Der Nidarosdom in Trondheim: Ziel aller Routen des Sankt-Olavsweg. (Bild: Molde20/Wikimedia Commons)

Hintergrundbericht

Pil­gern auf dem Sankt-​Olavsweg

Abseits des Pil­ger­booms nach San­tiago de Com­pos­tela ent­de­cken Men­schen auch die Sankt-​Olavswege in Skan­di­na­vien. Der bekann­teste führt von Nor­we­gens Haupt­stadt Oslo nach Trond­heim – mit atem­be­rau­ben­den Naturerlebnissen.

«Dieser Weg will wirklich erarbeitet werden», sagt Tim bei der ersten Rast auf 1000 Metern Höhe oberhalb der Baumgrenze. Vor ihm erstreckt sich das Hochplateau des Dovrefjells in Nebelschwaden; und beim Blick zurück lässt die Morgensonne das gut 200 Kilometer lange Gudbrandstal in saftigem Grün schimmern. Der Student aus Hamburg, der schon zu Fuss nach Santiago de Compostela pilgerte, ist begeistert: «Landschaftlich ist es hier einfach unglaublich!»
Der «Gundbrandsdalsleden» ist eine von acht Routen der Sankt-Olavswege, die alle zum Nidarosdom in Trondheim führen. Im Mittelalter war das Grab des heiligen Olav neben Rom und Santiago de Compostela das drittwichtigste Pilgerziel Europas.

Wikinger, König und Missionar
Der heilige Olav (auch Olaf) Haraldsson wurde im Jahr 995 geboren. Er war der Sohn eines wikingischen Kleinkönigs und unternahm schon in jungen Jahren Räuberfahrten in die Ostsee, nach Dänemark, Holland und England. Als er im Dienst des englischen Königs Ethelred II. stand, lernte er das Christentum kennen und liess sich 1013/14 in Rouen (Frankreich) taufen. Er kehrte in seine Heimat zurück. Dort gelang es ihm, viele kleine Königtümer zu vereinen und die Dänen aus dem Land zu vertreiben. 1016 liess er sich zum König von ganz Norwegen ausrufen.
 


Olav holte Missionare ins Land, liess Kirchen bauen sowie Götzenbilder und heidnische Heiligtümer beseitigen. Gleichzeitig führte er soziale Gesetze ein, u. a. eine Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen und das Verbot der Ehe unter nahen Verwandten. Olav wird eine entscheidende Rolle bei der Christianisierung Norwegens Anfang des 11. Jahrhunderts zugeschrieben.

Durch die Heirat mit Astrid, der Tochter des Königs Olaf I. von Schweden, erreichte Olav ein Bündnis mit Schweden. Aber 1027 kam der dänische König Knud mit einer englisch-dänischen Flotte in Norwegen an und besiegte Olav; dieser floh mit seinem Sohn Magnús zum Grossfürsten von Kiew. Beim Versuch, sein Königreich zurückzuerobern, starb Olav 1030 in der Schlacht von Stiklestad. Die Axt, die Olav tötete, ist bis heute in Norwegens Staatswappen enthalten.

Allein mit Gott und der Natur
Es sind die Gesetze der Natur, durch die der «Gundbrandsdalsleden» mit einem spricht: Gut zehn Kilometer Höhenunterschied wollen unterwegs überwunden werden. Und auch im Sommer ist das Wetter in Skandinavien bisweilen eine launische Diva. Nicht selten gehören bis Juni oder ab September Schneefelder zu den Wegmarken auf dem Dovrefjell. Sonne und Wolken, Wind und Regen wechseln häufig – gerne auch binnen einer Tagesetappe. Nicht leicht, den Wanderrucksack allen Bedingungen anzupassen. Hier kommt nur vorwärts, wer die Verbindung zur Natur sucht.

Auf dem Hochplateau Dovrefjell warten die wohl schwierigsten Etappen des Weges. Die rund 80 Kilometer führen durch eine einsame, karge Höhenlandschaft, meist oberhalb der Baumgrenze. Wer Ruhe sucht, wird sie hier finden. Gerade diese Abgeschiedenheit wurde für Pilger Jörg zum Highlight seiner Tour: «Wenn man will, kann man auf dem Jakobsweg immer mit anderen Menschen sprechen. Auf dem Dovrefjell bleibt eigentlich nur das Gespräch mit Gott, dem Wind und sich selbst.»
 


Seit Papst Johannes Paul II. 1982 und der Europarat 1987 zu einer Wiederbelebung der Jakobswege aufriefen, hat überall auf dem ganzen Kontinent eine Renaissance des Pilgerns eingesetzt. 1997 wurden auch die Sankt-Olavswege wiederbelebt. Die bekannteste Route ist die 643 Kilometer lange Strecke von Oslo durch das malerische Gundbrandsdal – der «Gundbrandsdalsleden». Die Zahlen sind mit knapp 2000 Langstreckenpilgern weit entfernt von den rund 300 000 Jakobspilgern pro Jahr. Wer sich auf den Weg macht, muss also gut mit sich allein auskommen können.

Vor verschlossenen Türen
Ungewohnt für Pilger: Die meisten Kirchengebäude unterwegs sind verschlossen. Norwegen ist protestantisch geprägt, und Pilgern war nach der Reformation 1537 faktisch verboten. Seit der Wiederbelebung ist man aber sehr aktiv, betreibt selbst Herbergen und hat mehrere Pilgerseelsorger. Meist lässt sich mit etwas Recherche auf der offiziellen Pilgerseite auch jemand finden, der einem die Türen zu den wunderschönen Holzkirchen öffnet.

In den Sommermonaten geöffnet ist die ohne Nägel gebaute Stabkirche in Ringebu, entstanden um 1220. Ausgrabungen weisen gar auf einen Vorgängerbau aus der Zeit des heiligen Olav hin.
 


Das vielleicht schönste Altarbild des gesamten Weges findet sich indes beim Abstieg vom Dovrefjell: in der unscheinbaren Michaelskapelle, mitten auf der Weide zwischen friedlich grasenden Kühen. Von den Steinstufen blickt man durch eine riesige Glasscheibe auf die Täler und Hügel der Region Trondelag – der abschliessenden Woche des Pilgerwegs.

Schon gut eine Stunde, bevor man nach rund 640 Kilometern sein Ziel erreicht, ist durch die Gärten von Trondheims hügeligen Randbezirken der spitze Vierungsturm des prächtigen Nidarosdoms zu sehen.

Olav wurde schon bald nach seinem Tod als Heiliger verehrt und seine Gebeine nach Trondheim überführt. Über seiner ursprünglichen Begräbnisstätte wurde der Nidarosdom errichtet; er ist die am weitesten nördlich gelegene gotische Kathedrale der Welt und auch Pilgerstätte, Krönungs- und Segnungskirche norwegischer Könige. Pilgern aus ganz Skandinavien und auch aus anderen Ländern suchten die Gebeine des heiligen Olav auf. In der Reformationszeit wurde der goldene Olav-Schrein nach Dänemark gebracht und die Reliquien zerstört. Damit endeten die Wallfahrten, bis sie 1997 wiederbelebt wurden.
 


Sehr neu und modern ist die kleine katholische Schwesterkirche in direkter Nachbarschaft. Die internationale Gemeinde wächst seit Jahren beständig; seit 2016 finden die Gottesdienstbesucherinnen und -besucher endlich Platz in Trondheims neuer Kathedrale Sankt Olav.
 


Nur einige Schritte weiter, am Ziel, verschlägt es den Pilgerinnen und Pilgern dann ein letztes Mal die Sprache. Der Innenraum des Nidarosdoms ist seit 2020 mit einem neuen, spektakulären Lichtkonzept in Szene gesetzt. Warmweisses Licht erhellt die Vorderseiten der Streben und Gewölbe, während aus den Galerien ein kühler Blauton der Architektur eine einzigartige Tiefe verleiht: ankommen, hinsetzen, staunen.
 

Die Sankt-Olavswege umfassen acht Routen mit insgesamt 3000 Kilometern, die alle zum Nidarosdom im Zentrum von Trondheim führen. Informationen dazu finden sich auf der offiziellen Pilgerwebseite.


KNA/Redaktion


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  • user
    Förster Werner 17.05.2023 um 09:05
    Wunderbare Pfade in den Norden mit reichlich Geschichte und Spiritualität.