Domschatzmuseum Chur. (Bilder: Rosmarie Schärer/swiss-cath.ch)

Kirche Schweiz

Schätze einer kunst­rei­chen Bistumsgeschichte

Am 29. August 2020 öff­nete das Dom­schatz­mu­seum in Chur seine Tore. Es beher­bergt nicht nur den Dom­schatz, son­dern auch den schweiz­weit ein­ma­li­gen Zyklus der Todes­bil­der aus dem Jahr 1543. Fast 20 Jahre lagerte der Chu­rer Dom­schatz in einem Depot, bevor er wie­der bestaunt wer­den durfte. Die Todes­bil­der aus dem Bischöf­li­chen Schloss waren sogar fast 50 Jahre den Bli­cken entzogen.

Die Idee für ein Domschatzmuseum hatte bereits Bischof Christian Caminada (1941–1962). Dieses war zunächst in der unteren Sakristei der Kathedrale St. Mariä Himmelfahrt eingerichtet, doch die Sakristei wurde im Zusammenhang mit der Restaurierung der Kathedrale wieder ihrem ursprünglichen Zweck zugeführt: 2002 «verschwand» der Domschatz im Kulturgüterschutzraum des Rätischen Museums in Chur. Nach langen Diskussionen wurde schliesslich entschieden, ein Domschatzmuseum im Bischöflichen Schloss einzurichten.
Die Gesamtkosten von rund 7,8 Millionen Franken wurden durch Eigenmittel der Kathedralstiftung, einem Beitrag des Domkapitels sowie durch zahlreiche Spenden von Stiftungen und Institutionen und der Stadt Chur finanziert.

Grosse Vielfalt aus einer langen Bistumsgeschichte
Der Domschatz umfasst Objekte aus dem 4. bis zum 20. Jahrhundert. Er ist im Besitz der Kathedralstiftung, die auch das Museum betreibt. Im Unterschied zu anderen historischen Museen bleiben die ausgestellten Objekte im Gebrauch. So kann es passieren, dass ein Gegenstand in der Ausstellung fehlt, da er gerade für die Liturgie in der Kathedrale verwendet wird. Zum Domschatz gehören liturgische Geräte wie Kelche, Kännchen für Wein und Wasser, Kreuze oder Weihrauchgefässe, aber auch Reliquien und Reliquiare.

Unter den vielen Ausstellungsgegenständen stechen einige hervor: Auf einer der ausgestellten Kaseln (Messgewand) sind arabische Schriftzeichen zu erkennen. Der Stoff aus dem 14. Jahrhundert kam vermutlich als Reliquienhülle nach Chur und wurde später in eine Kasel umgearbeitet. Der Kaselstab (vertikaler Streifen) weist seinerseits ebenfalls eine Besonderheit auf: eine Darstellung von Gottvater.
 


Die Reliquienbüsten und -schreine gehören zu den bekanntesten Objekten des Domschatzes. Das älteste Büstenreliquiar stammt aus der Mitte des 14. Jahrhunderts und zeigt den Bistumsheiligen Florinus. Zu den spannendsten Reliquiaren zählen jene aus dem Altarsepulcrum der Kathedrale. Da früher Material immer wieder neu verwendet wurde, findet sich unter diesen Reliquiaren z. B. ein Elfenbeinkästchen mit dem Bild von Äskulap, dem Gott der Heilkunst. Ein heidnisches Bild auf einer christlichen Reliquie war für die Menschen dieser Zeit kein Problem. Äskulap konnte auf Christus, den Heiler und Erlöser, umgedeutet werden. So auch die Darstellung auf einer Reliquienhülle aus Syrien. Sie zeigt einen Mann, der mit einem Löwen kämpft: Herakles oder Simson? Unwichtig, denn es zeigt in jedem Fall den Kampf gegen das Böse.
 


Erinnerung an die eigene Sterblichkeit
Die sogenannten Todesbilder sind im Untergeschoss des Museums untergebracht. Die bemalte Fachwerkwand der Todesbilder befand sich ursprünglich im 1. Obergeschoss des Bischöflichen Schlosses. Da die Wand beim Umbau im Jahr 1882 entfernt wurde, kamen die Bilder zunächst ins Rätische Museum; ab 1981 waren sie in einem Kulturgüterschutzraum untergebracht.

Aus klimatischen Gründen sind die Churer Todesbilder in einem eigenen Gehäuse ausgestellt, das im ehemaligen Weinkeller steht: 35 Szenen in 17 Feldern, dazu 8 unabhängige Sockelfelder, vorwiegend in der Grisaille-Technik (in Schwarz, Weiss und Grau) gemalt. Dem unbekannten Maler dienten die Holzschnitte des Totentanzes nach Hans Holbein dem Jüngeren (1497–1543) als Vorlage. Die Churer Todesbilder stehen in der Tradition der mittelalterlichen Totentänze: In diesen Bildzyklen werden Menschen aller Stände und jeden Alters mit dem Tod konfrontiert.

Die ältesten Totentänze zeigen Verstorbene, die mit halbverwesten Totengestalten zum Reigentanz gezwungen sind. Der Tod hat dabei oft die Gestalt eines Skeletts, das tanzt und häufig auch musiziert. Später wurde es üblich, die von einer Todesgestalt begleiteten Standespersonen in hierarchischer Folge in einer Prozession aufzureihen.
Die spätmittelalterlichen Totentänze sind in erster Linie ein «Memento mori» (Bedenke, dass du sterben wirst). Sie fordern dazu auf, an die Endlichkeit des Lebens zu denken und sich für das Sterben vorzubereiten. Dabei kommt deutlich zum Ausdruck, dass im Tod alle Menschen gleich sind. Dem Reichen und dem Mächtigen helfen weder ihr Reichtum noch ihre Macht – sie müssen genauso sterben wie der Bettler. Doch der Tod hat in den Totentänzen nicht das letzte Wort: Die Tanzenden bewegen sich meist auf das Kruzifix zu, auf den gekreuzigten Jesus Christus, der durch seinen Tod und seine Auferstehung den Tod besiegt hat.
 


Bei den sogenannten Todesbildern wird der Totentanz in eine Abfolge von Einzelszenen («Bilder des Sterbens») zerlegt. So werden die Standesvertreter nicht in den Totentanz hineingezogen, sondern der Tod dringt umgekehrt in das Alltagsleben der einzelnen Standesvertreter ein und reisst sie aus dem Leben.
Die dunklen Todesbilder im nur indirekt beleuchteten Raum wollen langsam abgeschritten und betrachtet, gleichsam meditiert sein.
Da die Bilder für das Bischöfliche Schloss gemalt wurden, wurden einige Kleinigkeiten geändert. So fehlt z. B. auf dem Bild mit dem Papst der Teufel.
 

Das Domschatzmuseum bietet spezielle Führer für Kinder und Familien an. Für den individuellen Besuch stehen kostenlose Legendenflyer in fünf Sprachen zur Verfügung; es kann auch eine kostenlose App heruntergeladen werden.
Informationen über das Domschatzmuseum Chur sowie über Öffnungszeiten und Eintrittspreise finden Sie hier.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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