Gemälde von Honoré Daumier.

Hintergrundbericht

Mani­fest dena­tu­rier­ter Menschenrechte

Im März ver­öf­fent­lichte die «Inter­na­tio­nale Juris­ten­kom­mis­sion» zusam­men mit den «Ver­ein­ten Natio­nen» das Doku­ment «Die 8. März-​Grundsätze für einen men­schen­rechts­ba­sier­ten Ansatz im Straf­recht zur Äch­tung von Ver­hal­tens­wei­sen im Zusam­men­hang mit Sex, Fort­pflan­zung, Dro­gen­kon­sum, HIV, Obdach­lo­sig­keit und Armut». Meh­rere der ins­ge­samt 21 Grund­sätze haben es in sich.

Die «Internationale Juristenkommission» setzt sich nach eigenen Angaben aus 60 «herausragenden Richtern und Anwälten aus allen Regionen der Welt» zusammen. Ihr Ziel ist es, «die schrittweise Entwicklung und wirksame Umsetzung der internationalen Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zu gewährleisten». Dies klingt zunächst lobenswert, es stellt sich aber die Frage, was unter «Menschenrechten» verstanden wird.

Im Vorwort des Dokuments schreibt Edwin Cameron, pensionierter Richter aus Südafrika, gleich zu Beginn: «Als langjähriger Jurist und stolzer Homosexueller weiss ich sehr genau, wie das Strafrecht signalisiert, welche Gruppen als schützenswert zu gelten haben – und welche als verurteilt und geächtet.» Damit ist bereits die Richtung gegeben, in die das Dokument geht.

Grundsatz 9 bekräftigt, dass das Strafrecht nicht diskriminieren darf. Zu den «verbotenen Diskriminierungsmerkmalen» werden neben «Geschlecht» auch ausdrücklich «Gender», «sexuelle Orientierung», «Geschlechtsidentität» und «Geschlechtsausdruck» (gender expression) genannt.

Im dritten Teil nimmt das Dokument Bezug auf die «Anwendung auf die Kriminalisierung von Verhaltensweisen im Zusammenhang mit im Zusammenhang mit Sex, Fortpflanzung, Drogenkonsum, HIV, Obdachlosigkeit und Armut». Darin wird erklärt, dass Prostitution weltweit erlaubt sein muss, es «sei denn, es liegt Nötigung, Gewalt, Missbrauch von Autorität oder Betrug vor» (Grundsatz 17). Ebenso dürfe das Strafrecht «den Drogenkonsum oder den Besitz, Erwerb oder Anbau von Drogen für den persönlichen Gebrauch, auch durch Personen unter 18 Jahren oder während der Schwangerschaft» nicht verbieten (Grundsatz 20).

Straffreier Schwangerschaftsabbruch
Unter dem ebenso wohlklingenden wie irreführenden Titel «Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte» (Grundsatz 14) wird das Recht auf «Entscheidungen über den eigenen Körper, die eigene Sexualität und die eigene Fortpflanzung» festgelegt. «Niemand kann strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn er einer anderen Person dabei hilft, ihr Recht auf sexuelle und reproduktive Gesundheit wahrzunehmen.» Im Klartext: Niemand kann gesetzlich belangt werden, der «Geschlechtsumwandlungen» (Transitionen) vornimmt, Hormonblocker verschreibt usw. – selbst wenn dies Kinder betrifft.

Als Konsequenz daraus wird verlangt, dass der Schwangerschaftsabbruch straffrei sein und «gänzlich aus dem Anwendungsbereich des Strafrechts herausgenommen werden» müsse (Grundsatz 15). Dies gilt auch für die Beihilfe, die Unterstützung oder die Bereitstellung von Medikamenten für die Abtreibung.

Kein Schutzalter mehr bei einvernehmlichem Sex?
Im Grundsatz 16 geht es dann um «einvernehmliche sexuelle Handlungen».

«Einvernehmliche sexuelle Handlungen dürfen unter keinen Umständen kriminalisiert werden, unabhängig von der Art der sexuellen Aktivität, dem Geschlecht, der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität oder dem Geschlechtsausdruck der beteiligten Personen oder ihrem Familienstand. Einvernehmliche gleichgeschlechtliche wie auch einvernehmliche verschiedengeschlechtliche sexuelle Beziehungen oder einvernehmliche sexuelle Beziehungen mit oder zwischen transsexuellen, nicht-binären und anderen geschlechtlich vielfältigen Menschen oder ausserhalb der Ehe – ob vorehelich oder ausserehelich – dürfen daher niemals kriminalisiert werden.»

Dann folgen Sätze, die heftigen Protest auslösten:

«Was die Durchsetzung des Strafrechts betrifft, so muss jedes vorgeschriebene Mindestalter für die Zustimmung zum Geschlechtsverkehr auf nicht diskriminierende Weise angewandt werden. Die Durchsetzung darf nicht an das Geschlecht der Beteiligten oder das Alter der Einwilligung in die Ehe geknüpft sein.

Darüber hinaus können sexuelle Handlungen mit Personen unter dem jeweiligen staatlichen Mindestalter für die Einwilligung zum Geschlechtsverkehr tatsächlich einvernehmlich sein, wenn auch nicht legal. In diesem Zusammenhang sollte die Durchsetzung des Strafrechts die Rechte und die Fähigkeit von Personen unter 18 Jahren widerspiegeln, Entscheidungen über einvernehmliche sexuelle Handlungen zu treffen, sowie ihr Recht, zu sie betreffenden Angelegenheiten gehört zu werden.»

Klopft man die verklausuliert schwammige Semantik dieser Passagen auf ihre tatsächliche ideologische Stossrichtung hin ab, gibt es keine Altersgrenze mehr für sexuelle Beziehungen – und damit keine Pädophilie mehr, ausgenommen, der Sex ist nicht einvernehmlich.

In einer Pressekonferenz am 18. April wehrte sich Stéphane Dujarric, Sprecher des UN-Generalsekretärs, gegen solche «böswilligen Falschmeldungen». Das Dokument «fordere weder die Entkriminalisierung von Sex [von Erwachsenen] mit Kindern noch die Abschaffung des Schutzalters». Bei diesem Text ginge es darum anzuerkennen, dass strafrechtliche Sanktionen gegen Jugendliche ähnlichen Alters für einvernehmliche, nicht ausbeuterische sexuelle Aktivitäten unangemessen seien.«
Auch die «Internationale Juristenkommission» wehrte sich gegen diese Interpretation ihres Textes. Ein Sprecher erklärte, dass die Grundsätze einvernehmliche sexuelle Aktivitäten zwischen Jugendlichen (im Allgemeinen im Alter von 10 bis 18 Jahren) betreffen würden.

Das Dokument selbst beschränkt sich aber nicht auf einvernehmlichem Sex zwischen Jugendlichen, sondern spricht darüber nur in allgemeiner Form. Somit können damit auch Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern gemeint sein. Kinder aber können noch gar nicht entscheiden, ob sie freiwillig eine sexuelle Beziehung mit jemandem eingehen möchten. Im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen wird immer wieder zu Recht darauf hingewiesen, dass Kinder von den Tätern «überredet» wurden. Selbst erwachsene Personen geben an, dass sie manipuliert wurden. Wie sollen nun also Kinder oder Jugendliche sich der Tragweite einer Zustimmung zu «einvernehmlichen sexuellen Handlungen» bewusst sein?

Verstaatlichung der sexuellen Früherziehung
Das Dokument passt in die Strategie der «Vereinten Nationen». 2015 verabschiedeten sie die «Ziele für nachhaltige Entwicklung» (auch als Agenda 2030 bekannt). Darin wird unter Ziel 3 («Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern») im Unterpunkt 3.7 als Ziel genannt:

«Bis 2030 den allgemeinen Zugang zu sexual- und reproduktionsmedizinischer Versorgung, einschliesslich Familienplanung, Information und Aufklärung, und die Einbeziehung der reproduktiven Gesundheit in nationale Strategien und Programme gewährleisten.»

Das heisst insbesondere nichts anderes, als in allen Mitgliedsstaaten den Zugang zur Abtreibung sicherzustellen und die entsprechende sexuelle Aufklärung anzubieten.

Auch die «Weltgesundheitsorganisation» (WHO) betrachtet bereits Kleinkinder als sexuelle Wesen. Gemäss dem Rahmenkonzept «Standards für die Sexualaufklärung in Europa» sollen z. B. Kinder von 4 bis 6 Jahren wissen, was gleichgeschlechtliche Beziehungen sind. Kinder zwischen 6 und 9 Jahren sollen sich mit Verhütung und Geschlechtskrankheiten auskennen und um den «positiven Einfluss von Sexualität auf Gesundheit und Wohlbefinden» wissen. Und bei Kindern zwischen 9 und 12 Jahren sind die ersten sexuellen Erfahrungen sowie Genderorientierung Thema.

Ziel ist es, den Eltern das grundlegende Recht auf die sexuelle Erziehung ihrer Kinder wegzunehmen und auf vom Staat betriebene Schulen zu übertragen. Nur so können die Ziele der «Agenda 2030» resp. der WHO längerfristig der Gesellschaft aufgezwungen werden. Für die Kirche hingegen steht fest, «dass die Eltern das Recht und die Pflicht haben, die ersten und eigentlichen Erzieher ihrer Kinder zu sein» («Menschliche Sexualität: Wahrheit und Bedeutung. Orientierungshilfen für die Erziehung in der Familie», 5)

 

 

 

 


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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  • user
    Daniel Ric 23.05.2023 um 08:13

    Vielen Dank für diesen hervorragenden Artikel, der aufzeigt, wie der Gedanken der Menschenrechte pervertiert wurde. Menschenrechte, die übrigens nicht von den Aufklärern, sondern von Katholischen Denkern der Scholastik zuerst formuliert wurden, dienen dazu, die Rechte des mündigen Einzelnen gegenüber der staatlichen Autorität einzufordern und zu sichern. Auch Kinder und Jugendliche haben solche Rechte, wobei ihnen nicht volle Vertragsfreiheit zugestanden wird, da ihre Urteilsfähigkeit noch nicht vollständig entwickelt ist. Deswegen können Jugendliche bis 18 Jahre (ausser mit dem eigenen Lehrlingslohn) keine grösseren Ausgaben tätigen und sind auch sonst eingeschränkt in ihrem Handeln. Diese Einschränkung sind rechtlich ein Schutz für die Minderjährigen sowie für die Menschen, die durch das Handeln der Minderjährigen betroffen sind.


    Es widerspricht jeder rechtlichen Logik, dass nun gerade im Bereich der Sexualität diese Handlungseinschränkungen aufgehoben werden sollen. Entweder sind die Förderer dieser Gesetze der Meinung, die Geschlechtlichkeit sei so unwichtig, dass die Einschränkungen, die sonst für Minderjährige gelten, hier keine Anwendungen finden sollten oder man glaubt, dass im Bereich der Sexualität eine Mündigkeit vorliegt, die bei anderen Handlungen und Verträgen nicht gegeben ist. Das eine - und hier liegen die philosophischen Wurzeln dieser Ideologie - stellt eine Verachtung des Leibes und das andere eine Mystifizierung des Körpers (bewusst verwende ich hier nicht den Begriff Leib) dar, bei welcher der Mensch seinen Sinn nur über die Auslebung der Sexualität finden kann. Es ist wichtig, dass wir Katholiken wieder vermehrt die katholische Sichtweise der Geschlechtlichkeit präsentieren. Sie hat der Welt mehr zu sagen als die heutigen Ideologien.