Abendstimmung während des «Metanoia Festivals». (Bilder: Max Ammann)

Kirche Schweiz

Meta­noia – Ein­heit in der Umkehr zu Christus

Vom 12. bis 16. Juli fand das «Meta­noia Fes­ti­val» aus dem Wal­lis zum ers­ten Mal in der Deutsch­schweiz in Obwal­den statt. Das breit gefä­cherte Pro­gramm reichte von Thea­ter, Kon­zert bis zu Lit­ur­gie, Gebet und Vor­trä­gen von Refe­ren­ten wie Bischof Joseph Maria Bon­ne­main und Abt Urban Fede­rer. Das Fes­ti­val füllt mit sei­ner Offen­heit für Fami­lien und gesun­dem Ökumene-​Bewusstsein eine Lücke im katho­li­schen Festival-​Sommer.

Die Innerschweiz zeigte sich in an diesen Tagen in ihrer ganzen sommerlichen Vielfalt: Von Sommergewitter und Hagel bis zu Hitze und Sonnenschein, die Heimat des schweizerischen Landespatrons Bruder Klaus von Flüe präsentierte die Schönheit seiner Landschaft in allen möglichen Gewändern. Das diesjährige «Metanoia Festival» war in St. Niklausen OW, ganz in der Nähe des Flüeli Ranfts, zu Gast und hatte dort angesichts der traumhaften Lage nur wenig Grund, das Wallis zu vermissen. Es war ein interessanter und gewagter Versuch der Veranstalter, ein im Wallis regional gut etabliertes Festival einfach so in die Innerschweiz zu verpflanzen und den Sprung über den Röstigraben zu wagen. Das Resultat war ein christliches Festival, in dem sich eine Vielfalt und Offenheit ergaben, wie sie in der Schweiz womöglich bei keinem anderen vergleichbaren christlichen Anlass gegeben sind. Hier stand das Festival dem Wetter in nichts nach. Von Mittwochabend bis Sonntagmittag trafen Romands, Franzosen und Deutschschweizer, Jung und Alt, Alleinstehende und Familien, Katholiken und Protestanten verschiedener Couleur aufeinander, um zu beten, auszutauschen und zu feiern. Das Festival brachte ein frankofones Flair in die tiefste Innerschweiz und vermochte vielleicht gerade damit, auch die Deutschschweizer anzusprechen. «Metanoia» bedeutet Umkehr oder Neuausrichtung auf Gott hin; in dieser Bewegung will das Festival eine Einheit in Christus ermöglichen.

Ein Festival mit Gespür für Familien und Paare …
Der örtliche Gastgeber des «Metanoia Festivals» war zum ersten Mal die Gemeinschaft «Chemin Neuf». Es handelt sich um eine katholische Gemeinschaft mit ökumenischer Berufung. Die in den 1970er-Jahren gegründete Gemeinschaft ist von der Katholischen Kirche anerkannt und umfasst Mitglieder aus allen Lebensständen und verschiedenen Konfessionen: Katholische Priester leben hier in Gemeinschaft mit zölibatären Schwestern und Brüdern sowie auch Ehepaaren aus verschiedenen christlichen Konfessionen. Charisma und Ruf von «Chemin Neuf» ist die Einheit der Christen, für die sie beten, sich engagieren und sie so weit wie möglich auch schon antizipieren wollen. Das Festival profitierte sichtlich von diesem Charisma, denn die Mitglieder von «Chemin Neuf» konnten mit ihren vielfältigen Hintergründen auf die jeweiligen Befindlichkeiten der unterschiedlichen Teilnehmer eingehen.

Eine in diesem Sinne wichtige Neuerung für das Festival war die dezidierte Offenheit für Familien und Paare. Jeden Morgen gab es ein Spezialprogramm für die Kleinen, währenddessen die Eltern die Möglichkeit hatten, entweder dem Hauptprogramm zu folgen oder sich ganz bewusst ihrer Paarbeziehung zu widmen. Es gab Vorträge und Übungen eigens für Paare, die sich mit Themen wie «Gebet als Paar», «Kommunikation als Paar» oder «Ruf und Berufung als Paar» befassten. Dieses sehr geschätzte Angebot, organisiert von Paaren für Paare, konnte auf die Erfahrung der Gemeinschaft «Chemin Neuf» mit ihren «Kanaa»-Angeboten für Ehepaare und Familien aufbauen. Doch auch das Gesamtprogramm und Festivalgelände waren familienfreundlich gestaltet: Es gab viel Flexibilität in der Zeitgestaltung und mehr als genug Platz für Spiel und Spass. Während die Kinder auf dem Spielplatz oder der grossen Wiese spielten, sassen die Eltern in Sichtweite entspannt an den Tischen der ganztags geöffneten Open Air Bar und unterhielten sich. Dies sorgte für jene familiäre Stimmung, die das Festival insgesamt prägte.
 


… sowie für Jugendliche und junge Erwachsene
Doch auch die Jugendlichen und jungen Erwachsenen kamen nicht zu kurz. In den täglichen Ateliers gab es viele Sportangebote wie Klettern, Wandern, Paddel, Tischtennis, Badminton und Unihockey. Eher musisch veranlagte Leute konnten Sing-, Tanz- und Jodelkurse besuchen. Auch an religiösen Angeboten mangelte es nicht: An zwei Tagen gab es die Möglichkeit, erste Erfahrungen in Strassenevangelisation zu sammeln, sich mit Zisterziensern auszutauschen oder sich aus einem christlichen Geist mit Paarbeziehungen und Sexualität auseinanderzusetzen. Das alles kam zu den Vorträgen der eingeladenen Referenten hinzu. Dom Marc vom Zisterzienserkloster Hauterive und Abt Urban vom Kloster Einsiedeln sprachen über Gottes Liebe, Einheit und Barmherzigkeit. Der protestantische Referent Alex de Pablos und der Katholik Gwendal Rozier ergänzten die Themenpalette mit Evangelisierung und Leben im Heiligen Geist. Ein Ehepaar berichtete über die Chancen und Schwierigkeiten von überkonfessionellen Ehen und zwei Frauen von «Chemin Neuf» erzählten aus dem Leben von starken Frauen im Glauben. Damit war für alle etwas dabei. Und wer auf all das keine Lust hatte, konnte sich auch einfach eine schön gelegene Sitzbank suchen und die Schönheit der Landschaft geniessen.

Bruder Klaus als Inspiration für das Kulturprogramm
Am Abend sorgten Konzerte von christlichen Bands wie «Adams Wedding» und Theater für die nötige Unterhaltung. So erzählte die Pariser Künstlerin Sophie Galitzine in einer «One Woman Show» mithilfe von Gesang und Tanz sowie einer gehörigen Portion französischen Wortwitzes ihre berührende Bekehrungsgeschichte. Nach dem frühen Tod des Vaters und dem Leben in der Pariser Künstlerszene wäre sie nach ihrer Bekehrung beinahe in ein Kloster der Karmelitinnen eingetreten. Heute ist sie verheiratete Mutter und lässt ihre selbst geschriebenen Theaterstücke von ihrem katholischen Glauben inspirieren. Der Katholizismus sei in der Pariser Künstlerszene zwar nicht besonders «funky», aber dies beeindruckt Sophie Galitzine schon lange nicht mehr.
 


Am Samstagabend wurde ein eigens für das Festival geschriebenes Stück aufgeführt, welches das Leben des Hl. Bruder Klaus von Flüe zum Inhalt hatte. Mit Schultheater begnügte man sich hier nicht. Eine ausgeklügelte Choreografie mit Tanzelementen und Musik verdichtete die wichtigsten Etappen im Leben des Heiligen auf nur drei Akte. Der Fokus lag dabei auf der Beziehung von Niklaus und Dorothea von Flüe. Man konnte sehen, wie Niklaus nach seinen Kriegserfahrungen die schöne Dorothea kennenlernte und zur Frau nahm. Schon früh hatte er einen aussergewöhnlichen Hang zum Gebet, aber trotzdem nahm er als Familienvater und Ehemann wichtige Aufgaben in der Politik an. Doch die mit Vertikaltuchakrobatik eindrücklich versinnbildlichten Visionen des Heiligen verweisen bereits auf sein späteres Leben. Mit Tanz und Gesang wurde die belastende Phase dargestellt, als Niklaus und Dorothea mit dessen Berufung zum religiösen Leben zu ringen hatten. Am Ende übergibt Dorothea ihrem Mann das selbst gemachte Einsiedlergewand und entlässt ihn mit ihrem Segen. Sie bleibt in ihrem Lebensstand, er wird als grosser Beter und Wundertäter zum Schweizer Landespatron – im Gebet bleiben sie eng verbunden.

Ein katholisches geistliches Angebot mit evangelischen Farbtupfern
Im Zentrum des Festivals stand natürlich das geistliche Angebot. Das machte Anfang, Mitte und Ende jeden Tages aus. Es begann noch vor dem Frühstück mit der Laudes. Hier beteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zusammen mit den Brüdern und Schwestern von «Chemin Neuf» und den ursprünglich ansässigen Dominikanerinnen die Psalmen. Vor dem Mittagessen folgte täglich die Eucharistie, die draussen mit einem prächtigen Ausblick auf den Sarnersee und die Berge zelebriert wurde. Zweimal wurde – einmal mit Abt Urban vom Kloster Einsiedeln und einmal mit Bischof Joseph Bonnemain – mit hohem Besuch gefeiert. Der Bischof von Chur forderte die Gläubigen in seiner feurigen Predigt dazu auf, noch verstärkter die Liebe Christi zu den Leuten zu bringen, aber gleichzeitig das persönliche Gebet und die Sakramente nicht zu vergessen. Abt Urban hingegen hielt während seiner Predigt beispielhaft ein halb volles Wasserglas in der Hand, um eine christliche, hoffnungsvolle Sicht auf die Welt den Zuhörenden näher zu bringen. Entsprechend dem Engagement und dem Stand der Zelebranten wurde nicht an Weihrauch und leidenschaftlichem Gesang gespart. Für Letzteren war die Festivalband verantwortlich, die ein erstaunlich breites Repertoire an modernen Messgesängen im Lobpreisstil an den Tag legte. Das Volk sang mit Freude mit, lauschte eifrig den Predigten und betete andächtig. Die Feier draussen hatte zudem den Vorteil, dass der Lärmpegel trotz der vielen anwesenden Kinder nie störend wurde.

Am Abend bei den sogenannten «Worship Times» öffnete sich das klar katholische Gebetsprogramm auch stärker für die protestantischen Anwesenden. Mit viel Lobpreismusik sowie charismatischem Heilungsgebet und Zeugnissen wurden die sommerlich lauschigen Abende am Wochenende gestaltet. Die Wetterstürme vom Festivalbeginn hatten sich in Gebetsstürme gewandelt. Während die einen mit erhobenen Armen sangen und tanzten, gingen andere zu den Feuerstellen am Rande, um ein geistliches Gespräch zu suchen oder zu beichten. Ob nun katholisch oder evangelisch, in der charismatischen Frömmigkeit konnten beide gemeinsam beten. Der Abschluss war jeden Abend ganz christozentrisch – auf Lobpreis und Zeugnis folgte die eucharistische Anbetung, die besonders von der mitorganisierenden Gemeinschaft «Eucharistein» gepflegt wurde. Sie kümmerte sich um die eucharistische Anbetung tagsüber in der Kapelle sowie um die schön gestaltete Stunde zum Abschluss des liturgischen Programms. Wenn abends weit nach 23 Uhr Gebet und Anbetung beendet waren, strömten die Leute zur Festival Bar, um weiterzufeiern, zu sprechen und die friedliche Stimmung zu geniessen.

Eine offene Zukunft
Nächstes Jahr wird das «Metanoia Festival» wieder in Saint-Maurice im Wallis stattfinden. Es wird sich zeigen müssen, ob der in diesem Jahr gewagte Sprung über den Röstigraben den Beginn einer langfristigen Neuausrichtung darstellt oder ob das Festival wieder mehr rein frankofon und regional wird. Letzteres wäre eigentlich zu bedauern, denn Metanoia trifft sozusagen eine Marktlücke: Neben den sehr jugendorientierten Weltjugendtagen und dem «Adoray Festival» gibt es kaum vergleichbare katholische Anlässe, wo sich gleichzeitig junge Erwachsene, Verheiratete und Familien mit Kindern angesprochen fühlen – von der sprach- und konfessionsübergreifenden Dimension dieses Festivals ganz zu schweigen. Die fünf Festivaltage bildeten ein starkes Zeichen für einen hoffnungsvoll-freudig gelebten katholischen Glauben, der genug selbstbewusst ist, auch eine wohlwollende ökumenische Offenheit und Einheit zu wagen, ohne deswegen weniger katholisch zu sein. Der nur einen Spaziergang entfernte Landespatron der Schweiz, Bruder Klaus, hätte wohl seine Freude gehabt – nicht nur wegen des ihm gewidmeten Theaters.


Max Ammann

MLaw utr. iur. & BTheol. Max Ammann studiert gegenwärtig Theologie mit Spezialisierung in Kirchengeschichte an der Universität Freiburg i. Ü. Als Jurist setzt er sich vor allem mit Fragen des Staats- und Religionsverfassungsrechts auseinander.


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Bemerkungen :

  • user
    Gabriela Ulrich 21.07.2023 um 09:08
    Einheit in der Umkehr bedeutet Eins sein im wahren Glauben. Es wäre Interessant zu erfahren, wie viele durch das Metanoia-Festival zum katholischen Glauben konvertiert haben, konvertieren.