Br. Johannes-Maria Pfister OFM während des Vortrages. (Bilder: Niklaus Herzog/swiss-cath.ch)

Weltkirche

Mit Fran­zis­k­aner­bru­der Johannes-​Maria Pfis­ter auf dem Weg zum Ostergeheimnis

Seit 2011 gehört sie wegen ihrer Pfahlbauersiedlungen zum UNESCO-Weltkulturerbe, die Inselgruppe mitten im unteren Teil des Bodensees bei Stein am Rhein. «Insel Werd» wird ihre Hauptinsel genannt. Kloster und Kapelle der Insel Werd sind im Besitz des Klosters Einsiedeln, das es seit 1957 der Schweizer Franziskaner-Kustodie anvertraut. Vier Franziskanermönche leben dort im Sinn und Geist ihres Ordensgründers Franz von Assisi und nehmen vielfältige Aufgaben in der Seelsorge der umliegenden Pfarreien wahr.

Die Kapelle ist dem heiligen Otmar geweiht, zu dem die Insel Werd einen ganz besonderen Bezug hat. Auf der Homepage des Bistums St. Gallen findet sich dazu folgende Erläuterung:
«Otmar wurde in der Bodenseegegend geboren und am Bischofshof in Chur zum Priester ausgebildet. Im Jahr 719 wurde er nach St. Gallen berufen, um aus der verfallenen Zelle des hl. Gallus ein Kloster zu errichten. Dort baute er auch eine Herberge für die Armen und ein Spital für die Aussätzigen, die er eigenhändig pflegte. Als der fränkische Staat die Alemannen zu unterdrücken begann, verteidigte Otmar die Unabhängigkeit seines Volkes und seines Klosters. Deshalb wurde ihm fälschlicherweise ein Sittlichkeitsprozess angehängt. Er wurde auf die Insel Werd verbannt, wo er am 16. November 759 im Alter von 70 Jahren starb. Nach einem Jahrzehnt wurde sein unversehrter Leib in das Kloster St. Gallen zurückgeholt, und im Jahre 864 fand Otmars Heiligsprechung statt. Seither wird er als Patron der Verleumdeten und Verfolgten, als Vorbild der Krankenpflege, neuestens als Schützer der schweigenden Kirche verehrt.»

Auch die heutigen Franziskaner sind dem geistig-spirituellen Erbe Otmars verpflichtet und feiern jeden Mittwoch ihm zu Ehren eine Wallfahrtsmesse. Einer der vier Mönche ist Bruder Johannes-Maria Pfister. Für den 10. März 2024 lud er zu einem Vortrag ein. Dieser stand ganz im Zeichen des bevorstehenden wichtigsten Festes: dem heiligen Triduum, wie es Bruder Johannes-Maria im traditionellen Sprachgebrauch nennt: Gründonnerstag, Karfreitag und Osternacht. Eine stattliche, erwartungsfroh gestimmte Schar von rund 25 Gläubigen hatte sich im Otmarssaal auf der Insel Werd zu seiner theologischen tour d'horizon eingefunden.
 


Bruder Johannes-Maria legte eingangs dar, wer ihn zu dieser Thematik besonders inspiriert hat: Es sind dies Pioniere der liturgischen Bewegung wie Alexander Schmemann und Romano Guardini sowie Theologen wie Hans Urs von Balthasar, Joseph Ratzinger und William Cavanaugh.

Leiden, Tod und Auferstehung als eine einzige, unteilbare Wirklichkeit
Zentral für Bruder Johannes-Maria ist die Erkenntnis, dass das Ostergeheimnis von Leiden, Tod und Auferstehung nur als eine einzige, untrennbare Wirklichkeit verstanden werden kann und diese Wirklichkeit ihrerseits unabdingbar ist für das Verständnis der Liturgie des ganzen Kirchenjahres. Die Feier dieser heiligen drei Tage bringt den Kern, das Wesen der christlichen Botschaft kongenial zum Ausdruck. Um es in den Worten des grossen Theologen Hans Urs von Balthasar zu sagen: «Auch im Christentum führt kein Weg am Leiden vorbei, aber es gibt in ihm ein Weg durch das Leiden hindurch und an dessen Ende die Gläubigen die Auferstehung, die Glückseligkeit der Anschauung Gottes erwartet.»

Gott hat sich in Jesus Christus das Leben des Menschen zu eigen gemacht, ja so sehr zu eigen gemacht, dass ihm auch die Angst, gar die Todesangst nicht erspart geblieben ist. In diesen drei Tagen erinnert sich die Christenheit in der Weise an das Heilswirken Gottes, dass diese Erinnerung in der Feier der Eucharistie neu zur Gegenwart wird («Dies ist mein Fleisch, dies ist mein Blut»). Dem Pionier der liturgischen Bewegung des 20. Jahrhunderts, Romano Guardini, war es ein besonderes Anliegen, die Christen seiner Zeit auf die Einzigkeit und Einzigartigkeit der Heilstat Christi hinzuweisen wie auch auf die Notwendigkeit, dieses historische Ereignis und gleichzeitig Neue schlechthin stets wieder neu zu vollziehen:
«Wir müssen erwerben, was wir schon lange besitzen, damit es wirklich unser Eigen werde. Richtig sehen müssen wir lernen, richtig hören, richtig tun. Bevor das nicht geschieht, bleibt alles dunkel und stumm. Gelingt es uns aber, dann öffnet es sich, tut sein Inneres auf.»

Bruder Johannes-Maria verweist auf den in der Gründonnerstag-Liturgie gelesenen Bibeltext «Wir rühmen uns des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus. In ihm ist uns Heil geworden und Auferstehung und Leben. Durch ihn sind wir erlöst und befreit» (vgl. Gal 6,14): So etwas wie die Kurzform dessen, was Christsein bedeutet. Einen besonderen Akzent legt Bruder Johannes-Maria auf einen Aspekt, der oft übersehen wird und doch gerade in unserer lärmigen, reizüberfluteten Welt besonders bedeutsam ist: Die Liturgie wird in den Tagen des Triduums sozusagen von Stunde zu Stunde stiller, vom Verzicht auf Orgelspiel und Glockenklang bis zum wortlosen Knien vor dem Kreuz Christi in der Karfreitagsliturgie. Es gilt, so Hans Urs von Balthasar, eins zu werden mit dem göttlichen Schweigen, zu verstummen vor dem Geheimnis aller Geheimnisse. Es gilt, innerlich leer zu werden, sich von unnötigem Ballast zu befreien, um sich so vom göttlichen Mysterium, von der göttlichen Fülle des unvergänglichen Lebens immer wieder neu beschenken und verwandeln zu lassen («Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir», Gal 2,20).

Beispielhaft kommt diese nicht nur die einzelnen Menschen, sondern die ganze Schöpfung durchwirkende Neuwerdung im Exsultet der Osternacht zum Ausdruck – einem Lieblingstext von Bruder Johannes-Maria. Sichtlich ergriffen, ja geradezu begeistert zitiert er aus diesem berühmten Hymnus. Nicht von irgendeiner Nacht, sondern von dieser seligen Nacht, vom Glanz dieser heiligen Nacht, die «Himmel und Erde versöhnt», die Gott und Menschen verbindet und an deren Ende der Morgenstern aufleuchtet, der «wahre Morgenstern, der in Ewigkeit nicht untergeht, unser Herr Jesus Christus».

Zum Abschluss dieses eindrücklichen, tiefsinnigen Vortrages von Bruder Johannes-Maria kommt mir spontan ein Satz von Papst Johannes Paul II. In den Sinn: «Der Mensch ist der Weg Gottes durch die Geschichte»: Es ist dies gleichsam der Schlüssel zum Verständnis der ganzen Menschheitsgeschichte, die in und durch Jesus Christus zur Heilsgeschichte geworden ist.


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

E-Mail

Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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