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Kommentar

Organ­ent­nahme: Gericht­li­che Klä­rung notwendig

Der Man­gel an Spen­der­or­ga­nen ist eine Tat­sa­che. Dies kann jedoch nicht bedeu­ten, dass Men­schen Organe ent­nom­men wer­den, deren Tod nicht ein­wand­frei nach­ge­wie­sen ist. Eine gericht­li­che Klä­rung ist drin­gend erforderlich.

Es gibt zwei Arten der Organentnahme: die erste knüpft beim Hirntod an, die zweite beim Herztod. Für beide Arten der Organentnahme ist von Gesetzes wegen die vorgängige Todesfeststellung erforderlich. Diese darf erst erfolgen, wenn die Voraussetzungen gemäss Art. 9 Transplantationsgesetz erfüllt sind: «Der Mensch ist tot, wenn die Funktionen seines Hirns einschliesslich des Hirnstamms irreversibel ausgefallen sind.»

Wird bei der zweiten Art der Organentnahme, sprich nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand, nach einer fünf-minütigen Wartefrist der Hirntod festgestellt, gilt der betreffende Mensch als tot. Der Herzchirurg Thierry Carrel behauptet in seinem NZZ-Gastbeitrag vom 28. Juli 2023, damit sei die unabdingbare gesetzliche Voraussetzung der Organentnahme, nämlich die Irreversibilität des Ausfalls der Gehirnfunktionen, erfüllt. Doch genau dieser Sachverhalt ist zweifelhaft. Thierry Carrel argumentiert u. a. damit, dass die neue Art der Organentnahme (= Versorgung der entnommenen Organe ausserhalb des Körpers mit Blut und Sauerstoff) «in unseren Nachbarländern erfolgreich angewandt» werde. Diese Behauptung ist nachweislich falsch. So ist in Deutschland die Organentnahme nach Herz-Kreislauf-Stillstand nach wie vor verboten. Gerade deshalb, weil die in diesem Zusammenhang vorgenommene Todesfeststellung nach fünf-minütiger Wartefrist gemäss Bundesärztekammer zweifelhaft ist. Thierry Carrel geht auch nicht auf den Umstand ein, dass nach erfolgter Todesfeststellung die Blutzufuhr zum Gehirn aktiv verhindert wird. Weshalb ist, so ist zu fragen, eine solche Massnahme erforderlich, wenn der Tod nach fünf-minütiger Wartefrist mit Sicherheit feststeht? Die vielsagende Antwort geben die Transplantationsmediziner gleich selbst: Es soll verhindert werden, dass die Durchblutung des Gehirns während des Eingriffs wiederhergestellt wird. Würde dies geschehen, könnte es zu einer sogenannten Autoreanimation kommen, d. h. Funktionen des Gehirns wie z. B. die Schmerzempfindung könnten zurückkehren (vgl. Fachzeitschrift «Transplant International» [2020; 33: 76–88]).

Kommt hinzu, dass die Wartefrist nach dem Herz-Kreislauf-Stillstand im Jahre 2017 von der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften von zehn auf fünf Minuten halbiert wurde, ohne die Öffentlichkeit darüber zu informieren.

«Human Life International» (HLI Schweiz) und «Äpol» (Ärzte und Pflegefachpersonen gegen Organspende am Lebensende) haben deshalb bei den zuständigen Staatsanwaltschaften Zürich, Bern und Lausanne Strafanzeige eingereicht, um die fällige Abklärung der Legalität der Organentnahme nach Herz-Kreislauf-Stillstand in die Wege zu leiten (vgl. auch Replik «Transplantation und Todesfeststellung» in der NZZ vom 4. August 2023). In der Tat darf es nicht sein, dass nicht toten, sondern sterbenden Menschen Organe entnommen werden.


Redaktion


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  • user
    Michael Dahinden, Riemenstalden 06.08.2023 um 21:45
    Kann man sowas eigentlich an Minuten festbinden? Einzelfälle sind auch nach längerem "Herz- und Hirntod" doch wieder zurückgekommen, andererseits konnten schon viele Patienten dank funktionstüchtigen Organen noch viele Jahre gesund weiterleben, während die Spender nach kurzer Zeit endgültig gestorben wären.
    Die Lösung wird bis auf weiteres darin bestehen, dass im besten Fall der Einzelne eine Entscheidung für sein eigenes Ableben treffen sollte. Die katholische Variante gibt es nicht. Man muss zwar Ehrfurcht vor dem eigenen Leben, vor Gott und vor sogenannten "Nahtoderfahrungen" sowie vor dem eigenen Leib haben dürfen, andererseits darf man auch Leben retten bzw. an Lebensrettungen teilnehmen. Die Leute sollten dies selber entscheiden können, meiner Empfehlung nach gemäss einer Rücksprache mit dem persönlichen Seelsorger.