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Hintergrundbericht

Minelli und seine «Digni­tas» fei­ern 25 Jahre Ster­be­hilfe – was die NZZ verschweigt

Vor 25 Jah­ren grün­dete Lud­wig Minelli seine umstrit­tene Ster­be­hil­fe­or­ga­ni­sa­tion «Digni­tas». Wes­halb der Mus­ter­pro­zess gegen seine skan­dal­träch­ti­gen Metho­den schei­terte, wird in den Medien ver­schwie­gen – auch von der NZZ.

«25 Jahre Dignitas: Damit kein Gremium einem Menschen das Sterben verbieten kann»: So die Überschrift in der Online-Ausgabe der NZZ vom 17. Mai 2023. Zwei Tage später, in der Printausgabe vom 19. Mai, lautete der Titel weniger euphorisch: «Seit der Gründung in der Kritik». Grund zur Kritik an Minellis Sterbehilfe-Methoden gab und gibt es in der Tat – mehr als reichlich.

Ludwig Minelli war seit der 1998 erfolgten Gründung seiner Sterbehilfeorganisation «Dignitas» (welche Verhöhnung dieses lateinischen Wortes!) für seine brachialen Jenseits-Beförderungsmethoden berüchtigt. Als ihm beispielsweise seine Sterberäumlichkeiten gekündigt wurden und er auf die Schnelle keinen Ersatz fand, beschaffte er sich kurzerhand mit Helium gefüllte Plastiksäcke, die sich lebensmüde Personen auf einer Autobahnraststätte über den Kopf stülpten. Als bekannt wurde, dass Minelli einer nicht totkranken, sterbewilligen Frau aus Deutschland 100 000.─ Franken abgeknöpft hatte, um ihr das todbringende Natrium-Pentobarbital zu verschaffen, reichte es der Staatsanwaltschaft. Dies umso mehr, als er auch noch einer Frau und deren Tochter Fr. 22 000.─ in Rechnung gestellt hatte, obwohl die tatsächlichen Kosten lediglich Fr. 10 400.─ betrugen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich klagte deshalb Minelli wegen selbstsüchtiger Bereicherung im Zusammenhang mit Sterbehilfe und Wucher an. Im erstinstanzlichen Prozess vor dem Einzelrichter des Bezirksgerichts Uster schrammte Minelli haarscharf an einer Verurteilung vorbei. «Freispruch für Minelli» heisst der Untertitel im genannten NZZ-Beitrag vom 19. Mai 2023. Nota bene: Der Staatsanwalt gehörte der SVP an, der Einzelrichter der SP – honny soit qui mal y pense. Über den Fortgang dieses Prozesses schweigt sich die NZZ allerdings aus.

Staatsanwaltschaft verpasst Frist
Die Staatsanwaltschaft, welche viel Zeit und Geld in diesen von ihr angestrengten, mehrjährigen Musterprozess investiert hatte (er umfasste 52 Bundesordner!), legte Berufung ein. Am 5. Mai 2020 setzte das Obergericht eine Frist bis zum 25. Mai 2020, um die Berufung zu begründen. Doch trotz gewährter Fristerstreckung bis zum 15. Juni 2020 schaffte es die Staatsanwaltschaft nicht, die geforderte Begründung nachzuliefern. Konsequenz: Der Strafprozess wurde ohne materielle Beurteilung als erledigt abgeschrieben. Man musste das Konkurrenzblatt der NZZ, den Tages-Anzeiger (Ausgabe vom 20. August 2020) konsultieren, um den Grund für die Verfahrenseinstellung zu erfahren: Die Staatsanwaltschaft hatte sich mit der «Begründung» aus der von ihr selbst verschuldeten Kalamität heraus zu reden versucht, ihre Berufung sei «fälschlicherweise dem internen Kurierdienst statt der Post übergeben worden.» Doch damit nicht genug. Die Staatsanwaltschaft fühlte sich bemüssigt, umgehend eine Interpretationshilfe für diese skandalöse Schlamperei nachzuliefern: Die verpasste Frist sei «kein Ruhmesblatt», beschönigte die Staatsanwaltschaft und stellte sich mit dieser faustdicken Untertreibung gleich einen Persilschein in eigener Sache aus.

Was Wunder, dass Minelli ob dieses Justizversagens mit Wohlgefallen auf die «erfolgreichen Jahre» seiner 25-jährigen Tätigkeit als Sterbehilfe-Turbo zurückblickt. Um im gleichen Atemzug scheinheilig zu bilanzieren: «Dignitas soll möglichst überflüssig werden, indem andere Länder ihre Rechtsprechung anpassen und den Sterbetourismus beenden.»

Dieser Fall und damit das Ende des Geschäftsmodells von Minelli dürfte früher eintreten, als ihm selber recht ist: Im Jahre 2022 entfielen 39 Prozent seiner Kundschaft auf Sterbewillige aus Deutschland. Nun hat das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil aus dem Jahr 2020 das bis anhin geltende Verbot der geschäftsmässigen Sterbehilfe (und damit just das Geschäftsmodell von Minelli) gekippt und den Bundestag aufgefordert, die Sterbehilfe in einem Gesetz neu zu regeln.


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

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Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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