(Bild: Cdoncel/Unsplash)

Neuevangelisierung

Pro­phe­ti­sches Zei­chen in der Welt

Das Nach­syn­odale Apos­to­li­sche Schrei­ben «Vita con­se­crata» ist die Frucht der Bischofs­syn­ode zum Thema «Über das geweihte Leben und seine Sen­dung in Kir­che und Welt». Die Syn­oden­vä­ter beton­ten dabei nach­drück­lich den pro­phe­ti­schen Cha­rak­ter des geweih­ten Lebens. Die­ser beruht auf der radi­ka­len Chris­tus­nach­folge und der kon­se­quen­ten Hin­gabe an die Sen­dung, die dem geweih­ten Leben als sol­chem innewohnt.

Gerade in der heutigen Zeit, in der der Glaube an Gott verdunstet, ist das prophetische Zeugnis dringend notwendig. «Es wird vor allem die Bejahung der Vorrangstellung Gottes und der künftigen Güter betreffen, wie diese sich aus der Nachfolge und Nachahmung des keuschen, armen und gehorsamen Christus erkennen lässt, der sich völlig der Verherrlichung des Vaters und der Liebe zu den Brüdern und Schwestern geweiht hat» (VC 85), so Papst Johannes Paul II. Dieses Zeugnis kann aber nur Wirkkraft entfalten, wenn Verkündigung und Leben übereinstimmen. Es ist deshalb unerlässlich, sich selbst immer wieder im Lichte des Wortes Gottes zu prüfen. Auf diese Weise können die Frauen und Männer des geweihten Lebens «die anderen Gläubigen mit den empfangenen charismatischen Gaben bereichern, indem sie sich ihrerseits durch die von den anderen Gliedern der Kirche kommenden prophetischen Herausforderungen ansprechen lassen» (VC 85).

Gemäss Papst Johannes Paul II. ergeben sich drei Herausforderungen an die prophetische Aufgabe des geweihten Lebens. Diese haben einen direkten Bezug zu den evangelischen Räten von Armut, Keuschheit, Gehorsam. Es sei deshalb wichtig, dass die Kirche und die Frauen und Männer des geweihten Lebens die «tiefe anthropologische Bedeutung» der evangelischen Räte erhellen und bezeugen. Genauso wichtig sei es, dass die evangelischen Räte nicht als Leugnung der positiven Werte betrachtet werden, die «der Sexualität, dem rechtmässigen Wunsch nach materiellem Besitz und nach autonomer Selbstentscheidung innewohnen» (VC 87). Der Wunsch nach einer sexuellen Beziehung, Besitz und Selbstentscheidung liegt in der Natur des Menschen und ist in sich gut. Doch der Mensch ist durch die Erbsünde verletzt und steht deshalb in Gefahr, dass er diese Güter in einer Weise gebrauchen möchte, die ihm schaden. Das Bekenntnis zu den evangelischen Räten der Armut, Gehorsam und Keuschheit mahnt vor diesem Hintergrund einerseits die Menschen zur Vorsicht und relativiert bis zu einem gewissen Grad auch den Wert der geschaffenen Güter, «weil es Gott als absolutes Gut zeigt» (VC 87).

Der wahre Reichtum
Die erste Herausforderung liegt in dem in unserer Zeit herrschenden Egoismus und damit verbunden auch in einem habgierigen Materialismus, der blind gegenüber den Bedürfnissen und Leiden der Schwächsten ist. Obwohl viel davon gesprochen wird, einen Ausgleich zwischen Arm und Reich zu schaffen, von einer gerechten Verteilung der Güter geredet wird, geschieht diesbezüglich noch viel zu wenig.

Die Antwort des geweihten Lebens auf diese Not besteht im Bekenntnis zur evangelischen Armut. Diese ist ein Wert an sich, lautet doch die erste Seligpreisung Jesu: «Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich» (Mt 5,3). «Ihr erster Sinn besteht in der Tat darin, Gott als eigentlichen Reichtum des menschlichen Herzens zu bezeugen» (VC 90).

So ist ein Leben nach der evangelischen Armut ein prophetischer Appell an die Gesellschaft, die gerade in den reicheren Ländern Gefahr läuft, den Sinn für das Mass und die eigentliche Bedeutung der Dinge zu verlieren. Die Frauen und Männer des geweihten Lebens können durch ihren einfachen, geschwisterlichen Lebensstil inspirieren.

Viele Personen des geweihten Lebens setzen sich ein, um den Hunger und dessen Ursachen zu beseitigen. Auch indem sie sich der Erziehung, dem Unterricht und der Berufsausbildung widmen, ermöglichen sie Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine Zukunft.

Kraft aus der Liebe schöpfen
Wir leben in einer hedonistischen Kultur, das heisst in einer Kultur, in der das höchste Prinzip das Streben nach Sinnenlust und Sinnesgenuss ist. Objektive moralische Nomen haben hier keinen Platz. Sexualität wird oft zur blossen Konsumware herabgesetzt; unterstützt durch die sozialen Kommunikationsmittel wird der Trieb quasi vergöttert.
Das Beispiel von Frauen und Männern, die keusch leben und dabei Ausgeglichenheit, Selbstbeherrschung, Unternehmungslust, psychische und affektive Reife beweisen, ist wichtig, gerade weil die Keuschheit heute von so wenigen noch verstanden wird.

Wie wir in diesem Jahr bereits mehrfach gehört haben, leben die Frauen und Männer des geweihten Lebens keusch als Zeichen des Glaubens an den auferstandenen Herrn und damit verbunden in der Erwartung des neuen Himmels und der neuen Erde (vgl. Offb 21,1).

Aus diesem Glauben fühlen sie sich zu einer radikalen und universalen Liebe fähig, die ihnen die Kraft zur notwendigen Selbstbeherrschung und Disziplin gibt, damit sie nicht der Knechtschaft der Triebe verfallen. Die geweihte Keuschheit ist deshalb ein Angebot an jeden Menschen – an Jugendliche, Ehepaare, christliche Familien –, «um zu beweisen, dass die Kraft der Liebe Gottes gerade in den Wechselfällen der menschlichen Liebe Grosses zu bewirken vermag» (VC 88).

Der gemeinsamen Sendung gehorsam
Die dritte Herausforderung ist mit dem Freiheitsbegriff verbunden. Viele Auffassungen von Freiheit lösen «dieses fundamentale menschliche Vorrecht von seiner grundlegenden Beziehung zur Wahrheit und zur moralischen Norm» (VC 91) los. Wirkliche Freiheit ist zuinnerst verbunden mit der Achtung vor der menschlichen Person. Ein falscher Freiheitsbegriff führt zu Ungerechtigkeit und Gewalt.

Eine wirkungsvolle Antwort auf diese Situation ist gemäss Papst Johannes Paul II. der Gehorsam. Dieser stellt uns auf besonders lebendige Weise «den Gehorsam Christi gegenüber dem Vater vor Augen und bezeugt, eben von seinem Geheimnis ausgehend, dass kein Widerspruch zwischen Gehorsam und Freiheit besteht» (VC 91).

Dieses Geheimnis will das Gelübde des Gehorsams zum Ausdruck bringen: Das geweihte Leben will durch das Gelübde des Gehorsams bezeugen, dass es «sich einer Kindschaftsbeziehung bewusst ist, kraft derer es den väterlichen Willen als tägliche Speise (vgl. Joh 4,34), als ihren Felsen, ihre Freude, ihren Schild und Schutzwall (vgl. Ps 18 [17],3) anzunehmen sucht» (VC 91).

Das geschwisterliche Leben ist gemäss «Vita consecrata» der bevorzugte Ort, um den Willen Gottes zu erkennen und anzunehmen und eines Sinnes und Herzens gemeinsam voranzugehen. Es ist gerade der Gehorsam, der «trotz der Vielfalt der Gaben und der Achtung der individuellen Persönlichkeit der einzelnen die Mitglieder eines Instituts» die Mitglieder in demselben Zeugnis und in derselben Sendung vereint. Im Dialog untereinander erkennen sie immer tiefer den Willen Gottes. Gleichzeitig anerkennen sie die Autorität der Oberen oder des Oberen, der im Dienst der Unterscheidung und der Gemeinschaft steht.

Im Gemeinschaftsleben leuchtet durch alle Unterschiede von Herkunft, Sprache und Kultur hindurch die Verbundenheit auf, die aus derselben Berufung und aus dem gemeinsamen Willen, ihr zu gehorchen, entsteht.

 

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus der elften Sendung in der Serie «Das geweihte Leben» auf Radio Maria und behandelt die Kapitel 84 bis 95 von «Vita consecrata». Die Sendung in voller Länge kann unter diesem Link angehört werden.

Die Sendung «Das geweihte Leben» ist eine Ko-Produktion von Radio Maria und swiss-cath.ch. Sie wird monatlich auf Radio Maria ausgestrahlt. Zeitgleich wird jeweils auf swiss-cath.ch eine Zusammenfassung der Sendung publiziert.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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