Kardinal Gerhard Ludwig Müller. (Bild: zVg)

Weltkirche

Offe­ner Brief von Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler: Kri­tik am neuen Prä­fek­ten des Dikas­te­ri­ums für die Glaubenslehre

In einem offe­nen Brief kri­ti­siert der ehe­ma­lige Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­tion, Kar­di­nal Ger­hard Lud­wig Mül­ler, Aus­sa­gen von Kar­di­nal Vic­tor Manuel Fernán­dez, dem aktu­el­len Prä­fek­ten des «Dikas­te­ri­ums für die Glau­bens­lehre». Kon­kret geht es um des­sen Ant­wort auf die «Dubia» des eme­ri­tier­ten Erz­bi­schofs von Prag, Kar­di­nal Domi­nik Duka.

Kardinal Duka hatte am 13. Juli 2023 im Namen der tschechischen Bischofskonferenz eine Anfrage mit Zweifeln (Dubia) eingereicht. Dabei ging es um die praktische Umsetzung des Apostolischen Schreibens «Amoris laetitia» aus dem Jahr 2016, konkret um die pastorale Empfehlung für den Kommunionempfang von geschiedenen Wiederverheirateten, also Menschen, die sakramental verheiratet, aber zivil geschieden und neu mit einem anderen Partner verheiratet sind.

Papst Franziskus hatte durch die kontrovers diskutierte Fussnote 351 erlaubt, dass in Einzelfällen wiederverheiratete Paare nach Rücksprache mit ihrem Seelsorger die Sakramente der Versöhnung und Kommunion empfangen können, ohne dass sie sexuell enthaltsam leben. Die Eucharistie sei keine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein grosszügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen. Die Deutung dieser Aussage war umstritten, weshalb die Kardinäle Carlo Caffarra, Raymond Burke, Walter Brandmüller und Joachim Meisner den Papst in einer «Dubia» um Klarstellung baten. Eine Antwort erhielten sie jedoch nie.

Die Richtlinien der Bischöfe von Buenos Aires
Die Bischöfe der Region Buenos Aires hatten sich September 2016 in einer Stellungnahme für die Kommunion für geschiedene Wiederverheiratete ausgesprochen. Papst Franziskus erklärte in einem Brief, die Richtlinien der argentinischen Bischöfe seien die «einzig mögliche Interpretation» seines Schreibens.

Mit der Veröffentlichung des Briefes von Papst Franziskus am 7. Oktober 2016 in der «Acta Apostolicae Sedis», zusammen mit einem «Rescriptum», wurden diese Richtlinien zum «magisterium authenticum» erhoben.

Am 25. September erhielt Kardinal Duka die Antwort des «Dikasteriums für die Glaubenslehre», unterzeichnet von Papst Franziskus und dem neuen Präfekten, Kardinal Víctor Manuel Fernández. Der Präfekt stützt sich in seiner Antwort auf das erwähnte «Rescriptum».

Kardinal Gerhard Ludwig Müller hat sich nun in einem offenen Brief an Kardinal Duka gewandt und sich mit der Antwort des Präfekten unter anderen wie folgt kritisch auseinandergesetzt.[1]

«Laut der ‹Antwort› [des Präfekten] gehört dieser Text aus Buenos Aires zum ordentlichen päpstlichen Lehramt und wurde vom Papst selbst angenommen. In der Tat erklärte Franziskus, dass die von den Bischöfen von Buenos Aires vorgelegte Interpretation die einzig mögliche Auslegung von Amoris Laetitia sei. Die ‹Antwort› [des Präfekten] zieht daraus die Konsequenz, dass man diesem Dokument von Buenos Aires die religiöse Zustimmung des Verstandes und des Willens geben muss, wie es bei anderen Texten des ordentlichen Lehramtes des Papstes geschieht (vgl. Lumen Gentium, 25,1).» Aus formaler Sicht sei es fragwürdig, die religiöse Zustimmung des Verstandes und des Willens zu einer theologisch zweideutigen Interpretation einer partiellen Bischofskonferenz zu verlangen, «die ihrerseits eine erklärungsbedürftige Aussage von Amoris Laetitia interpretiert und deren Kohärenz mit der Lehre Christi (Mk 10,1–12) infrage steht».

Der Text aus Buenos Aires stehe im Widerspruch mit der Lehre von Johannes Paul II. (Familiaris Consortio, 84) und Benedikt XVI. (Sacramentum Caritatis, 29), obwohl Präfekt Fernández in seiner «Antwort» schreibe, diese Auslegung von «Amoris Laetitia» stehe in Kontinuität mit früheren Päpsten. Kardinal Müller wörtlich:

«Die Überraschung ist umso grösser, als die ‹Antwort› versucht, sich auf Johannes Paul II. zu stützen, um zu argumentieren, dass die Entscheidung dem einzelnen Gläubigen obliegt, wobei sie die Tatsache verschweigt, dass der zitierte Text von Johannes Paul II. der ‹Antwort› direkt entgegensteht. In der Tat zitiert die ‹Antwort› Ecclesia de Eucharistia, 37b, wo es in bezug auf den Empfang der Eucharistie heisst: ‹Das Urteil über den Gnadenstand steht natürlich nur dem Betreffenden zu, da es eine Gewissensentscheidung ist.› Aber sehen wir uns den später von Johannes Paul II. hinzugefügten Satz an, der in der ‹Antwort› nicht zitiert wird und der sich als Hauptgedanke dieses Absatzes aus Ecclesia de Eucharistia herausstellt: ‹In Fällen jedoch, in denen ein äusseres Verhalten ernsthaft, offenkundig und dauerhaft gegen die sittliche Norm verstösst, kann die Kirche in ihrer pastoralen Sorge um die gute Ordnung der Gemeinschaft und um die Achtung des Sakraments nicht umhin, sich in Frage gestellt zu fühlen. Die Norm des Codex des kanonischen Rechts über die Nichtzulassung zur eucharistischen Gemeinschaft derjenigen, die hartnäckig in einer offenkundigen schweren Sünde verharren, bezieht sich auf diese Situation der offenkundigen moralischen Untauglichkeit› (ebd.). Wie man sieht, hat das Glaubensdikasterium (DDF) die Prämisse des Textes von Johannes Paul II. ausgewählt, aber die Hauptschlussfolgerung weggelassen, die der These des DDF entgegensteht. Wenn das DDF eine Lehre präsentieren will, die im Gegensatz zu der des heiligen Johannes Paul II. steht, dann sollte sie zumindest nicht versuchen, den Namen und die Autorität des heiligen Papstes zu benutzen. Es wäre besser, ehrlich einzugestehen, dass Johannes Paul II. nach Ansicht des DDF mit dieser Lehre seines Lehramtes falsch lag.»

Kardinal Müller geht in seinem offenen Brief noch auf eine weitere Ungereimtheit ein und stellt fest: «Wie wir sehen, ist die hermeneutische Frage nicht gelöst, obwohl Papst Franziskus das Dokument von Buenos Aires als die einzig mögliche Interpretation von Amoris Laetitia dargestellt hat, denn es gibt immer noch unterschiedliche Interpretationen des Dokuments von Buenos Aires.»

Exakte Definition eines Schismas
Doch die «Antwort» des Glaubensdikasteriums enthält auch Lehren, die im Gegensatz zum Glaubensgut stehen.

«Der erste Punkt berührt die Frage: Wer entscheidet über die Möglichkeit der Erteilung der sakramentalen Absolution an Geschiedene in zweiter Ehe am Ende des Unterscheidungsprozesses? […] In der Tat muss nach dem Glaubensdikasterium die endgültige Entscheidung von jedem Gläubigen nach seinem Gewissen getroffen werden (Nr. 5). Daraus folgt, dass der Beichtvater lediglich dieser Gewissensentscheidung gehorcht. […] Es sind die Gläubigen selbst, die entscheiden, ob sie die Absolution erhalten oder nicht, und der Priester muss diese Entscheidung nur akzeptieren! Wenn dies generell für alle Sünden gilt, dann verliert das Sakrament der Versöhnung seine katholische Bedeutung. Es ist nicht mehr die demütige Bitte eines Menschen um Vergebung, der vor einem barmherzigen Richter steht, der die Autorität Christi selbst empfängt, sondern es ist die Lossprechung von sich selbst, nachdem man sein eigenes Leben erforscht hat. Dies ist nicht weit entfernt von einer protestantischen Sicht des Sakraments, die von Trient verurteilt wurde, indem sie auf der Rolle des Priesters als Richter in der Beichte besteht (vgl. DH 1685; 1704; 1709).»

«Die zweite Neuerung in der ‹Antwort› besteht darin, dass jede Diözese ermutigt wird, ihre eigenen Leitlinien für diesen Unterscheidungsprozess zu erstellen. Daraus ergibt sich eine unmittelbare Schlussfolgerung: Wenn die Richtlinien unterschiedlich sind, wird es passieren, dass Geschiedene die Eucharistie nach den Richtlinien einer Diözese empfangen können, aber nicht nach denen einer anderen. Die Einheit der katholischen Kirche bedeutete von Anfang an die Einheit beim Empfang der Eucharistie: Da wir dasselbe Brot essen, sind wir derselbe Leib (vgl. 1 Kor 10,17). Wenn ein katholischer Gläubiger die Kommunion in einer Diözese empfangen kann, kann er sie in allen Diözesen empfangen, die in Gemeinschaft mit der Weltkirche stehen. Das ist die Einheit der Kirche, die auf der Eucharistie beruht und in ihr zum Ausdruck kommt. Daher ist die Tatsache, dass eine Person die Kommunion in einer Ortskirche empfangen kann und in einer anderen nicht, eine genaue Definition des Schismas.»

Kardinal Müller hält zum Schluss fest, dass durch die «Antwort» das eigentliche «Dubium» nicht geklärt ist. Er zweifelt auch an der Autorität der «Antwort», da Papst Franziskus den Text nicht mit der üblichen Formulierung genehmigt  – «Der Heilige Vater billigt den Text und ordnet seine Veröffentlichung an (oder erlaubt sie)» –, sondern nur mit einer einfachen datierten Unterschrift am Seitenende.

 


[1] Deutsche Übersetzung gemäss «Katholisches» https://katholisches.info/2023/10/13/lehrt-der-neue-glaubenspraefekt-dass-sich-die-suender-selbst-lossprechen-koennen/; vgl. Settimo cielo (Italienisch)

 


Redaktion


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    Daniel Ric 14.10.2023 um 08:51
    Die Frage, wie mit wiederverheirateten Geschiedenen pastoral umgegangen werden soll, ist wirklich schwierig. Schlussendlich ist es bereits jetzt so, dass kein Priester jemandem die Kommunion verweigert. Daher entscheidet jeder Gläubige selber, ob er zur Kommunion geht oder nicht. Es ist wichtig, dass eine wirkliche Pastoral entsteht, bei der Menschen in solchen Situationen betreut werden. Anders als bei der LGBT-Gemeinschaft ist dies keine Randgruppe, die nur aus wenigen Menschen besteht, bei denen viele gar kein Bedürfnis nach Kirche haben, sondern eine grössere Gruppe. Viele Menschen leiden ihr ganzes Leben an einer zerbrochenen Ehe. Die Kirche muss diesen Menschen beistehen, ohne dass dabei das Ideal der Unauflöslichkeit der Ehe relativiert wird.