Lorenzo De Vittori. (Bild: zVg)

Interview

Mit Über­zeu­gung und Begeis­te­rung von Jesus Chris­tus sprechen

Am ver­gan­ge­nen Sonn­tag fei­erte Lorenzo De Vit­tori seine Pri­miz in der Lieb­frau­en­kir­che in Zürich. Im Gespräch mit «swiss​-cath​.ch» spricht er über seine Beru­fung, die Ver­bin­dung von Glaube und Wis­sen­schaft sowie über seine Zuge­hö­rig­keit zum «Opus Dei».

Sie durften am 21. Mai 2022 die Priesterweihe empfangen. Was verbinden Sie mit diesem wichtigen Moment Ihres Lebens?
Natürlich fehlte es an jenem Tag nicht an Anspannung und Emotionen. Aber am meisten empfand ich Dankbarkeit: Ich habe die Priesterweihe als ein grosses Geschenk erlebt. Nicht nur für mich, sondern vor allem für die Kirche, denn ein Priester ist ja in erster Linie ein Diener der Kirche und somit aller Getauften, jedes und jeder einzelnen. Heute spüre ich besonders die grosse Verantwortung, die dieses Geschenk mit sich bringt.

War der Weg zur Priesterweihe für Sie schon früh absehbar oder war Ihr Berufungsweg auch für Sie selbst eine Überraschung?
Eher eine Überraschung. Ich hatte früher nie wirklich daran gedacht. Nicht, dass ich etwas dagegen gehabt hätte: Ich habe einfach versucht, den Glauben zu leben, aber mein Interesse galt eher dem Üblichen: Freunde, Schule, Sport  …
Als ich noch im Gymnasium war, habe ich dann ein viel grösseres Panorama entdeckt, konkret im Zentrum des «Opus Dei» in meiner Heimatstadt Lugano. Dort habe ich mit meinen Freunden gelernt, gebetet, Sport getrieben, Glaubensunterricht erhalten und viel gelacht. Ich habe dort eine Familie gefunden, in der man auf ganz natürliche Weise eine frohe, freundliche Beziehung zu Gott lebte. Mir wurde mit der Zeit klar, dass Gott mich dazu einlud, ein Teil dieser Familie zu werden. So bin ich dem «Opus Dei» beigetreten, und seither bemühe ich mich, seinen Geist umzusetzen: den praktischen Glauben im Alltag, besonders in und durch meine Arbeit. Das hat sich auch seit meiner Weihe nicht geändert.

Haben Sie also vorerst nicht an ein Theologiestudium gedacht?
Mich hat immer eher die Naturwissenschaft fasziniert. Ich habe deshalb Physik studiert und dann vier Jahre lang an der Universität Zürich in der Forschung gearbeitet. Ich gehörte zu einem weltweiten Netz von Forschern, die versuchen, die Gravitationswellen zu beschreiben und zu messen, die bei Kollisionen von schwarzen Löchern entstehen. Es war eine wunderbare Zeit, ich habe mich in dieser Forschungsgruppe sehr wohl gefühlt.
Während meines Studiums habe ich Studenten und Schülern sehr gerne christliche Bildung vermittelt. Eines Tages wurde mir dann die Möglichkeit angeboten, in Rom Theologie zu studieren, was mir ermöglichen würde, eine bessere Bildung zu geben, und ich sagte zu. Im Laufe der Zeit begann ich, über eine mögliche Priesterberufung nachzudenken. Ich war offen dafür, aber ich habe mich aktiv nie darum beworben – ich überliess es einfach dem Willen Gottes. Als mich dann der Prälat des «Opus Dei» fragte, ob ich dazu bereit wäre, sagte ich gerne zu, denn die innerliche Bereitschaft war schon da.

Was hat Sie am Geist des «Opus Dei» besonders fasziniert?
Einmal sicher das familiäre Ambiente. Man kennt sich gut, unterstützt einander und versucht, alle so anzunehmen, wie sie sind. Und gleichzeitig hat man den Wunsch, sich im Alltag mit Christus zu identifizieren. Das hat mich sehr beeindruckt.
Mit der Zeit wollte ich aber genauer wissen, woher das alles kommt, und da habe ich die zweite Komponente gefunden, die mich am «Opus Dei» begeistert: eine gute christliche Bildung. Eine, die in die Tiefe geht, sowohl intellektuell – die versucht, die wichtigen Fragen zu beantworten — als auch alltagsbezogen. Das heisst eine Bildung, die durch den Kopf auch das Herz erreicht und die einem wirklich hilft, eine persönliche Beziehung zu Gott zu entwickeln.

Worin sehen Sie Ihre vorrangige Aufgabe als Priester?
Meine Aufgabe als Priester ist nicht, eine Botschaft oder Ideale zu vermitteln, sie ist noch viel schöner: Ich möchte eine Person bringen: Jesus Christus. Daher besteht mein wichtigstes Engagement darin, den Menschen Jesus Christus zu bringen, besonders durch die Sakramente: vor allem durch die Heilige Messe und die Beichte.
Umgekehrt spüre ich auch den tiefen Wunsch, die Menschen zu Gott zu bringen: Ihnen durch die geistliche Begleitung zu helfen, ihre Beziehung zu Gott zu leben und seine Freunde zu werden.

Sie sind nun seit über einem Jahr Priester. Welche Erfahrungen haben Sie vielleicht überrascht, erfreut, zum Nachdenken gebracht?
Immer wieder bewundere ich die Schlichtheit und Natürlichkeit, mit der mir Menschen ihre Anliegen, Hoffnungen und Schwierigkeiten, ihre kleinen und manchmal grossen Sorgen und Wünsche anvertrauen. Und das, ohne mich persönlich zu kennen, sondern allein, weil ich Priester bin: Es ist mir also vollkommen klar, dass sie nicht mich, sondern Christus in mir suchen.
Darum hängen auch die Früchte meines priesterlichen Einsatzes nicht so sehr von meinen Ideen oder Talenten ab, sondern vielmehr von meiner Fähigkeit, mich möglichst vollständig zurückzunehmen und Jesus wirken zu lassen. Deswegen wohl bedient sich Gott ungeeigneter Mittel, denn so zeigt sich, dass es sein Werk ist, nicht das von uns Menschen, und sei es ein geweihter Priester.

Hatten Sie je Probleme gehabt, Wissenschaft und Glaube miteinander zu vereinbaren?
Ja, definitiv! Und ich denke, das ist wichtig: Man muss ehrlich sein, wenn man nach der Wahrheit sucht und die Welt, in der wir leben, wirklich besser verstehen möchte. Viele Fragen, die aus der Wissenschaft entstehen, zwangen mich dazu, neue Antworten aus dem Blickwinkel meines christlichen Glaubens zu suchen oder mein Weltbild zu korrigieren. Und dasselbe gilt auch umgekehrt: Manche Wahrheiten, die wir dank der Offenbarung kennen, führen uns zu neuen Bemühungen, zu erklären, wie sie sich mit unserem Wissen über die Natur verbinden. Ich geniesse diese Herausforderungen, und ich denke, Gott muss lächeln, wenn er sieht, wie wir versuchen, die Vernunft, die er uns gegeben hat, zu nutzen, um die Schöpfung zu verstehen, in die er uns gesetzt hat.
Da sowohl die Wissenschaft als auch die Theologie nach derselben Wahrheit suchen, arbeiten sie Hand in Hand. Beide sind notwendig, um die eine Realität zu verstehen, die von Gott geschaffen wurde. Natürlich verwenden sie unterschiedliche Sprachen, Werkzeuge und Methoden, daher haben sie unterschiedliche Perspektiven. Aber letztendlich harmonieren sie gut und erhellen sich gegenseitig. Bestimmt möchte Gott sowohl durch den Glauben als auch durch die Entdeckungen der Wissenschaft mit uns sprechen.

Die Kirche in Mitteleuropa erlebt eine grosse Krise. Wie können wir Gläubigen zur Neuevangelisierung beitragen?
Ich denke, es ist nicht notwendig, grosse Neuerungen zu erfinden. Ich wäre ohnehin nicht kreativ genug. Wie haben es die ersten Christen gemacht? Wie haben sie Jugendliche und Erwachsene, Juden und Griechen, Sklaven und Freie zum Glauben geführt? Indem sie mit Überzeugung und Begeisterung von Jesus Christus sprachen. Sie haben ihren Mitmenschen von ihm erzählt und ihre Freunde zu ihm geführt. Auf das müssen wir uns wieder besinnen.

Was erhoffen Sie sich für die Kirche?
Ich hoffe – und versuche selbst daran zu arbeiten – auf eine grosse und tiefe Erneuerung, und zwar nicht so sehr in den Strukturen, die eher an der Oberfläche liegen, sondern vor allem im geistlichen, inneren Leben eines jeden Christen. Die Kirche und jeder einzelne muss sich auf die eigene Wurzel besinnen: auf Jesus Christus. Er muss wieder klarer ins Zentrum gestellt werden, sowohl in den Sakramenten als auch in der persönlichen Beziehung zu ihm.

Wo sind Sie als Priester tätig?
Ich werde mich hauptsächlich um die Pastoralarbeit mit den Mitgliedern des Werkes und mit all denen, die unser Angebot in Anspruch nehmen, kümmern. Darüber hinaus bin ich auch gerne bereit, etwa in Pfarreien Dienste zu leisten.
Das ist jetzt meine neue Arbeit, und ich möchte dieses Geschenk, das ich mit der Weihe bekommen habe, ganz professionell und mit dankbarer Freude allen weitergeben.

 

Lorenzo De Vittori (1987) stammt aus Lugano. Er studierte theoretische Physik an der ETH Zürich und promovierte in Astrophysik. Zehn Jahre lang war er im Leitungsteams des Studentenhaus Allenmoos in Zürich und war unter anderem aktiv in der Bildung von Jugendlichen, besonders von Studenten. Im Anschluss absolvierte er an der Päpstlichen Universität Santa Croce in Rom ein Theologiestudium und wird nächstens sein Doktorat in biblischer Theologie verteidigen.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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  • user
    Meier Pirmin 27.10.2023 um 16:15
    Ich gratuliere dem Neupriester umso mehr, als er einer der nicht wenigen Kandidaten der letzten Jahrzehnte war, die über überdurchschnittliche mathematische und naturwissenschaftliche Kenntnisse verfügten, fast alle dem Opus Dei nahestehend. Als absolute Hochbegabung in Erinnerung ist mir ausserdem noch der Spitzen-Philosoph Prof. Martin Rhonheimer , Ehemaliger des Kollegiums Sarnen in Erinnerung, zu meiner Zeit Klassenüberspringer, für mich über Jahre kostbarer Weggefährte. Dass Lorenzo de Vittori Astrophysiker ist, bewegt mich umso mehr, als ich mich schon seit längerem mit der Geschichte der päpstlichen Stermwarte befasse, die u.a. auch einen Zusammenhang hat mit der berühmten Kalenderreform vom 4. auf den 15. Oktober 1582, wogegen der protestantische Astronom Johannes Kepler ein ablehnendes Gutachten hätte schreiben müssen, sich der Aufgabe entzog und deshalb vom Abendmahl ausgeschlossen wurde. Der für mich bedeutendste vatikanische Astronom war indes Professor P.A. Secchi von der päpstlichen Sternwarte, dessen Standardwerk über die Sonne 1872 in deutscher Übersetzung erschien, mit hervorragender dokumentarischer Illustration. Übrigens war die Geschichte von Galilei, der mit Kepler um die Jupitermonde stritt, um einiges komplexer als herkömmlich dargestellt, wiewohl gewiss nicht gerade ein Ruhmesblatt der Kirchengeschichte. Wäre die Sache unter den Astrnomen geblieben, eine Einigung wäre nicht ausgeschlossen gewesen.

    Bei Lorenzo de Vittori muss ich noch spontan an meinen Schulkameraden von Sarnen, Mario de Vittori denken, der im Sommer 1964, als wir wegen des Erdbebens von Sarnen die ganze Schule in Militärbaracken auf die Stöckalp verlegten, als frischgebackener Autofahrer auf der Strasse zwischen Kerns und der Station Melchsee-Frutt an einer Stelle, an die ich mich noch erinnere, tödlich verunfallte. Ein unglaublicher Schock für die Schule kurz nach dem grossen Erdbeben, bei dem fast wie durch ein Wunder niemand ums Leben kam, es war für Internatsschüler schrecklich, im 5. Stock die Erschütterungen zu erleben. Es dürfte sich um einen Verwandten, vielleicht sogar Onkel von Lorenzo de Vittori handeln.

    Dass der Neupriester zunächst Astrophysik studierte, bewegt mich deshalb umso mehr. Dies wäre für SRF gewiss eher eine Meldung wert gewesen als spätpubertäre Bekenntnisse eines vergleichsweise weniger intelligenten Priesters über seine sexuellen Bedürfnisse, was heute als mutig gilt. Deren "Priorität" würde bekanntlich bei unzähligen Ehemännern den Ehebruch genau so rechtfertigen wie bei Priestern den Zölibatsbruch. Erfreulich, dass sich Herr Lorenzo de Vittori erst in vergleichsweise reifem Alter hat weihen lassen. Ich wünsche ihm eine gesegnete und segensreiche Tätigkeit als "Priester in Ewigkeit", so Gott will. Dass übrigens ein Priester ein Gelehrter sein müsse, ist natürlich nicht zwingend gegeben, aber im Hinblick auch auf die geistigen Krisen der Zeit noch und noch wünschbar.