemain verwarnt Monika Schmid» behauptet er allen Ernstes: «Der Fall wird von den vatikanischen Dikasterien als nicht schwerwiegend beurteilt und deshalb abgeschlossen.» Dabei hatte ja Bischof im diesbezüglichen Presscommuniqué vom 8. September 2023 ausdrücklich festgehalten, dass «keine schwerwiegenden liturgischen Verstösse vorlägen, deren Beurteilung dem vatikanischen Dikasterium für die Glaubenslehre vorbehalten wäre»!


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

E-Mail

Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


Kommentare und Antworten

×

Name ist erforderlich!

Geben Sie einen gültigen Namen ein

Gültige E-Mail ist erforderlich!

Gib eine gültige E-Mail Adresse ein

Kommentar ist erforderlich!

You have reached the limit for comments!

* Diese Felder sind erforderlich.

Bemerkungen :

  • user
    Meier Pirmin 22.09.2023 um 17:33
    Missbräuche dieser Art waren in der Anfangszeit der Reformation genau das, was von den Protagonisten mit gutem und bestem Gewissen geleistet wurde. Es war zum Beispiel auch so beim Bruch des Fastengebotes, was heute faktisch fast keine Rolle mehr spielt; noch spannend, wie der für die Priesterweihe seinerzeit wie sein Vater als getaufter Jude extra damals dispenspflichtige Jude Leo Jud, später Prediger in St. Peter Zürich, dann der erste geweihte Priester war, der demonstrativ bei einem Essen der Buchdrucker von Froschauer (1522) an einem heute noch gebotenen Fasttag in eine Schweinswurst biss. damit zugleich auch sein Judentum demonstrativ verriet, was weder im Zwinglifilm noch in den Biografien hervorgehoben wird. Zwingli selber machte übrigens bei dieser Aktion nicht mit, rechtfertigte sie aber hinterher. Aktionen von "Priesterinnen" sind durchwegs als Überzeugungstaten einzuschätzen und insofern mit sexuellem Missbrauch in keiner Weise vergleichbar. Selber nehme ich übrigens weder an "Kommunionfeiern" noch an Generalabsolutionen teil, ob das nun als legal gelte oder nicht, es ist, wie die Einäscherung, nicht meine Religion. Vor der Konsequenz der Reformatoren habe ich jedoch Respekt. Sie hatten allerdings jedoch den Mut zur Trennung.
  • user
    Gabriela Ulrich 14.09.2023 um 19:36
    Was nützt die kirchliche Voruntersuchung und die Beauftragung eines Kirchenrichters, wenn der Liturgische Missbrauch in der Effretiker Pfarrei St. Martin der vaticanischen Behörde (Dikasterium für Glaubenslehre) dann doch nicht gemeldet werden. Wenn der Bischof das Hirtenamt nicht wahrnimmt, kann es keine Heilung geben! Die Leidtragenden sind dann immer die Glieder der Pfarrei.
  • user
    Stefan Fleischer 14.09.2023 um 18:17
    So wie ich den Sachverhalt verstehe und im Religionsunterricht aufgepasst habe handelt es sich bei diesem «Missbrauch» doch schlichtweg um eine ungültige Eucharistiefeier, also ein Sakrileg und einen Betrug an den einfachen Gläubigen. Wie kann man so etwas als relativ harmlose Undiszipliniertheit abtun? Ist das aus der Sicht des Glaubens nicht eine noch schwerwiegendere Verfehlung selbst als ein sexueller Missbrauch? (Wobei ich hier nur den Tatbestand an sich beurteile und die Schuldfrage mangels Kenntnis der konkreten Umstände ausklammere.) Müsste man, wen der Bischof dies nicht begreift, den Fall an den Nuntius, gegebenenfalls an Rom weiterleiten?
    • user
      Michael Dahinden 15.09.2023 um 05:52
      Die Verwandtschaft von Missbrauch und Missbrauch erscheint mir zumindest in den konkret diskutierten Fällen etwas mühsam konstruiert. Eine Störung oder Verfälschung der Liturgie und ihrer Rollen, mit maximalem Öffentlichkeitscharakter, hat mit schweren persönlichen Sünden im privatesten Raum eher wenig zu tun, auch wenn Christus uns sagt: Was in das Ohr geflüstert wird, das predigt auf den Dächern. (Mt 10,27)
      Trotzdem haben Sie insofern Recht, als dass die Sache schwerwiegenden Anmassungen entspringt, z. B. Anmassungen in gewissen Massenmedien und bei Antikatholiken, die für sich das Katholischsein lautstark reklamieren, um Verwirrung zu stiften oder sich wichtig zu machen.

      Es wäre natürlich auch eine rationale Erörterung der Sache möglich. Daher würde ich mir unter anderem wünschen, dass der „Disliker“ eines solchen Votums entweder offen hervortreten oder statt nörgeln schweigen möge.
      • user
        Michael Dahinden, Riemenstalden 15.09.2023 um 10:21
        Und nochmals gilt dasselbe weiterhin für den versteckten "Disliker". Kriechen Sie mal aus Ihrem Loch und erklären Sie Sich, wenn Sie meinen, etwas zu sagen zu haben. Wir wissen, dass nach einem Missbrauchsfall das Opfer langanhaltenden Schaden an seiner Einzelperson davontragen kann. Wir wissen nicht um die Grösse des Schadens für die ganze Kirche bei liturgischem Missbrauch, aber so ganz anders sind nun die beiden Missbräuche doch wieder nicht. War es das, was Ihnen missfiel? Was würden Sie dazu sagen? Ansonsten: Fröhlichen Tag Ihnen mit weiterhin viel kindischem Versteckespiel.