Einzug in Jerusalem. Martin Schongauer, um 1480. Unterlinden Museum, Colmar. (Bild: Txllxt TxllxT, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

Neuevangelisierung

Palm­sonn­tag – Wer ist Chris­tus für uns?

Mit dem Palm­sonn­tag beginnt die Hei­lige Woche, die uns durch Lei­den und Tod Jesu Christi zur Auf­er­ste­hung führt. Die Lit­ur­gie steht ganz in der Span­nung des kom­men­den Geschehens.

Jesus befindet sich kurz vor dem Paschafest auf dem Weg nach Jerusalem. Er reitet auf einem Esel, den er sich ausgeliehen hat. Bei seinem Anblick kommt den Jüngern und den anderen Pilgern vermutlich der Text aus Sacharja in den Sinn: «Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir. Gerecht und siegreich ist er. Demütig ist er und reitet auf einem Esel, ja, auf einem Esel, dem Jungen einer Eselin» (Sach 9,9), denn sie nehmen ihre Mäntel und legen sie auf die Strasse vor Jesus auf den Boden; andere schneiden Zweige ab. Sie begleiten Jesus und rufen «Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn! Gesegnet sei das Reich unseres Vaters David, das nun kommt. Hosanna in der Höhe!» Diese Verse aus Psalm 118, mit denen Pilger begrüsst wurden, die zum Fest nach Jerusalem kamen, sind hier an den Messias gerichtet, der endlich sein Volk besucht. Die Freude der Menge ist gross. Endlich kommt der versprochene Retter, der sein Volk befreien wird.

Doch genau hier ist das Problem. Die Menschen haben ihre je eigene Vorstellung, wie der Messias, der König sein muss. Jesus aber kommt nicht wie von den meisten erhofft als mächtiger Herrscher hoch zu Ross, sondern demütig auf einem Esel reitend als Friedensfürst. Die Stimmung kippt bald – nur wenige Tage später wird die Menge rufen: «Ans Kreuz mit ihm!»

Vom Lobpreis zum Leiden
Die Liturgie des Palmsonntags beginnt mit der Weihe der Palmzweige vor der Kirche:

«Allmächtiger, ewiger Gott, segne diese (grünen) Zweige, die Zeichen des Lebens und des Sieges, mit denen wir Christus, unserem König, huldigen. Mit Lobgesängen begleiten wir ihn in seine heilige Stadt; gib, dass wir durch ihn zum himmlischen Jerusalem gelangen, der mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit.»

Das Gebet spricht von Christus als unserem König – dem ewigen König, der uns den Weg ins himmlische Jerusalem weist und uns dereinst dort empfangen wird.
Die Gläubigen ziehen mit den gesegneten Palmen singend in die Kirche ein: «Gloria, laus et honor tibi sit, Rex Christe, Redemptor, cui puerile decus prompsit Hosanna pium» (Ruhm und Preis und Ehre sei Dir, Erlöser und König. Jubelnd rief einst das Volk sein Hosianna Dir zu).

Doch mit dem Einzug in die Kirche kippt die Stimmung. Bereits das Tagesgebet spricht vom Kreuz und die erste Lesung aus dem Buch Jesaja (Jes 50,4–7) erzählt vom Leiden des Jünger Gottes: «Ich aber wehrte mich nicht und wich nicht zurück. Ich hielt meinen Rücken denen hin, die mich schlugen, und meine Wange denen, die mir den Bart ausrissen. Mein Gesicht verbarg ich nicht vor Schmähungen und Speichel.» Der Antwortpsalm mit dem Kehrvers «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?» vertieft das Gehörte nochmals in schwer erträglicher Weise.
Die zweite Lesung (Phil 2,6–11) überträgt das Leiden auf Christus, der sich für uns erniedrigt hat und seinem Vater gehorsam war, «gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz». Der Philipperhymnus endet mit einem kurzen Ausblick auf Ostern, bevor unser Blick wieder auf das kommende Leiden Christ gerichtet wird: «Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der grösser ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihr Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: ‹Jesus Christus ist der Herr› – zur Ehre Gottes, des Vaters».
Die Passionsgeschichte nimmt uns konkret hinein in das Leiden und Sterben unseres Herrn Jesus Christus, das uns in der Heiligen Woche begleiten wird.

Eine drängende Frage
Der Palmsonntag stellt uns die Frage: «Wer ist Jesus Christus für uns? «Das ist eine entscheidende Frage, die wir nicht umgehen können, um so weniger, als wir gerade in dieser Woche aufgefordert sind, unserem König zu folgen, der als Thron das Kreuz wählt; einem Messias zu folgen, der uns nicht ein einfaches irdisches Glück zusichert, sondern das Glück des Himmels, die Seligkeit Gottes» (Benedikt XVI. in seiner Predigt am Palmsonntag 2012).

Der Palmsonntag führt uns vom Lobpreis zum Leiden. Doch wir bleiben nicht beim Leiden stehen, da wir wissen, dass Christus durch sein Leiden unsere Erlösung bewirkt hat; er schenkt uns sein Leben: seinen Leib und sein Blut. In der Eucharistie bleiben wir mit ihm verbunden. Dieses wunderbare und staunenswerte Geschenk bewirkt in uns eine grosse Dankbarkeit, die uns zu einer Antwort drängt.

Der heilige Andreas von Kreta hat dies in seiner Homilie zum Palmsonntag wie folgt ausgedrückt:

«Auf denn! Auch wir wollen gemeinsam mit Jesus laufen und die nachahmen, die ihm vorangegangen sind. Nicht so, dass wir Ölbaumzweige, Teppiche und andere Dinge ausbreiten oder dass wir Palmzweige auf dem Weg streuen, sondern so, dass wir uns selbst nach Möglichkeit demütig, aufrichtig und fest entschlossen darbieten, um das Wort, das zu uns kommt, zu empfangen, und so, dass Gott in uns Aufnahme findet, er, der niemals räumlich eingegrenzt werden kann.
[…] So wollen wir uns selbst vor Christus hinlegen, also nicht Kleider oder leblose Zweige, nicht Sträucher und Stroh, nicht Nahrungsmittel, die verderben und nur für wenige Stunden unsere Augen erfreuen, sondern bekleidet mit seiner Gnade, ganz und gar mit ihm: ‹Alle, die ihr auf Christus getauft seit, habt Christus angezogen.› Wir wollen uns darum wie ausgebreitete Kleider vor seinen Füssen ausbreiten.
[…] Auch wir wollen an den einzelnen Tagen die heilige Stimme mit den Kindern von Jerusalem erheben und mit den geistlichen Zweigen unserer Seele ihm zuwinken: ‹Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn, der König Israels!›»[1]

 


[1] Oratio 9 in ramos palmarum, PG 97, 990-994.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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Bemerkungen :

  • user
    Stefan Fleischer 23.03.2024 um 16:49
    Wer ist Christus für uns, für mich?
    Das ist die Frage. Mir scheint, ER sei heute in unserer Kirche alles Mögliche, nur nicht mehr wahrhaft Gott, der ewige Sohn des ewigen Vaters, unser Heiland und Erlöser aus Sünde und Schuld und jener absolut gerechte Richter, der kommen wird, zu richten die Lebenden und die Toten. Nur allzu viele vergessen, dass seine unendliche Liebe und Barmherzigkeit zu uns in diesem Rahmen gesehen werden muss. Viele verdrängen, dass wir Menschen die Freiheit haben (und oft auch ausnützen) seine allgütige Hand abzuweisen, ihm unser «non serviam» entgegen zu schleudern, und dass dies schwerwiegenden Folgen, bis hin zum ewigen Todes haben kann. Wir müssen wieder lernen, als Diener Gottes unseren Weg zu gehen, nicht als unser eigener Herr und Meister. Das ist das wahre Glück hier auf Erden.