Beginnen wir mit Professor Urbaniok. Der Mann hätte – stellvertretend für seine Zunft – durchaus Grund gehabt, sich zu dieser causa einer gewissen Zurückhaltung zu befleissigen. Erinnert sei an den tragischen «Mord im Zollikerberg»: Ein Mann, der wegen zweifachen Mordes, zehn Vergewaltigungen und mehreren Raubüberfällen in der Strafanstalt Pöschwies einsass, ermordete eine junge Frau, als er sich in einem unbegleiteten Hafturlaub befand. Die Psychiatrie, die jahrelang dem Primat der Resozialisierung des Täters huldigte, war daran nicht ganz unschuldig.
Frank Urbaniok geht in seinem Interview mit der «Aargauer Zeitung» gleich in die Vollen: Kurzerhand erklärt er die Katholische Kirche als eine für sexuelle Übergriffe besonders anfällige Risikozone. Sein Kollege Marc Graf will da selbstredend nicht hintanstehen. Die Journalistin der «Berner Zeitung» liefert ihm mit einer Suggestivfrage den gewünschten Steilpass: «Weshalb sind gerade in der katholischen Kirche so viele Täter unterwegs?» Psychiater Graf redet sich dermassen in Rage, dass ihn die Journalistin ganz erschrocken mit einer Zusatzfrage zurückbinden muss: «Aber es vergreifen sich doch nicht alle an Kindern?» «Nein», räumt Graf ein, «aber der Anteil ist im Vergleich zur Gesamtbevölkerung wohl deutlich höher».
Dies ist Unsinn. Sinnigerweise veröffentlichte der «Blick» just am gleichen Tag, am 16. September 2023, eine Meldung mit dem Titel «Tennis-Talent enthüllt: ‹Trainer hat mich 400 Mal vergewaltigt›». Der Täter, Tennis-Coach Andrew Geddes, sitzt mittlerweile im Gefängnis. Diese und andere Fälle blieben ungeahndet, weil der französische Tennisverband nicht hinschauen wollte. Der «Blick»-Artikel schliesst mit dem Satz: «Schliesslich zeigten vier Opfer Geddes an, 2021 wurde er verurteilt. Nun untersucht eine Sonderkommission Hunderte weitere Fälle im Tennissport.»
Wer im Internet auch nur kurz googelt, stösst unvermittelt auf eine schier nicht enden wollende Liste. Ein paar Beispiele:
- Missbrauchsskandal im österreichischen Skisport Link
- Sexueller Missbrauch im grossen Stil im Frauenfussball (u. a. Sambia und Haiti) Link
- UN-Friedenssoldaten begingen massenhaft Missbrauch an Kindern in Haiti (getarnt als humanitäre Helfer) Link
- «Sexueller Missbrauch in der Evangelischen Kirche: ‹Im Windschatten des katholischen Skandals ausgeruht›» Link
- «Vorwürfe gegen ORF-‹Experten›: Linke Szene versinkt im Missbrauchs-Sumpf» Link
Wer es ganz aktuell haben will: Wie «Blick» soeben meldete, wurde ein Aargauer Kantonsrat in U-Haft gesetzt. Grund: Verdacht auf sexuelle Handlungen mit Kindern. Solche und ähnliche Meldungen finden sich fast täglich in den Zeitungsspalten.
Sollen mit diesen Hinweisen die sexuellen Vergehen und Verbrechen in der Katholischen Kirche relativiert, ja bagatellisiert werden? Auf keinen Fall! Verbrechen sind Verbrechen und sind zu ahnden, vom wem auch immer und in welcher Institution auch immer sie begangen werden. Aber es gilt, dem offensichtlichen Fake entgegenzutreten, der Katholischen Kirche zu unterstellen, sie sei eine besonders anfällige Risikozone für sexuellen Missbrauch. So tragisch und verwerflich diese Untaten auch sind, die Katholische Kirche unterscheidet sich diesbezüglich nicht von anderen Grossorganisationen wie die längst zur Ersatzreligion gewordene Sportwelt oder das internationale Film- und Show-Business.
Zurück zu Marc Graf: Sein Rundumschlag gegen die Katholische Kirche missriet ihm zum veritablen Bumerang, als er sich zur Behauptung verstieg: «In der Bibel sind sie [die Frauen] Verführerinnen, vor denen man sich in Acht nehmen muss. Es fehlen positive Frauenmodelle für eine unproblematische sexuelle Entwicklung.» Bingo! Abgesehen davon, dass dieser Mann offensichtlich noch nie etwas vom Magnifikat – dem Hohen Lied auf die Mutter Jesu – gelesen hat: Würde dies zutreffen, wären die protestantischen Pastoren in der Logik Grafs noch viel missbrauchsanfälliger als ihre katholischen Amtskollegen, gehört doch das «Sola-scriptura-Prinzip» – allein die Bibel zählt – zur sprichwörtlichen DNA des Protestantismus.
An ein ganz heisses Eisen rührt Frank Urbaniok. Geradezu wie ein säkulares Dogma verkündet er apodiktisch: «Hier ist aber deutlich darauf hinzuweisen, dass Homosexualität nichts mit sexuellen Übergriffen auf Kinder zu tun hat.» Es ist dies ein Thema, auf welches die LGBT-Lobby mit ganz besonderer Virulenz und Aggressivität zu reagieren pflegt. Und doch muss es erlaubt sein, die Frage nach dem Konnex zwischen Homosexualität und Pädophilie zu stellen. Die Pilotstudie gelangt zu folgendem Befund: Die Mehrheit der Betroffenen bzw. Opfer waren mit 56 Prozent Männer, in 74 Prozent der Fälle handelte es sich um Minderjährige. Diese Zahlenrelation legt zumindest die Berechtigung der obgenannten Fragestellung nahe. Auch der jüngst publik gewordene Fall des pädophilen Röschenzer Pfarrers geht in diese Richtung. Die Verantwortlichen der auf drei Jahre angelegten Folgestudie werden jedenfalls um ihrer eigenen Glaubwürdigkeit willen nicht darum herumkommen, sich mit dieser Fragestellung vertieft auseinanderzusetzen.
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Wir als Gesellschaft und somit auch die Familien, Kirchen, Sportvereine, Parteien, Schulen, etc. müssen zumindest beim Schutz der Kinder und Jugendlichen an einem Strang ziehen. Sexualität per se erklärt solche Übergriffe nicht. Die sexuelle Erregung in Kombination mit Hierarchie, Macht seitens Täter und Angst, Schmerz seitens Opfer gehört nicht in die normale Sexualität, sondern beschreibt Triebtäterschaft. Die Katholische Kirche sollte Triebtätern keine Bühne geben, sondern diese Leute aus der Gemeinschaft, die für Christentum und Humanismus stehen sollte, rauswerfen. Übergebt die Triebtäter den staatlichen Instanzen, die über sie befinden und urteilen, das ist die Angelegenheit der Gerichte! Was die Kirche tun kann? Exkludiert Triebtäter aus Eurer Gemeinschaft. Ihr werdet so den Anreiz für solche Leute minimieren und für Opfer eine klare Botschaft der Solidarität senden. Manchmal muss man sich entscheiden. Bei Triebtätern gibt es halt kein "ein wenig", gegen Triebtäterschaft muss man eine klare Linie haben. Natürlich gilt dies für alle Organisationen, aber eben auch für die kt. Kirche.
Als junger Rekrut war ich jeweils am Wochenende auf der Zugsrückfahrt vom Tessin jeweils speziell auf junge Frauen fokussiert. Ich habe das manchmal nicht einmal gemerkt. Das war eine natürliche Reaktion die nach der RS vorbei war.
Junge Priester leben aber sehr lange so. Das sie daher eine Risikozone darstellen ist eigentlich selbstverständlich. Das müssten Sie eigentlich klar zur Kenntnis nehmen.
Die Personen, mit denen ich Gespräche geführt habe, gehörten meistenteils pädagogischen Berufen an.
Aber eben ein „gefundenes Fressen“ für den Journalismus um der Kirche eins auszuwischen.