Kardinal Raymond Burke. (Bild: John Briody/flickr, CC BY-ND 2.0)

Weltkirche

Ray­mond Burke: Der dem Pon­ti­fex ins Ange­sicht widersteht

Unbe­irrt und uner­schro­cken erhebt Kar­di­nal Ray­mond Burke war­nend seine Stimme, wenn der Steu­er­mann auf dem Schiff Petri auf stür­mi­scher See den Kom­pass zu ver­lie­ren droht. Heute wird Kar­di­nal Burke 75 Jahre alt.

Kardinal Raymond Burke kann heute seinen 75. Geburtstag feiern. KNA-Redaktor Ludwig Ring-Eifel bezeichnet ihn als brillantesten Kritiker des Papstes, der sich auf dessen schonungslose Loyalität auch in Zukunft verlassen könne. Und rühmt zugleich den angelsächsischen Humor und die glasklare dogmatische Argumentation des Jubilars. Mit dieser Zuschreibung dürfte Ludwig Ring-Eifel das Profil von Kardinal Burke ziemlich akkurat umschrieben haben.

Raymond Leo Burke wurde am 30. Juni 1948 in Richland Center, Wisconsin, geboren. Er studierte Theologie und Philosophie an der «Catholic University of America» in Washington und anschliessend an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Am 29. Juni 1975 weihte ihn Papst Paul VI. im Petersdom zum Priester. Nach seiner Weihe setzte er seine Studien in Kirchenrecht fort und schloss – wiederum an der Gregoriana – mit dem Doktorat ab.

Dank seiner intellektuellen Brillanz und Lehramtstreue zog Raymond Burke schon früh die Aufmerksamkeit seiner Vorgesetzten auf sich: Im Jahre 1989 berief ihn Papst Johannes Paul II. als ersten Amerikaner zum Mitglied der «Apostolischen Signatur», dem höchsten Gericht der Katholischen Kirche. 1995 wurde er von Papst Johannes Paul II. zum Bischof der Diözese La Crosse geweiht. Dort gründete er das Heiligtum «Unserer Lieben Frau von Guadalupe» und holte zahlreiche traditionelle Ordensgemeinschaften in seine Diözese. 2008 avancierte Kardinal Burke zum Präfekten der «Apostolischen Signatur» und damit nach dem Papst zum höchsten Richter der Kirche.

In der Folge nahm Raymond Burke Zug um Zug Einsitz in wichtige Dikasterien der römischen Kurie: in den «Päpstlichen Rat für Gesetzestexte», die «Kongregation für den Klerus» und 2009 die «Kongregation für die Bischöfe». Ein Jahr später erfolgte seine Ernennung zum Mitglied der «Kongregation für den Gottesdienst». Am 20. November 2010 erhob ihn Papst Benedikt XVI. in den Stand der Kardinäle.

Ohne Verzug machte sich Kardinal Burke ans Werk, als die Missbrauchsfälle in der Kirche ans Licht kamen. Am 11. März 2010 forderte er von den zuständigen vatikanischen Instanzen die Erarbeitung verbindlicher, im Kirchenrecht verankerter Richtlinien. Dies mit dem Zweck, die Bischöfe weltweit in die Pflicht zu nehmen, Missbrauchsfälle umgehend dem Heiligen Stuhl zu melden, um so den Prozess der Wiedergutmachung und Bestrafung der Täter zu beschleunigen.

Ein grosses Anliegen war und ist ihm der Schutz des menschlichen Lebens. Bereits als Erzbischof von St. Louis erklärte er während der Präsidentschaftswahlen von 2004 und 2008, dass er John Kerry oder anderen katholischen Politikern, die sich öffentlich für die Legalisierung der Abtreibung einsetzen, keine Kommunion spende. Diese Meinung wiederholte er immer wieder, auch in Bezug auf Präsident Biden. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Katholik nicht weiss, dass Abtreibung eine schwere Sünde ist, aber sobald sie es wissen, dann müssen sie entweder aufhören, Abtreibung zu unterstützen, oder die Tatsache akzeptieren, dass sie keine guten Katholiken sind und deshalb nicht zur Heiligen Kommunion gehen sollten», erklärte er 2020 gegenüber der katholischen Nachrichtenagentur CNA. [1]

Ein weiteres wichtiges Anliegen ist ihm die Ehe. Burke hat sich gegen jede hypothetische Änderung der kirchlichen Lehre ausgesprochen, die es zivil geschiedenen Katholiken, die kirchenrechtlich gültig verheiratet sind, erlauben würde, wieder zu heiraten oder die Eucharistie zu empfangen, wenn sie eine zweite zivile Ehe eingegangen sind.

Scharfe Zäsur
Zu einer scharfen Zäsur im Lebenslauf von Kardinal Burke führte die Wahl des argentinischen Erzbischofs Jorge Bergoglio zum Papst. Der unablässig die Tugend der Barmherzigkeit preisende Papst Franziskus kann sich in der Praxis höchst unbarmherzig zeigen, wenn es gilt, unbequeme, zumal dem unverfälschten Glaubensgut der Kirche verpflichtete Amtsträger aus dem Weg zu räumen. Prominentestes Opfer seines Tabula rasa-Führungsstils ist und bleibt Kardinal Burke. Nur wenige Monate nach seiner Wahl zum Papst entfernte er das Lieblingsärgernis seiner Jesuiten-beherrschten Entourage aus der «Kongregation für die Bischöfe». Noch im selben Jahr, am 19. Dezember 2013, musste Kardinal Burke die «Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse» verlassen.

Nach der Publikation eines Zwischendokuments der Familiensynode 2014, das sich in «abgemilderter» Sprache bezüglich Homosexueller, Empfängnisverhütung sowie Geschiedene und zivil Wiederverheiratete äusserte, erklärte Kardinal Burke in einem Interview mit dem «Catholic World Report», dem Dokument fehle eine solide Grundlage in der Heiligen Schrift und dem Lehramt der Katholischen Kirche. Zudem erwecke es den Eindruck, als ob es eine völlig neue Lehre über Ehe und Familie erfinde.

Am 4. November 2014 beklagte Burke in einem Interview mit der spanischen Zeitung «Vida Nueva» im Zusammenhang mit der Familiensynode: «Es gibt ein starkes Gefühl, dass die Kirche wie ein Schiff ohne Ruder ist.» Vier Tage später enthob ihn Papst Franziskus seines Amtes als Präfekt der «Apostolischen Signatur» und degradierte ihn zum Schirmherrn des Souveränen Malteserordens, ein weitgehend zeremonielles Amt, das üblicherweise einem Kardinal im Ruhestand oder einem aktiven Kardinal im Nebenamt übertragen wird. Franziskus bestritt, dass es sich dabei um eine Bestrafung Kardinal Burkes gehandelt habe – an der zweiten Runde der Weltbischofssynode zur Familie im Oktober 2015 durfte Raymond Burke gleichwohl nicht mehr teilnehmen.

Nach Erscheinen von «Amoris Laetitia» 2016 richtete Kardinal Burke zusammen mit den Kardinälen Walter Brandmüller, Carlo Caffarra und Joachim Meisner eine «Dubia» an Papst Franziskus, in denen sie ihn baten, verschiedene Punkte der Lehre zu klären. In der «Dubia» ging es um den Empfang der Sakramente durch Geschiedene und Wiederverheiratete: Eine Fussnote in «Amoris Laetitia» kann so verstanden werden, dass Geschiedene Wiederverheiratete unter bestimmten Umständen zur Kommunion zugelassen werden können. Der zusätzliche öffentliche Brief fragte nach grundlegenden Fragen des christlichen Lebens und bezog sich auf die Enzyklika «Veritatis splendor» von Papst Johannes Paul II.

Im November 2016 entfernte Papst Franziskus Raymond Burke aus der «Kongregation für den Gottesdienst». Dies wurde als Reaktion auf die «Dubia» interpretiert.

Im April 2017 baten die Kardinäle, nachdem sie keine Antwort auf ihren Brief erhalten hatten, um ein Treffen mit Franziskus. Die Fragesteller warten bis heute auf eine Antwort.

Am 30. September 2017 kam Franziskus nolens volens nicht mehr darum herum, ihn erneut an den Obersten Gerichtshofs der «Apostolischen Signatur» zu holen – jedoch nur als ordentliches Mitglied und nicht mehr als Präfekt. Zu offensichtlich waren dessen Qualitäten als Kanonist, zu offensichtlich die inzwischen zutage getretenen Defizite am höchsten Gericht der Kirche.

Im Februar 2019 verfasste Kardinal Burke zusammen mit Kardinal Walter Brandmüller vor dem Anti-Missbrauchsgipfel im Vatikan einen offenen Brief an Papst Franziskus, in dem sie erklärten, dass Kindesmissbrauch ein abscheuliches Verbrechen sei, dass die Ursachen aber tiefer lägen: «Die Plage der homosexuellen Agenda hat sich innerhalb der Kirche ausgebreitet, wurde von organisierten Netzwerken gefördert und durch ein Klima der Komplizenschaft und eine Verschwörung des Schweigens geschützt.»

Am 10. Juni 2019 veröffentlichten Raymond Burke, Kardinal Jānis Pujats und die kasachischen Bischöfe Tomasz Peta, Jan Paul Lenga und Athanasius Schneider eine 40 Punkte umfassende «Erklärung der Wahrheiten», in der sie die traditionelle Lehre der Kirche bekräftigen. Die Bischöfe schrieben, dass eine solche Erklärung in einer Zeit «fast universeller lehrmässiger Verwirrung und Desorientierung» notwendig sei. Bestimmte Passagen in der Erklärung lassen sich implizit als Kritik an mehreren Schriften von Papst Franziskus lesen.

In der Erklärung heisst es, dass «die aus dem Glauben an Jesus Christus geborene Religion» die «einzige positiv von Gott gewollte Religion» ist, was offenbar auf das von Papst Franziskus am 4. Februar unterzeichnete Dokument über die menschliche Brüderlichkeit anspielt, in dem es heisst, dass die «Vielfalt der Religionen» «von Gott gewollt» ist.

Kardinal Burke, der sich bereits als Bischof für die Liturgie in der sogenannten ausserordentlichen Form eingesetzt hatte, verurteilte «Traditionis custodes» (2021). Er sagte, er könne nicht verstehen, wie das neue Römische Messbuch der «einzige Ausdruck der lex orandi des Römischen Ritus» sein könne, wie es im neuen Motu proprio heisst. Die ausserordentliche Form der Messe sei eine «lebendige Form des Römischen Ritus und hat nie aufgehört, dies zu sein». [2]

Kardinal Burke ist auch einer der wenigen kirchlichen Verantwortlichen, die sich klar gegen die Covid-Impfungen ausgesprochen haben. Im Dezember 2020 erklärte er in Bezug auf die COVID-19-Impfstoffentwicklung, dass es «niemals moralisch gerechtfertigt ist, einen Impfstoff unter Verwendung von Zelllinien abgetriebener Föten zu entwickeln». Der Vatikan hingegen entschied am 21. Dezember 2020, dass, wenn ethisch einwandfreie Covid-19-Impfstoffe nicht verfügbar seien, es moralisch vertretbar sei, Covid-19-Impfstoffe zu erhalten, bei deren Erforschung und Herstellung Zelllinien von abgetriebenen Föten verwendet wurden. Hinter dem auch im internationalen Vergleich äusserst rigiden Covid-Regime des Vatikans dürfte nicht zuletzt die Sorge des Papstes um seine eigene, lädierte Lunge gestanden haben.

Kardinal Burke gestand unlängst in einem Interview mit EWNT, er «bete jeden Tag, dass die Synode nicht stattfinden wird». Es ist nicht davon auszugehen, dass ihm Papst Franziskus diesen Geburtstagswunsch erfüllen wird. Deutlich realistischer ist die Prognose von KNA-Redaktor Ludwig Ring-Eifel, derzufolge Kardinal Raymond Burke am nächsten Konklave teilnehmen wird. Das Geburtstagskind hätte eine Teilnahme redlich verdient.
 


[1] www.catholicnewsagency.com/news/46018/cardinal-burke-biden-should-not-receive-holy-communion
[2] https://www.ncregister.com/news/latin-mass-supporters-react-with-dismay-to-pope-s-severe-new-restrictions


Redaktion


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Bemerkungen :

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    Claudio Tessari 30.06.2023 um 13:43
    Einer der besten Kardinälen und sicherlich jener, welche die Doktrin und das Kirchenrecht am besten kennt.
  • user
    Hansjörg 30.06.2023 um 13:39
    Der gesamte, obige Artikel liest sich wie eine Anklage gegenüber dem Papst. Ich bin immer davon ausgegangen, dass der Papst unfehlbar ist?
    Zudem soll die Frage an Kardinal Burke erlaubt sein, wo die Welt heute ohne die Covid Impfungen stehen würde?
    • user
      Stauffacher 30.06.2023 um 14:27
      Unfehlbar ist der Papst nur, wenn er "ex cathedra" spricht, was bis jetzt nur zwei Mal vorgekommen ist.
      • user
        Conrad 02.07.2023 um 18:30
        Solche kritischen Geister braucht unsere Kirchenleitung bei den "PAPABILE"! Im Übrigen wundere ich mich immer mehr, wieviele der Kardinäle im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen in der Kirche involviert sind und dennoch in ihrem Amt verbleiben können. Sind denn die Nuntiaturen nicht in der Lage, die zu Wählenden besser im Voraus zu beurteilen? Man könnte schier verzweifeln und am liebsten den Bündel hinwerfen ...
    • user
      Cyrill 03.07.2023 um 13:36
      Wo die Welt ohne Covid-Impfung stehen würde?
      Es gäbe jedenfalls massiv weniger Impfgeschädigte. Schauen Sie sich mal den Film "unerwünscht" des Berner Produzenten Mike Wyniger an.
      Im übrigen ist mir nicht nachvollziehbar wie man als Christ eine zustimmende Meinung zu Impfungen, die mit Hilfe von Abtreibungen entwickelt wurden, haben kann.
      Hier ist die Arbeit von Kardinal Burke zur Aufklärung und Warnung von vielen Katholiken sehr zu würdigen.