Ob abgekupfert oder Eigengewächs: Was der Gründer der ersten sozialdemokratischen Partei der Schweiz mit wachem Blick auf die schon damals wuchernde Bürokratisierung so locker vom Hocker auf den Punkt brachte, hat einen ernsten gesellschaftlichen Hintergrund. Ob die von seinem Zeitgenossen Johann Jakob Bachofen vertretene These, bei der Taufe aller frühen Kulturen sei das Matriarchat Patin gestanden, zutrifft, sei dahingestellt. Fest steht hingegen, dass das von feministischen Fundis geradezu inbrünstig bis zum Überdruss repetierte Mantra, das Patriarchat sei für alle Übel der Welt verantwortlich, mit der Realität nichts zu tun hat. Was auch nur entfernt in den Ruch des «Patriarchalischen» zu geraten droht, wird umgehend mit einem Bannfluch belegt, dem klassischen kirchlichen Anathem verblüffend ähnlich.
Mit fatalen Folgen: Im Wort «Patriarchat» steckt das Wort «Pater», das wiederum mit Verantwortungsbewusstsein und Fürsorgepflicht zu tun hat. Beispielhaft für diese Haltung stehen in meinem Winterthurer Wohnort die das Stadtbild architektonisch bereichernden Arbeitersiedlungen, die von sozial eingestellten Patrons wie Sulzer und Rieter errichtet wurden. Dieser Geist der sozialen Verantwortung hat sich inzwischen weitgehend verflüchtigt. Stattdessen fallen McKinsey- und PricewaterhouseCoopers-Typen wie Heuschrecken in Unternehmen ein, durchforsten mit ihren auf Effizienz- und Profitmaximierung getrimmten Checklisten die hinterste Ecke, um Firmen für den gnadenlosen Konkurrenzkampf fit zu trimmen. Das Resultat ist fast immer das gleiche: Vorwiegend älteres Personal wird auf die Strasse gestellt, die Heuschrecken verschwinden mit einem fetten Bonus im Sack auf der Suche nach dem nächsten Opfer so schnell, wie sie gekommen sind. Verantwortung für die «Gesundschrumpfung» bleibt dann anderen überlassen.
Was bleibt, ist der Ruf nach dem Staat, der das Ganze wieder ins Lot bringen soll (vgl. Swissair, UBS & Co.). Der Preis: Eine durch und durch bürokratisierte, anonyme Arbeitswelt, wo sich Einzelmasken um den je lukrativeren Job balgen. Wenn auch nur in abgewandelter Form, so doch allemal eindrücklich liefern die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee (nomen est omen) der deutschen Katholiken ein anschauliches Beispiel eines aus Regionalkonferenzen, Synodalforen, Synodalpräsidium und Synodalversammlung zusammengeschweissten Bürokratiemonsters – «Synodaler Weg» genannt.
Wohl keiner hat dieses düstere Szenario so treffend vorausgeahnt und beschrieben wie Max Horkheimer, Mitbegründer der Frankfurter Schule und der Kritischen Theorie, in der er den Vernunftbegriff der Aufklärung einer radikalen Kritik unterzog. Auszüge aus seinem Interview mit Helmut Gumnior: «Durch die sich entfaltende Macht der Technik, das Wachstum der Bevölkerung, die unaufhaltsame Umstrukturierung der einzelnen Völker in straff organisierte Gruppen, durch schonungslosen Wettbewerb zwischen den Machtblöcken, scheint mir die totale Verwaltung der Welt unausweichlich geworden zu sein. Mit der Wissenschaft und der Technik hat sich der Mensch die ungeheuren Kräfte der Natur unterworfen. Wenn diese Kräfte nicht zerstörerisch wirken sollen, müssen sie von einer wirklich rationalen Zentralverwaltung in Obhut genommen werden. Ich glaube, dass die Menschen dann in dieser verwalteten Welt ihre Kräfte nicht werden frei entfalten können [...] Die Menschen dieser Welt werden automatisch handeln: bei rotem Licht stehen, bei Grün marschieren. [...]
Die Individualität wird eine immer geringere Rolle spielen [...] die totale Transformation wirklich jeden Seinsbereichs in ein Gebiet von Mitteln führt letzten Endes zur Liquidation des Subjekts, das sich ihrer bedienen soll.
Und diese Welt wird langweilig sein, denn man wird das Theologische abschaffen. Damit verschwindet das, was wir ‹Sinn› nennen, aus der Welt. Zwar wird grosse Geschäftigkeit herrschen, aber eigentlich sinnlose, also langweilige.»
Und, so ist hinzuzufügen: Was bleibt nach diesem ebenso düsteren wie realistischen Befund des Philosophen Max Horkheimer noch übrig? Das Sekretariat!
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