Bischof Kiro Stojanov. (Bilder: «Kirche in Not (ACN)»)

Weltkirche

Nordmazedonien: Eine lebendige «kleine Herde»

Bischof Kiro Stojanov ist in Nordmazedonien gleich für zwei Diözesen mit unterschiedlichen Riten verantwortlich – eine Seltenheit. «swiss-cath.ch» sprach mit ihm anlässlich seines Besuchs in der Deutschschweiz über die Kirche in Nordmazedonien.

Bischof Stojanov, könnten Sie uns zunächst einen kurzen Einblick in die Katholische Kirche in Nordmazedonien geben?
Zunächst möchte ich Ihnen für die Gelegenheit danken, Ihren Lesern das Leben der Katholischen Kirche in Mazedonien, den aktuellen sozialen Kontext und die Rolle der Katholischen Kirche in der Gesellschaft näherzubringen.

Die Katholische Kirche in Mazedonien ist in diesen Gebieten seit den Anfängen des Christentums bzw. seit der apostolischen Zeit präsent und empfing das Christentum direkt vom Apostel Paulus, wie es in der Apostelgeschichte beschrieben wird. Die Tatsache, dass Bischof Dakos von Skopje als einer der Kirchenväter erwähnt ist, die 325 am Konzil von Nicäa teilnahmen, zeugt vom Alter und der Bedeutung der Kirche in Mazedonien. Und so kamen und gingen im Laufe der Jahrhunderte Imperien und Königreiche sowie verschiedene andere gesellschaftliche Ordnungen, doch die katholische Kirche blieb über die Jahrhunderte hinweg in diesen Gebieten bestehen.

Heute ist die Katholische Kirche in Mazedonien in zwei Diözesen organisiert, nämlich die Diözese Skopje für Katholiken des Römischen Ritus mit Sitz in Skopje und die Eparchie Strumica-Skopje für Katholiken des ostbyzantinischen Ritus mit Sitz in Strumica. Die meisten Gläubigen des ostbyzantinischen Ritus in Mazedonien haben ihren Ursprung in Kukush und Umgebung, dem heutigen Kilkis in Griechenland. Sie wurden während des Zweiten Balkankrieges aus ihrer Heimat vertrieben.

Die Katholikinnen und Katholiken in Mazedonien sind eine kleine Herde von etwa 20 000 Gläubigen oder 1 % der Gesamtbevölkerung (2 Millionen). Die meisten von ihnen sind in Skopje und Strumica konzentriert.

In der Diözese Skopje gibt es 5 Priester in ebenso vielen Pfarreien. Diese sind auch in mehreren Filialkirchen tätig. In der Eparchie Strumica-Skopje sind 13 Priester tätig, die 9 Pfarreien, mehrere Filialkirchen, eine Seelsorgestelle und den Pilgerort Paljurci betreuen. Es gibt auch einen Priester in Ruhestand. In der Diözese Skopje sind die «Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul» und die Schwestern von Mutter Teresa tätig. In der Eparchie Strumica-Skopje sind die Eucharistinerinnen, eine örtliche Schwesterngemeinschaft, tätig. In beiden Diözesen gibt es zwei kirchliche Bewegungen: die Fokolar-Bewegung und den Neokatechumenalen Weg.

Ich möchte besonders die Rolle der Makedonski Caritas hervorheben, die ein echtes pastorales Instrument der Kirche bei der Betreuung der Armen, Kinder, Jugendlichen, Menschen mit besonderen Bedürfnissen, Kranken, Migranten und Rückkehrern ist und das Gesicht der Kirche widerspiegelt, die immer für Menschen in Not da ist.
Zu den katholischen Medien gehören die Internetseite Katolici.mk, Radio Maria und Vatikan News in mazedonischer Sprache.
Auf jeden Fall handelt es sich um eine lebendige «kleine Herde», die mit ihren Aktivitäten ein christliches Zeugnis in der Gemeinschaft ablegt und ein Beispiel für ein christliches Leben in einer Gesellschaft ist, die immer mehr von Konsummentalität, Individualismus und Gleichgültigkeit geprägt ist.

Sie sind sowohl für die Gläubigen des lateinischen wie auch des byzantinischen Ritus zuständig. Zwischen der Römisch-Katholischen Kirche und der Griechisch-Katholischen Kirche gibt es einige Unterschiede wie z. B. das Datum der Feiertage. Wie erleben Sie diese Situation?
In der Katholischen Kirche in Mazedonien gibt es einen Bischof, der für die beiden Diözesen verantwortlich ist, und diese Aufgabe, der Kirche zu dienen, wird derzeit von mir wahrgenommen. Die Diözesen haben zwei verschiedene Riten: römisch und byzantinisch. Zwei Bistümer mit zwei verschiedenen Riten, die von einem Bischof geleitet werden, sind wahrscheinlich weltweit einzigartig oder zumindest sehr selten. Trotz der unterschiedlichen Riten und der Verwendung von zwei Kalendern, dem Julianischen und dem Gregorianischen, und natürlich einigen anderen Details, die ihren Riten eigen ist, möchte ich bei dieser Gelegenheit betonen, dass die Vielfalt der Riten und Kalender die Breite und der Reichtum der Katholische Kirche ist. Deshalb halten wir es für einen Vorteil und wichtig ist, dass es aufgrund des Ritus keine Spaltungen unter den Gläubigen gibt, sondern wir uns alle als Mitglieder der einen heiligen katholischen und apostolischen Kirche fühlen und diese Einheit in Vielfalt leben – als unseren normalen Alltag. Als Gläubige und als Kirche sprechen wir immer von der Katholischen Kirche

Ich bin dem Heiligen Vater dankbar, dass er unsere kirchliche Realität kennengelernt hat, und möchte bei dieser Gelegenheit besonders die Worte von Papst Franziskus während seines Besuchs in Mazedonien am 7. Mai 2019 hervorheben, wo er in der Kathedrale von Skopje Priester, ihre Familien und gottgeweihte Personen traf und dabei sagte: «Vielen Dank für die Gelegenheit, die sie mir gegeben haben, sie kennenzulernen. Mit besonderer Dankbarkeit lebe ich diesen Moment, in dem ich sehen kann, wie die Kirche mit ihren beiden Lungen atmet – das heisst, wie die beiden Riten – der lateinische und der byzantinische – gemeinsam mit dem immer neuen und erneuernden Geist des Heiligen Geistes erfüllt werden. Die beiden Lungenflügel sind sehr notwendig, sie ergänzen sich und helfen einander, die Schönheit des Herrn besser zu erfahren. Wir danken für die Gelegenheit, gemeinsam mit voller Lunge zu atmen, wie gut Gott mit uns ist.»

Es ist überhaupt nicht einfach, aber wenn wir die Werke und alles betrachten, was Gott in der Katholischen Kirche in Mazedonien tut, erleben wir täglich und aufs Neue, dass er die Kirche durch alle Herausforderungen führt.
 


In Mitteleuropa schwindet der Glaube. Wie sind die Verhältnisse in Ihrem Land?
Es ist eine Tatsache: Nicht nur Mitteleuropa oder Westeuropa, sondern vor allem die sogenannte «westliche Zivilisation», zu der Mazedonien auch gehört, übernimmt zunehmend Werte, die nicht mit dem Christentum vereinbar sind; traditionelle moralische Werte werden unterdrückt und die von der Kirche vertretenen Werte haben immer weniger Einfluss auf die Gestaltung des zeitgenössischen Denkens. Die Gesellschaft unterstützt das christliche Leben nicht mehr, sondern im Gegenteil erschwert es. Und es ist wirklich schwierig, den Glauben an Christus in einem sozialen und kulturellen Kontext zu leben, der eine solche Lebensweise kritisiert und ablehnt.

Aber höchstwahrscheinlich kann da auch Kraft für die Erneuerung der Kirche sein, weil die Gläubigen in Zukunft ihren Glauben nicht aus Quellen kultureller Tradition und ritueller Formen schöpfen werden, die kein Leben in Christus bringen. In Zukunft müssen sie sich durch eine persönliche Suche nach Gott und einer Begegnung mit ihm durchkämpfen, natürlich mit Unterstützung der Kirche.

Die Herausforderungen, vor denen die Länder in Mitteleuropa oder Westeuropa stehen, sind bei uns ähnlich oder gleich oder werden einige Jahre später auftreten. Möglicherweise haben wir einen kleinen Vorteil: Wir können voraussehen, was unsere nächste Herausforderung sein wird und entsprechend unseren Kapazitäten und Ressourcen, nach Wegen zur Bewältigung dieser Herausforderungen suchen.

Hier stellt sich natürlich die Frage: Wie kann eine kleine Herde auf solche globalen Herausforderungen reagieren? Genau hier brauchen wir die Unterstützung der «grösseren Herden» und Glaubensbrüder.

Welche Schwerpunkte setzen Sie als Bischof in Ihrem Bistum?
Die Prioritäten und Bedürfnisse der Kirche sind gross und äusserst vielfältig. Wir können, sollen und wir entwickeln die unterschiedlichsten Programme und Strategien für pastorales Handeln, aber es gibt Dinge, die immer absolute Priorität haben.

Dazu gehört zunächst das geistliche Leben in den Pfarreien, insbesondere das persönliche und gemeinschaftliche Gebet sowie das Gebet in den Familien. Von dort kommt Gottes Gnaden für die Bedürfnisse der Kirche, sei es für geistliche Berufungen oder die Katechese oder für einen anderen Aspekt der Seelsorge oder des Lebens der Kirche. Deshalb habe ich als Bischof dieser Ortskirche bereits ein «Jahr des Gebets» (2016) und ein «Jahr der Familien» (2014) gewidmet, um das Gebetsleben zu vertiefen und Familien im Glauben zu stärken. Wir tun dies weiterhin durch vielfältige Aktivitäten in den Pfarreien. Ich freue mich besonders, dass Papst Franziskus dieses Jahr zum «Jahr des Gebets» erklärt hat, was die Bedeutung des Gebets im christlichen und kirchlichen Leben nur bestätigt hat.

Mein bischöfliches Motto lautet: «Lasst uns eins sein.» Ich glaube, dass die Einheit zwischen den Gläubigen, zwischen den Geistlichen und die Zusammenarbeit mit den anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften in Mazedonien von äusserst grosser Bedeutung ist, wenn wir als Kirche und Gesellschaft vorankommen wollen.

Die Kirche in Nordmazedonien stellt eine Minderheit dar. Inwiefern spielt sie dennoch eine Rolle im Land?
Zwar ist die Katholische Kirche eine Minderheit, aber in allen wichtigen Prozessen der Gesellschaft ist sie ein glaubwürdiger Partner. Dies wird durch die Verfassung Mazedoniens selbst bestätigt, in der die Katholische Kirche zusammen mit den anderen vier Religionsgemeinschaften erwähnt wird. Sie beteiligt sich aktiv am «Interreligiösen Rat» und leistet ebenso mit anderen Religionsgemeinschaften ihren Beitrag zum Wohl der Gesellschaft, indem sie ihre Ansichten – auch gemeinsam mit anderen Religionsgemeinschaften – zu Themen, die den Menschen, der Gemeinschaft oder der Gesellschaft zugutekommen, klar zum Ausdruck bringt.

Obwohl die Katholische Kirche in Nordmazedonien eine Minderheit darstellt, ist sich die Gesellschaft der Grösse und Verbreitung der Katholischen Kirche in der Welt bewusst. Ebenso ist sie sich der Erfahrungen und Bedeutung, die die Katholische Kirche in sozialer, pädagogischer und gesundheitlicher Hinsicht hat, bewusst.

Sie sind aktuell als Gast von «Kirche in Not» in der Schweiz. Die Hilfsorganisation ist eine wichtige Stütze für die Kirche in Nordmazedonien. Gibt es konkrete Projekte, die Sie in nächster Zeit in Angriff nehmen möchten?
Ich möchte «Kirche in Not» für die Unterstützung und Hilfe danken, die die Kirche in Mazedonien in den vergangenen Jahren erhalten hat. Die Bedürfnisse der Kirche in Mazedonien sind gross, aber zunächst möchte ich auf die Notwendigkeit hinweisen, die Kirche in Kumanovo zu bauen, mit der bereits begonnen wurde. Die Gläubigen warten einfach darauf, dass ihr Haus Gottes fertiggestellt wird. Derzeit wird ein gemieteter Raum für den Gottesdienst genutzt, der feucht ist und nur begrenzte Möglichkeiten für die pastorale Arbeit bietet.

Der Ort Paljurci in der Nähe von Bogdanci ist für die Gläubigen von grosser Bedeutung: Er ist der einzige Wallfahrtsort in Mazedonien. Es ist ein Ort, den der Apostel Paulus auf seinen Reisen besuchte. Viele Gläubige pilgern dorthin und es ist deshalb notwendig, eine Kirche zu bauen, die dem heiligen Paulus geweiht sein wird, sowie die dazugehörigen Räumlichkeiten.

Natürlich stehen auch Renovierungen von Kirchen und Gemeinderäumen an, aber ebenso wichtig sind die Projekte der Mazedonischen Caritas für Menschen in Not, für Jugendlager und für die Alten- und Krankenpflege.
 

Kiro Stojanov (* 1959) 1999 Weihbischof, seit 2005 Bischof von Skopje. Mit der Erhebung des Exarchats Mazedonien zur Eparchie Mariä Verkündigung Strumica-Skopje 2018 wurde er zu deren erstem Diözesanbischof ernannt.

 

Bischof Kiro Stojanov ist vom 28. Februar bis zum 3. März in verschiedenen Pfarreien der Deutschschweiz zu Gast. Termine

 


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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