Bischof Bonnemain hat Zeit, viel Zeit. Vor allem, wenn er die Chance wittert, sich als Troubleshooter, als Krisenmanager profilieren zu können. So, als er in einem Interview mit dem «SonntagsBlick» auf seinen päpstlichen Auftrag zur kirchenrechtlichen Voruntersuchung hinsichtlich der gegen Schweizer Bischöfe erhobenen Vorwürfe der Vertuschung sexueller Übergriffe verweisen konnte. Und eben erst diesen Dienstag hatte er im Rahmen der Präsentation der Pilotstudie betreffend der landesweit erhobenen Fälle von in den letzten 70 Jahren festgestellten sexuellen Missbräuche seinen grossen Auftritt. Bischof Bonnemain war in seinem Element, kündigte gleich vier konkrete Umsetzungsmassnahmen an. Doch damit nicht genug. Flugs schlüpfte er in die Rolle des «Meister Proper» und legte noch einen obendrauf: Wir haben die Aufhebung der kirchenrechtlichen Normen über die Aktenvernichtung beschlossen, wohlwissend, dass damit übergeordnetes Recht verletzt wird, dessen Änderung allein dem Papst zusteht. Doch, so Bischof Bonnemain voller Selbstergriffenheit den Märtyrer ex ante spielend: Falls jemand im Vatikan dagegen protestieren würde, werde er das auf seine Kappe nehmen. Gemäss aktuellem, in der ganzen Kirche geltendem Recht sind jährlich jene Strafakten, deren Angeklagte verstorben oder die seit zehn Jahren durch Verurteilung abgeschlossen sind, zu vernichten. Ein kurzer Tatbestandsbericht mit dem Wortlaut des Endurteils ist aufzubewahren (vgl. can. 489 § 2 CIC).
Wenig bis gar keine Zeit hat hingegen Bischof Bonnemain, wenn es darum geht, sich Fragen zu stellen, die hausinterne, diözesaneigene Vorgänge und Probleme betreffen. Paradebeispiel ist der liturgische Missbrauch im Rahmen des Abschiedsgottesdienstes von Monika Schmid in der Effretiker Pfarrei St. Martin vom 28. August 2022: Letztere hatte im Rahmen einer «Eucharistiefeier» ein verstümmeltes Hochgebet allein gesprochen, die anwesenden Priester hielten sich im Hintergrund. Bischof Bonnemain leitete darauf hin eine kirchenrechtliche Voruntersuchung ein und beauftragte seinen Kirchenrichter Artur Czastkiewicz mit der Abklärung dieser causa. Dieser lieferte seinen Bericht in der ersten Februarhälfte 2023 ab. Es dauerte dann volle sechs Monate, bis am 8. September 2023 in einer gemeinsamen Erklärung das Bistum Chur, die katholische Kirchgemeinde St. Martin Effretikon sowie die involvierten Seelsorgerinnen und Seelsorger die Öffentlichkeit über die Konsequenzen des angesprochenen liturgischen Missbrauchs informierten. Sowohl hinsichtlich der überlangen Verfahrensdauer wie auch des Inhalts dieser Medienmitteilung ortete «swiss-cath.ch» Klärungsbedarf. Via seine Kommunikationsstelle liess Bischof Bonnemain «swiss-cath.ch» folgende Antwort zukommen:
«Bischof Bonnemain ist froh, dass diese langandauernde Angelegenheit abgeschlossen werden konnte. Im gemeinsamen Pressecommuniqué sind die Ergebnisse des ganzen Verfahrens zusammengefasst. Der Bischof möchte nun die Sache ruhen lassen. Aus diesem Grund möchte er nicht auf einzelne Aspekte der selben eingehen.»
Jetzt aber einfach zur Tagesordnung überzugehen, wäre kontraindiziert. Die Strategie «Bonnemain locuta, causa finita» hat postwendend die radikalfeministische «Junia-Initiative» durchkreuzt: In ihrer Reaktion äusserte sich «bestürzt» über den erteilten Verweis und «bedauerte zutiefst die dadurch verursachte Verärgerung und Verunsicherung engagierter Pfarreiangehöriger».
An dieser Stelle ist zunächst einmal nach dem Grund der überlangen Verfahrensdauer zu fragen. Die Vermutung liegt nahe, dass der Kirchenrichter Artur Czastkiewicz in seinem im Februar 2023 abgelieferten Bericht zum Schluss kam, es sei infolge des Schweregrades dieses liturgischen Missbrauchs eine Weiterleitung an die zuständigen vatikanischen Behörden erforderlich (der liturgische Missbrauch ist ja zu offensichtlich). Doch, so ist ebenfalls zu vermuten, passte ein solches Prozedere wohl nicht in das kirchenpolitische Konzept des Bischofs, der sich nicht primär der Lösung drängender Probleme und Herausforderungen verpflichtet fühlt, sondern seinem Image als über den Parteien stehender Krisenmanager, der es mit niemandem (völlig) verderben will und so die verfahrene Situation erst recht perpetuiert. Als ausgebildeter Arzt müsste er aber wissen, dass die Heilungschancen nur noch sehr gering sind, wenn ein Tumor bereits Metastasen gebildet hat.
Ein Murks
Irgendwie folgerichtig erweist sich denn auch die nun vereinbarte Abmachung als ein ausgesprochener Murks, als eine rabulistische Wortklauberei. Da ist zum einen davon die Rede, dass es zu keinen schwerwiegenden liturgischen Verstössen gekommen sei, deren Beurteilung dem vatikanischen Dikasterium für die Glaubenslehre vorbehalten wäre. Gleichzeitig wird im gleichen Atemzug betont, es seien wichtige liturgische Bestimmungen missachtet worden, die für die ganze Kirche verbindlich sind. Worin da der Unterschied besteht, fällt wohl unter das bischöfliche Amtsgeheimnis. Item: Es seien den beteiligten Seelsorgenden ein «formeller Verweis» erteilt und entsprechende «Verwarnungen» ausgesprochen worden. Gemäss geltendem Kirchenrecht (vgl. can. 1339 § 2) setzt ein Verweis voraus, dass die betroffene Person durch ihren Lebenswandel in der kirchlichen Öffentlichkeit «ein Ärgernis oder eine schwere Verwirrung der Ordnung» verursacht. Da sich die ganze Untersuchung einzig und allein auf die Art und Weise der Durchführung des Abschiedsgottesdienstes vom 28. August 2022 bezieht, ist nicht nachvollziehbar, warum in diesem Zusammenhang auch die Lebensführung der Betroffenen beanstandet wurde.
Das Datum der Bekanntgabe des Abschlusses der kirchenrechtlichen Voruntersuchung im unmittelbaren Vorfeld der Bekanntgabe der Pilotstudie weckt schliesslich den Verdacht, damit im Sinne einer Schadensbegrenzung das mediale Echo möglichst gering halten zu können.
Den Vogel hat in dieser verfahrenen Angelegenheit wieder einmal das Medienportal «kath.ch» abgeschossen. Dessen Inkompetenz untermauerte Chefredaktor Charles Martig höchstpersönlich. Im Lead zu seinem Artikel «Bischof Joseph Bonnemain verwarnt Monika Schmid» behauptet er allen Ernstes: «Der Fall wird von den vatikanischen Dikasterien als nicht schwerwiegend beurteilt und deshalb abgeschlossen.» Dabei hatte ja Bischof im diesbezüglichen Presscommuniqué vom 8. September 2023 ausdrücklich festgehalten, dass «keine schwerwiegenden liturgischen Verstösse vorlägen, deren Beurteilung dem vatikanischen Dikasterium für die Glaubenslehre vorbehalten wäre»!
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Trotzdem haben Sie insofern Recht, als dass die Sache schwerwiegenden Anmassungen entspringt, z. B. Anmassungen in gewissen Massenmedien und bei Antikatholiken, die für sich das Katholischsein lautstark reklamieren, um Verwirrung zu stiften oder sich wichtig zu machen.
Es wäre natürlich auch eine rationale Erörterung der Sache möglich. Daher würde ich mir unter anderem wünschen, dass der „Disliker“ eines solchen Votums entweder offen hervortreten oder statt nörgeln schweigen möge.