Symbolbild. (Bild: geralt/Pixabay)

Mit spitzer Feder

Nach­hal­tig­keit

Infla­tio­när tritt es auf, ver­folgt einen auf Schritt und Tritt. Wer etwas auf sich hält, als fort­schritt­lich, als modern gel­ten will, kommt um sei­nen Gebrauch nicht herum. Die Rede ist von einem omni­prä­sen­ten Wort, es nennt sich Nachhaltigkeit.

«Investieren Sie nachhaltig», preist das «Forum Nachhaltige Geldanlagen» (FNG) seine Anlageprodukte an. «Unsere Vision», heisst es da, ist die «Förderung eines Finanzsystems, das die sozialökonomische Transformation der Realwirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen vorantreibt» Die «enespa ag» ihrerseits empfiehlt sich für Investitionen in nachhaltige Kunststoff-Recycling-Lösungen: «Nachhaltigkeit und Rendite vereint durch Game Changer.» Die Beispiele liessen sich fast endlos fortsetzen.

Wohl keine Vokabel bringt die Geist- und Orientierungslosigkeit unserer Zeit so treffend auf den Punkt wie der Begriff «Nachhaltigkeit» bzw. «nachhaltig». Denn da wird ein Schlagwort als rundum positiv suggeriert, obwohl es von seiner ursprünglichen Bedeutung her vielmehr wertneutral, ja geradezu hochgradig ambivalent ist. Um ein besonders krasses Beispiel zu nennen: Die Kernreaktor-Katastrophe in Tschernobyl im Jahre 1986, der atomare Super-GAU schlechthin, kann wie wenige Ereignisse der Geschichte Nachhaltigkeit für sich in Anspruch nehmen: Es wird unseren Planeten noch auf Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende belasten.

Mitten drin in dieser Nachhaltigkeits-Megawelle surft auch Synödeler-Ikone Irene Gassmann, Priorin des Benediktinerinnenklosters Fahr. «Benediktinisches Leben ist seit jeher nachhaltig», gibt sie auf «kath.ch» zu Protokoll. Das Fleisch stammt aus der Region und viele Lebensmittel kommen aus dem Klostergarten. Nichts wird weggeschmissen. Kleidung von verstorbenen Mitschwestern geht an noch lebende Schwestern, erläutert die Klosterpriorin. Bleibt die bange Frage, was mit diesen Kleidern geschieht, wenn es wie absehbar bald einmal keine lebenden Schwestern mehr gibt. Besondern Wert legt Klosterfrau Gassmann auf die Zusammenarbeit mit der «Fastenaktion»: Seit einiger Zeit produziert und verkauft das Kloster Fahr in Kooperation Samen für fünf Franken. Der Erlös kommt einem Projekt auf den Philippinen zugute. That's it. Das geistig-spirituelle Erbe des Ordensgründers Benedikt bleibt bei diesem eindimensional-horizontalen Nachhaltigkeitsverständnis aussen vor. Unsereiner fühlt sich da unweigerlich an eine Aussage von Thomas Staubli erinnert, in der er den Fastenkalender der «Fastenaktion» als trauriges Zeugnis der Verödung des Restchristentums bezeichnet.

In der Tat ist die Ordensregel des heiligen Benedikt weit mehr als eine Anleitung für ökologisch betriebene Landwirtschaft. Benedikt war zunächst und in erster Linie ein Mann des Friedens. Nicht umsonst steht deshalb der Schriftzug «Pax» (von lat. Friede) über dem Eingang vieler Benediktinerklöster. Er war ein Mann der Einheit und der Ganzheit, einer, der, wie es einer seiner Biographen schrieb, wieder zusammenfügte, was zerbrochen war. Seine Friedensbotschaft ist gerade in der heutigen, von Kriegen und Terroranschlägen heimgesuchten Welt so aktuell wie seit langem nicht mehr. Zwei weitere Aspekte der Benediktsregel sind, so will mir scheinen, nicht minder aktuell. Da ist zu einem die spezifisch benediktinische «stabilitas loci» zu nennen: die Verpflichtung, sich vor Ort einer ganz konkreten Gemeinschaft zu verpflichten und sich dort auch spirituell zu verankern. Vor dem Hintergrund einer Gesellschaft, die auf der permanenten Flucht vor sich selbst, vor der eigenen Leere die konsumgetriebene Massenmobilität zur umweltzerstörenden Maxime erhoben hat, wird die Wiederentdeckung dieses spirituellen Erbes geradezu zu einer Überlebensfrage. Und zum andern darf die Grundnorm der Benediktsregel nicht unerwähnt bleiben. Ihr Dreh- und Angelpunkt sozusagen, der da heisst: «Nichts darf dem Gottesdienst vorgezogen werden.»
In einer immer mehr verzweckten und instrumentalisierten Welt, die alles dem Diktat des Profits und der Rendite unterwirft, ist auch dieses spirituelle Erbe des heiligen Benedikt von kapitaler Bedeutung für eine menschenwürdige Zukunft unserer Gesellschaft.


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

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Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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Bemerkungen :

  • user
    Stefan Fleischer 23.03.2024 um 20:26
    «Nachhaltig»
    muss wohl zuerst unser Glaube sein. Er muss stark genug sein um uns sicheren Halt zu geben durch alle Stürme unseres Lebens, bis wir einst Gott sehen, von Angesicht zu Angesicht. Wir müssen ihn aber auch weitergeben können an unsere Nächsten und die kommenden Generationen, welche diese Stütze in ihrem Leben genauso nötig haben um die ewige Heimat zu erreichen. Wehe dem Menschen und der Gesellschaft, wo der Glaube zum Spielzeug, zum Psychopharmakon oder gar zum Wegwerfartikel wird. Das Heil, das wir alle ersehnen, wir so unmöglich, schon hier und jetzt und dann in der Ewigkeit.