(Bild: Morteza Khalili/Unsplash)

Neuevangelisierung

Schöp­fe­ri­sche Treue

Im fünf­ten Teil der Serie zum Nach­syn­oda­len Apos­to­li­schen Schrei­ben «Vita Con­se­crata» (VC) geht es um den Ruf zur Hei­lig­keit, der sich beson­ders in einer schöp­fe­ri­schen Treue zum Grün­dungs­cha­risma zeigt.

Die vorrangige Aufgabe der Frauen und Männer des geweihten Lebens ist das Wachsen in der Heiligkeit. Sie sollen vor allen anderen Dingen das Reich Gottes suchen, was nur möglich ist, wenn sie sich ganz zu Gott bekehren, ganz aus IHM leben, damit Gott alles in allen ist.[1]

Treue zum Gründungscharisma
Zum Wachstum der Heiligkeit im geweihten Leben gehört auch, dem Gründungscharisma der Gemeinschaft oder des Ordens treu zu bleiben. Gerade in dieser Treue zur Inspiration der Gründer und Gründerinnen, die ja eine Gabe des Heiligen Geistes ist, lassen sich die wesentlichen Elemente des geweihten Lebens wiederentdecken und wiederbeleben. Jedes Charisma hat gemäss «Vita consecrata» an seinem Anfang eine dreifache Orientierung: Zunächst ist das Charisma auf Gott, den Vater ausgerichtet durch das Verlangen, immer seinen Willen zu suchen durch einen dauernden Bekehrungsprozess. So wird das «Charisma jedes Instituts die Person des geweihten Lebens anspornen, ganz Gott zu gehören, mit Gott oder von Gott zu reden» (VC 36).
Die Charismen des geweihten Lebens sind aber auch auf den Sohn, auf Jesus Christus ausgerichtet: «Sie leiten dazu an, mit ihm eine innige und frohe Lebensgemeinschaft in der Schule seines grossherzigen Dienstes vor Gott und an den Brüdern und Schwestern zu pflegen» (VC 36). Durch ihr Leben nach den evangelischen Räten versuchen die Frauen und Männer des geweihten Lebens, Christus immer ähnlicher zu werden. So lassen sie sich immer weniger von Äusserlichkeiten ablenken und werden offen für das Wirken des Heiligen Geistes.
Und schliesslich enthält jedes Charisma eine Orientierung auf den Heiligen Geist, sodass die Mitglieder der Gemeinschaft sich auf ihrem persönlichen geistlichen Weg, aber auch im Leben der Gemeinschaft und bei der apostolischen Tätigkeit vom Heiligen Geist leiten und stärken lassen.

Auch wenn die Orden, Gemeinschaften, Institute und andere Formen des geweihten Lebens sich in ihren Regeln oder Konstitutionen unterscheiden, so haben alle in ihrem Gründungscharisma diese dreifache Beziehung zu Gottvater, Jesus Christus und zum Heiligen Geist.

Schöpferische Treue
Das heisst nun aber nicht, dass die Orden und Gemeinschaften sich nicht verändern dürfen – im Gegenteil. Sie sollen auf die Zeichen der Zeit antworten. «Die Institute werden daher eingeladen, als Antwort auf die in der heutigen Welt auftretenden Zeichen der Zeit mutig den Unternehmungsgeist, die Erfindungsgabe und die Heiligkeit der Gründer und Gründerinnen wieder hervorzuheben» (VC 37). Die Orden und Gemeinschaften sollen gerade auch in materiellen und geistlichen Schwierigkeiten beharrlich auf dem Weg der Heiligkeit bleiben. Gleichzeitig sollen sie offen für die Eingebungen des Heiligen Geistes bleiben, denn manchmal ist eine Änderung des konkreten Lebens erforderlich. Es braucht eine «dynamische Treue zur eigenen Sendung», wie «Vita consecrata» schreibt. Und damit verbunden ist die immerwährende Suche nach einer immer vollkommeneren Gleichförmigkeit mit dem Herrn, denn nur darin liegt die Gewähr, dass eine Erneuerung vom Heiligen Geist kommt.

Geistlicher Kampf
Die Erneuerung des Charismas entspringt immer dem Wunsch, heilig zu werden. Damit wir den Ruf zur Heiligkeit vernehmen, braucht es die Stille. «Wir müssen uns eingestehen, dass wir alle dieses von angebeteter Gegenwart erfüllte Schweigen nötig haben: die Theologie, um die eigene Seele der Weisheit und des Geistes voll erschliessen zu können; das Gebet, damit es niemals vergesse: Gott schauen heisst, mit so strahlendem Gesicht vom Berg hinabzusteigen, dass man es mit einem Schleier verhüllen muss (vgl. Ex 34,33) [...]; das Engagement, damit es darauf verzichte, sich in einen Kampf zu verbeissen, der keine Liebe und Gnade kennt [...]. Alle, Glaubende und Nicht-Glaubende, müssen ein Schweigen erlernen, das dem anderen zu sprechen erlaubt, wann und wo er will, und uns jenes Wort verstehen lässt« («Orientale Lumen», zitiert in VC 38).

Johannes Paul II. plädiert in «Vita consecrata» auch für die sogenannten asketischen Mittel der geistlichen Tradition der Kirche. Die Askese hilft, die Neigungen der von der Sünde verletzten menschlichen Natur zu beherrschen und zu korrigieren und ist so für die Person des geweihten Lebens unentbehrlich, um ihrer Berufung treu zu bleiben und Jesus auf dem Kreuzweg zu folgen. Manche Versuchungen sind nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. So kann zum Beispiel die Möglichkeit einer höheren geistlichen Bildung die Personen des geweihten Lebens zu einem gewissen Überlegenheitsgefühl gegenüber den anderen Gläubigen verleiten. Oder man will um jeden Preis effizient sein, so «als hinge der apostolische Dienst vorwiegend von den menschlichen Mitteln und nicht von Gott ab». «Das lobenswerte Anliegen, den Männern und Frauen unserer Zeit, Glaubenden und Nicht-Glaubenden, Armen und Reichen, näherzukommen, kann zur Annahme eines säkularisierten Lebensstils oder zu einer Förderung der menschlichen Werte in rein horizontalem Sinne führen» (VC 38). Auf dem Weg zur Heiligkeit wird es immer zu einem geistlichen Kampf kommen. Es gilt, diesen anzunehmen. Johannes Paul II. schrieb schon 1996, dass dies eine anspruchsvolle Tatsache sei, «der man heute nicht immer die notwendige Aufmerksamkeit widme». Das gilt auch heute.

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus der Sendung «Das geweihte Leben» auf Radio Maria. Die Sendung in voller Länge kann unter diesem Link angehört werden.

Die Sendung «Das geweihte Leben» ist eine Ko-Produktion von Radio Maria und swiss-cath.ch. Sie wird monatlich auf Radio Maria ausgestrahlt. Zeitgleich wird jeweils auf swiss-cath.ch eine Zusammenfassung der Sendung publiziert.

 

 

 


[1] Der Text behandelt die Kapitel 35 bis 38 von «Vita consecrata».


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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