Sie sind in einem sehr katholischen Umfeld aufgewachsen, richtig?
Ja, damals in Irland war jeder katholisch. Das war die Luft, die wir atmeten. Meine Grossmutter hat einen sofort mit Weihwasser gesegnet, wenn man ihr Haus betreten hat. Und die klarste Erinnerung, die ich an meinen Grossvater habe, ist, wie er ruhig und gelassen den Rosenkranz betete. Oder wenn man das Angelusläuten hörte, gingen alle sogleich auf die Knie, um zu beten. Das war einfach unsere Kultur. Damals gab es in fast jedem Haus ein Bild des Heiligsten Herzens Jesu – ein Bild, das das göttliche Herz Jesu in Flammen der Liebe darstellt. Ich erinnere mich, wie ich als Kind daran vorbeiging, und es sah aus, als ob der Blick von Jesus mir folgte, und ich dachte: «Das ist Gott und er sieht alles!»
Wie war Ihre Beziehung zu Gott in dieser Zeit?
Ich hatte eine tiefe Beziehung zu Gott, dem Vater. Wenn ich an Gott dachte, dann dachte ich an den Vater, seine Allmacht und Fürsorge für uns. Natürlich hätte ich es nicht in diesen Worten ausgedrückt, aber das war es, was ich fühlte.
Irgendwann kam dann der Abfall von Gott.
Ja, als ich ungefähr zwölf war, kam eine schwierige Zeit. Wir hatten Probleme in unserer Familie, und ich bat Gott um Hilfe. Aber nichts geschah. Ich glaubte an seine Güte und Macht, und dennoch tat er nichts. Ich war tief enttäuscht und sehr wütend. Also kappte ich die Beziehung zu Gott. Ich sagte zu ihm: «Du hast die Macht und du tust nichts. Du kümmerst dich nicht um uns. Wir sind dir egal!» Und ich habe Gott sogar verflucht, um diesen Schnitt endgültig zu machen.
Wann kam der Alkohol ins Spiel?
Alkohol war damals ein grosses Problem in Irland. Ich habe mir geschworen, dass ich nie trinken würde. Aber eines Tages, an Halloween, kauften ein paar Teenager Alkohol, doch sie wurden von ihren Eltern erwischt. Sie versteckten den Alkohol vor uns, aber ich sah, wo sie ihn hinbrachten. Am nächsten Tag kam ich zurück, um davon zu probieren. Ich trank meine erste Flasche Bier und ich erinnere mich, dass etwas in mir schon da sagte: «Das wird ein Problem sein.» Von da an hörte ich praktisch 25 Jahre lang nicht mehr auf zu trinken. Ich konnte nie verantwortungsbewusst trinken. Von Anfang an habe ich getrunken, um mich richtig abzuschiessen.
Wohin hat Sie das Leben dann geführt?
Nun, ich verliess Irland, als ich etwa 18 oder 19 war. Ich ging nach London und von dort nach Amerika, wo ich 16 Jahre lang lebte. Ich habe als Gipser gearbeitet, es war also immer leicht, Arbeit zu finden. Auf dem Bau interessiert es niemanden, was du mit deinem Leben machst, solange du auftauchst und gute Arbeit leistest. Auf diese Weise kam ich nach London, New York, Boston, San Francisco, Honolulu, Las Vegas, Nashville, Chicago und nach Berlin, und war dabei immer am Trinken. In Berlin geriet mein Drogen- und Alkoholkonsum dann ganz ausser Kontrolle. Ich weiss nicht einmal mehr, wie lange ich dort gelebt habe.
Haben Sie Ihr Leben zu diesem Zeitpunkt als verzweifelt empfunden?
Das ist eine gute Frage, denn damals dachte ich einfach: «So ist das Leben nun mal.» Aber es war eine sehr dunkle Zeit. Ich lebte in diesem ständigen Zyklus. Ich betrank mich, war dann zutiefst verkatert und deprimiert. Dann trank ich wieder. Da war etwas sehr Unruhiges in mir.
Haben sie in diesen Jahren über Gott nachgedacht?
Das habe ich tatsächlich. Ich war sehr wütend auf Gott und brach die Beziehung ab, aber ich glaubte immer noch an seine Existenz. Ich versuchte, mir den Tod so vorzustellen, als würde ich in ein schwarzes Loch im Weltraum fallen oder als wäre da einfach nichts mehr. Der Gedanke machte mir Angst, aber in gewisser Weise war es auch eine Erleichterung zu denken, dass nichts wirklich von Bedeutung ist. Es war eine sehr verwirrende Zeit, und ich lebte in dieser Art von Verzweiflung, die ich nicht in den Griff bekommen konnte. Aber ich stand mit dem Rücken zu Gott, er war nie Teil der Lösung. In gewisser Weise war Alkohol mein Gott. Ich hatte diese tiefe Sehnsucht, vor dem Leben zu fliehen. Und Alkohol war das Einzige, was mir das gab. Alkohol war die sofortige Antwort auf alle meine Fragen. Jemand sagte einmal auf einer Konferenz der «Anonymen Alkoholiker»: Wenn der Alkohol nicht so viel für uns tun würde, könnte er uns auch nicht so viel antun. Das verstehe ich jetzt. Es ist eine sehr teuflische Situation, süchtig zu sein.
War Ihnen klar, dass Sie süchtig waren?
Nur sehr langsam. Ich verstand nicht wirklich, was Sucht ist, aber ich sah, dass ich trank wie niemand sonst um mich herum. Und als ich begriff, dass ich süchtig war, dachte ich: «Nun, so ist das Leben nun mal. Solange ich arbeiten kann und die Bar offen ist, ist alles in Ordnung.» Es ist eine tragische Art, das Leben zu betrachten, aber als Süchtiger kann man sich ein Leben ohne die Droge nicht vorstellen. So habe ich das damals gesehen. Aber mein Konsum begann zu eskalieren. Ich trank mehr und mehr. Mit dem Trinken kamen dann auch andere Drogen. Ich wurde dreimal wegen Trunkenheit am Steuer verhaftet. Ich fand mich an sehr dunklen Orten wieder. In Berlin zum Beispiel ging ich in diese winzige Toilettenkabine in einer Bar, um eine Line Kokain zu ziehen. Ich hatte Schmerzen in der Brust und dachte, ich könnte einen Herzinfarkt bekommen und direkt auf dem schmutzigen Badezimmerboden im Geruch von Urin sterben. Doch mir war alles egal. Ich liess es darauf ankommen und nahm das Kokain trotzdem. Es war eine sehr dunkle Existenz in ständiger Selbstmedikation, um dem Leben zu entkommen. Wenn ich jetzt zurückblicke, sehe ich zudem, dass es eine sehr egoistische Art zu leben war. Ich war völlig von mir und meiner Sucht eingenommen.
Hatte dieses selbstzerstörerische Leben Auswirkungen auf Ihre Gesundheit?
Die Sache ist die, dass ich sehr stark war und hart gearbeitet habe, was mich für lange Zeit körperlich fit gehalten hat. Aber zu manchen Zeiten trank ich extrem viel. Da wurde es dann auch gesundheitlich gefährlich. In diesen Phasen ass ich fast nichts. Ich erinnere mich, wie ich in Berlin jeweils in den Supermarkt ging, 1 oder 2 Flaschen Wodka und 3 Schachteln Zigaretten holte und nach Hause ging. Und das habe ich jeden Tag gemacht. Ich wurde dann immer kränker und kränker, bis ich schliesslich mit einer Lungenentzündung im Krankenhaus landete, an der ich fast gestorben wäre.
Wann hat sich das Blatt für Sie gewendet?
In Nashville wurde ich erneut wegen Trunkenheit am Steuer verhaftet, und als die Polizei mich entliess, trank ich sofort weiter. Ich wurde am Samstag verhaftet und am Sonntagmorgen wieder freigelassen. Ich fuhr mit dem Auto direkt in die Bar, trank den ganzen Tag und fuhr in der Nacht völlig betrunken nach Hause. Am Montagmorgen wachte ich auf. Normalerweise konnte ich mich nach einem solchen Rausch an nichts erinnern. Diesmal erinnerte ich mich an jedes kleinste Detail. «Du wirst sterben, du wirst dich umbringen», dachte ich, doch das kümmerte mich nicht weiter. In diesem Moment sah ich das Bild eines Frontalzusammenstosses zwischen mir und einer Mutter mit einem Van voller Kinder vor mir. Ich sah eine grosse Explosion in meiner Vorstellung. «Du wirst andere Menschen mit in den Tod reissen», dachte ich. Oder noch schlimmer: «Du überlebst den Unfall und musst mit der Schuld leben, andere getötet zu haben!» In diesem Moment sagte ich mir: «Ich werde nie wieder trinken!» Nur hatte ich mir das fast jedes Wochenende vorgenommen, seit ich mit dem Trinken angefangen hatte, aber wenn ich jetzt zurückblicke, war dieses Mal etwas anders. Ich hatte die Gnade erhalten, den Kampf zur Überwindung meiner Sucht zu beginnen. Ich rauchte weiterhin Marihuana, aber ich begann, zum ersten Mal in meinem Leben lange Phasen ohne Alkohol zu verbringen.
In der nüchternen Zeit, die dann kam, wurde mein Geist klarer und eine echte Suche nach Gott begann, obwohl ich mir dessen noch nicht bewusst war. Ich las eine Menge New-Age-Bücher, beschäftigte mich mit dem Buddhismus usw., mit allem ausser der Katholische Kirche. Diese Tür hatte ich fest verschlossen.
Gab es einen bestimmten Moment, in dem Sie bewusst zum Glauben zurückfanden?
Nach der Verhaftung für Trunkenheit am Steuer bin ich von Nashville nach Chicago gezogen. Ich lernte eine katholische Familie kennen und die Mutter des Hauses lehrte mich vieles über den Glauben. Eines Tages sagte sie, dass sie zur Beichte gehen würde, und ich dachte, sie sei verrückt. Ich habe es nicht verstanden. Aber wie sie mir den katholischen Glauben erklärte, das ergab irgendwie Sinn für mich, auch wenn ich mir immer noch einredete, dass das nichts für mich sei.
Dann kam meine Mutter aus Irland zu Besuch. Wir standen uns nahe, und ich wollte ihr einen Rat geben. Ich wollte ihr etwas Wertvolles sagen, das ihr auch wirklich hilft, daher sprach ich innerlich spontan ein Vaterunser. Und während ich dann zu ihr sprach, merkte ich, dass in meinen Worten eine Weisheit lag, die viel tiefer war, als ich es je hätte sein können. Ich sah einen erstaunten Gesichtsausdruck auf ihrem Gesicht, als sie mir zuhörte und sie sagte: «Du klingst ganz wie ein Priester.» Am nächsten Morgen rief ich die katholische Frau an, bei der ich Katechese hatte, und sagte ihr, dass ich im Gespräch mit meiner Mutter gespürt habe, wie Gott durch mich gesprochen hat. Ich legte den Hörer auf, wandte mich an meine Mutter und sagte: «Ich gehe zur Beichte.» Ich habe damals nicht bewusst darüber nachgedacht. Ich traf einfach diese Entscheidung und machte mich auf die Suche nach einer Kirche. Ich fuhr ein paar Stunden lang durch Chicago und versuchte, eine offene Kirche zu finden. Ich fand St. Mary of the Angels, eine Opus Dei Gemeinde. Ich ging zur Beichte und sagte: «Segnen Sie mich, Vater, denn ich habe gesündigt. Aber ich weiss nicht mehr, wie man beichtet.» Meine letzte Beichte muss damals 25 Jahre her gewesen sein. Und der Priester sagte: «Mein Junge, du bist an den richtigen Ort gekommen.» Er hat mich dann auf eine sehr väterliche Art und Weise durch die Beichte geführt. Es war eine ungemein schöne und sehr intensive Erfahrung. Ich kam aus dem Beichtstuhl mit der absoluten Gewissheit, die mich bis heute begleitet: «Es gibt Gott. Er ist unendlich barmherzig. Und alle meine Sünden sind weg, denn er hat mir vergeben.» Ich wusste es. Es war keine intellektuelle Angelegenheit. Ich wusste es einfach. Am nächsten Tag ging ich zur Messe. Als ich mich hinkniete und darauf wartete, die heilige Kommunion zu empfangen, wurde ich in meinen Gedanken in meine Kindheit zurückversetzt, ich erinnerte mich an die Ehrfurcht, die ich damals vor der Eucharistie empfand. Sogar der Geschmack der Hostie brachte mich zurück in die Gemeinde meiner Kindheit. Als ich aus der Messe kam, blickte ich über Chicago und dachte: «Alles sieht gleich aus. Nichts hat sich verändert. Aber in meinem Herzen hat sich alles verändert!» Ich war endlich wieder zu Hause, ich wollte nie wieder von Gott getrennt sein.
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