Könnten Sie uns zuerst etwas über Ihren Werdegang erzählen?
Benjamin Keller: Ich bin in eine nicht gläubige Familie hineingeboren. Meine Mutter kam zum Glauben an Jesus Christus, als ich zwei oder drei Jahre alt war, und schloss sich einer Freikirche an. Ich bin sehr «fromm» aufgewachsen: Wir haben oft in der Bibel gelesen, auch Bibelstellen auswendig gelernt und gingen regelmässig in den Gottesdienst. Als Jugendlicher habe ich dies als Korsett empfunden, auch wenn ich im Rückblick denke, es war das Beste, was sie für mich tun konnten. Am Gymnasium habe ich dann gegen alles rebelliert, was Ordnung ist, und auch vieles ausprobiert. Ich habe eigentlich immer nach einem Sinn gesucht, aber nicht mehr bei Gott – er war mir zu eng. Ich wurde ein Hippie, ein Punker, habe verschiedene Ideologien ausprobiert, mich mit dem Buddhismus beschäftigt und bin schlussendlich in den Drogen gelandet. Dies war dann eine längere Phase meines Lebens, bis ich mir das Leben nehmen wollte, weil mich die Abwärtsspirale immer tiefer runterzog. In dieser grössten Not habe ich die Bibel aufgeschlagen, die ich in meinem Auto hatte, und die Bibelstelle handelte von Menschen in der Not. Ich sagte zu Gott: «Gott, ich gebe dir eine zweite Chance.» Obwohl, eigentlich hat er mir damals eine zweite Chance gegeben. Ich bat ihn, mir zu helfen, einen kalten Entzug zu machen. In diesem folgenden Kampf gegen Kokain durfte ich Gottes Stärke und Kraft erleben, aber auch eine Freiheit.
Sie sind wieder in die Freikirche zurückgekehrt?
Benjamin Keller: Ja. Der Pfarrer hat mich in die Jugendarbeit einbezogen, eine Tätigkeit, die immer mehr wuchs. Ich wurde zunächst als Jugendpastor angestellt, dann als Pastor und war zuletzt drei Jahre Pastor in einer Chrischona-Gemeinde bis Ende November 2023. Mein Mentor schrieb seine Habilitation über «Liturgie in der Freikirche», so kam ich mit der katholischen Messe in Berührung, da er viel von seiner Arbeit erzählte, auch von der Liturgie in der frühen Kirche. Ich begann dann vor drei Jahren, jeweils freitags in die Messe zu gehen, einfach so für mich. Es war ein Ort, an dem ich auftanken konnte. Obwohl ich einer Freikirche angehörte, ging ich zur Kommunion. Es hiess einfach, ich müsste daran glauben, dass die konsekrierte Hostie Christus ist. Ich hatte bald ein Realverständnis, das hatte Luther ja auch, doch mit dem katholischen Glauben habe ich mich damals nicht auseinandergesetzt. Dann erhielt ich eine E-Mail von Claudio Tessari, der mich fragte: «Lieber Pastor Benj, wollen Sie katholisch werden?»
Herr Tessari, Sie haben ihn zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gekannt. Wie kamen Sie dazu, ihm diese Frage zu stellen?
Claudio Tessari: Ich hatte mit einer Kollegin ein Glaubensgespräch und sie meinte dann, ich könne ja einmal mit ihrem Pastor darüber reden, er würde jeden Freitag in die Messe gehen. Ich habe herausgefunden, wer dieser Pastor ist und gesehen, dass er zur Kommunion geht. Ich habe Benjamin im Mail dann geschrieben, was die Kirche zum Eucharistieempfang schreibt. Es kann nur jemand die Kommunion empfangen, der Ja zur Kirche sagt, denn die Kommunion bedeutet Gemeinschaft mit dem Papst, mit den Gläubigen, die Kommunion ist der Leib Christi: die Kirche. Es ist ein Akt der Barmherzigkeit, einen Irrenden zurechtzuweisen. In diesem Sinne habe ich Benjamin damals das Mail geschrieben. Und er hat dies auch in diesem Sinne aufgefasst und mich eingeladen, mit ihm ins Gespräch zu kommen.
Benjamin Keller: Durch den Austausch mit Claudio musste ich mich zwangsläufig mit dem katholischen Glauben auseinandersetzen. Er sagte klar: «Du kannst nicht einfach von der Katholischen Kirche das eine nehmen und das andere nicht. Entweder du sagst ja zur Kirche oder du lässt es bleiben.» Ich merkte in den Gesprächen bald, dass meine ganzen Vorurteile gegenüber der Katholischen Kirche gar nicht stimmen. Ich war sehr antikatholisch geprägt. Doch dann realisierte ich, dass in der Katholischen Kirche sehr wohl über Jesus gesprochen wurde oder über Gnade. Ich hatte immer gedacht, die Katholiken würden den Begriff der Gnade nicht kennen. Und die Bibel steht in der Liturgie stärker im Fokus als in der Freikirche.
Es gab für mich zwei Ebenen: Einerseits setzte ich mich mit der Lehre der Katholischen Kirche auseinander, dabei waren die Kirchenväter für mich sicher ein Schlüssel, andererseits spirituell: Claudio hat mir vor einem Jahr einen Rosenkranz geschenkt. Seitdem bete ich jeden Tag die vier bekannten Rosenkränze und einmal in der Woche bete ich den Rosenkranz mit Claudio. Das Rosenkranzgebet hat seitdem viele Wunder und Gnaden in meinem Leben bewirkt. Jesus hatte ich ja schon gekannt und er hat mir Maria gegeben und mir durch Maria viel Heilung in meinem Leben geschenkt. Sie könnten jetzt meine Frau fragen (er lacht). Da war bei mir viel egoistisches Verhalten, auch mein Verständnis von Familie war nicht ideal; das hat Jesus mir durch seine Mutter gezeigt und er hilft mir, dies zu ändern. Maria ist das grösste Geschenk – selbstverständlich nach seinem Tod für uns am Kreuz – das Christus der Kirche gemacht hat.
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Kehrt um und glaubt an das Evangelium Mk 1,15
Es ist immer wieder schön zu sehen, wie junge Menschen zum christlichen Glauben finden und besonders in die katholische Kirche eintreten.
Der Himmel brachte gerade,der Auserwählte zur Umkehr:ein Pastor.
Eigentlich wollte ich mich mit meinem Sohn genau auch dieses Jahr die Firmung zusammen machen.Leider ich diese schon gemacht habe,mit 0 Erinnerung😞
Vor 14 Jahren gingen ich und meine Frau den gleichen Weg. Wir waren ehemals Pfingstler und ich diente einmal auch als Ältester in der Pfingstgemeinde Luzern.
Eurer Weg ist zugleich der schönste als auch der schwierigste :-). Der schönste, weil man Christus empfangen kann mit seinem ganzem Leib, Seele, Blut und Göttlichkeit. Die ersten 10 Jahre saugt man als Protestant alles auf, was man verpasst hat, die Kirchenväter, die Heiligen, die Liturgie und Gebete, die Kunst und Schönheit und vor allem die Fülle der Wahrheit. Nie haben wir unseren Schritt in die von Christus gestiftete Kirche (Mt 16,18) bereut.
Eurer Weg ist aber auch ein schwieriger. Ihr werden merken, dass ihr in einer ganz "kleinen Herde" angekommen seid. Nur "7000" haben ihre Knie noch nicht vor dem Zeitgeist gebeugt und dessen Mund geküsst (1 Kön 19,18). Ihr werden realisieren, dass ihr den Glauben der Apostel selbst bei den Oberhirten oft nicht findet werdet. Und ihr werdet jene Einsamkeit erleben, die kommt, wenn man durch die enge Türe auf den schmalen Weg geht. Erwartet, dass Euch viele Freikirchler aus Unkenntnis hassen werdet und Namenschristen innerhalb der Landeskirche Euch ausschliessen werdet, wenn Ihr an der Lehre der Apostel festhält. Aber seid nicht verzagt (2 Chr 32,7), der Herr wird Euch führen und begleiten. Ihr werden treue Priester und tolle Männer und Frauen des Glaubens finden. Bleibt Gott und dem Glaubensgut treu! Geht SEINEN Weg! Betet als Ehepaar oft den Rosenkranz. Folgt dem Segen (z.B. "Bless") und folgt der Mutter Gottes (z.B. Radio Maria) und folgt denen, die für den Glauben kämpfen (z.B. swiss-cath.ch), der den Heiligen ein für alle Mal überliefert worden ist (Jud 1,3). Oremus!
Ja ich gebe Dir recht mit der kleinen Herde.Ich finde kaum Anschluss unter den Katholiken,weil ich 1.anders ticke und 2.meine Wurzel noch nicht so tief Gründung ist.
Nur schon den📿in der Kirche gemeinsam zu beten🙈Vielmals nur ein Geplapper und wo bleibt das ❤️?Da sind wir jetzt gefordert😊
Zum Rosenkranz: Zwingli war gemäss seiner Einsiedler Predigt über die reine Magd Maria (1517 oder 1522), der Gruss des Engels sei kein Gebet gewesen, sondern eine individuelle Ansprache an eine einmalige Person zur Ermöglichung der Menschwerdung, weswegen er das Ave Maria als allgemeines Gebet ablehnte. Hingegen scheint er sinngemäss der Meinung von Herrn Keller gewesen zu sein: "Maria ist das grösste Geschenk - selbstverständlich nach seinem Tod am Kreuz - das Christus uns hinterlassen hat." Die genannte Predigt bleibt eine quasi Apotheose der Mutter des Erlösers, weswegen sie in der reformierten Überlieferung so gut wie nie zitiert wird. Um den Text ungekürzt zu lesen, musste ich mir die 11bändige erste Gesamtausgabe der Werke Zwinglis vom Glarner Pfarrer Melchior Schuler (1828 - 1842) antiquarisch anschaffen.
Schön finde ich es auch, dass Herr Keller die Wichtigkeit der Eucharistie betont. Die Eucharistie muss im Zentrum unseres Glaubens stehen. Wenn wir eine Neuevangelisierung anstreben, ist es wichtig, sich überall dafür einzusetzen, dass die Feier der Heiligen Messe oberste Priorität hat.