Symbolbild. (Bild: geralt/Pixabay)

Kommentar

Syn­oda­lis­mus und Gremienkatholizismus

Jeder Bischof hat aufgrund meiner eigenen Erfahrung Einsitz in 10 bis 20 Gremien (Räte, Konferenzen, Foren, Ausschüsse, Kommissionen, Arbeitsgruppen, Fachgruppen, Präsidien, Vereine usw.). In diesen Gruppierungen werden in immer wieder anderen Zusammensetzungen zu einem grossen Teil die gleichen Geschäfte und Themen verhandelt und durchgehechelt. Dazu kommen für den Bischof viele Gesprächstermine, Gottesdienste, Visitationen und vieles anderes mehr: Summa summarum ein Overkill an Terminen!

Frage: Wann entscheidet ein Bischof eigentlich noch etwas selbst in seiner ureigenen Verantwortung vor Gott für das ihm anvertraute Bistum? In den meisten Fällen folgt er Mehrheitsentscheiden, die in den angeführten Gremien oder im Backoffice der Geldgeber (wenigstens in der Schweiz) getroffen werden. All diese Gremien sind weitgehend gemischte Gremien: Laien, Kleriker, Experten, Frauen und Männer nehmen dort Einsitz und machen hier ihren Einfluss geltend. Trotzdem haben die Laien immer noch das Gefühl, nicht mitentscheiden zu können. Nun wird dieser Apparat synodal weiter aufgebläht. Die Bischöfe eilen wie der Hamster im Rad von Termin zu Termin, von Sitzung zu Sitzung. Die Strukturen halten sie auf Trab. Stunden und Tage verbringen die Akteure dieses Gremienkatholizismus am Sitzungstisch. Ein Blick in die Agenden genügt, um sich davon zu überzeugen, dass ich hier aus Erfahrung spreche und nicht übertreibe.

Nun also sind zu den bereits bestehenden Räten die synodalen auf dem Programm, in denen unterschiedslos auch Laien kirchenleitende Kompetenzen erhalten oder ausüben sollen. Emsig wird an einem Regelwerk gearbeitet, das schon jetzt absehbar die sakramentale Struktur der Kirche und ihrer Leitung untergräbt. Beteuerungen des Gegenteils sind wenig überzeugend. Die Prozessordnung der letzten Synode spricht dagegen.

Ist diese Synodalität apostolisch? Nein. Sie ist es nicht. Bewegen wir uns noch auf dem Boden des jüngsten Konzils? Nein, wir tun es nicht. Wir erinnern uns:

  • Das Zweite Vatikanische Konzil lehrt in der Dogmatischen Konstitution «Lumen Gentium» (LG) über die Bischöfe: «Als Glieder des Bischofskollegiums und rechtmässige Nachfolger der Apostel sind sie aufgrund von Christi Stiftung und Vorschrift zur Sorge für die Gesamtkirche gehalten» (LG 23).
  • Das Konzil lehrt über die Bischöfe, dass sie an Gottes Stelle der Herde vorstehen, deren Hirten sie sind: als Lehrer in der Unterweisung, als Priester im heiligen Kult, als Diener in der Leitung (LG 20).
  • Das Konzil lehrt über die Bischöfe, dass sie «aufgrund göttlicher Einsetzung an die Stelle der Apostel als Hirten der Kirche getreten sind. Wer sie hört, hört Christus, und wer sie verachtet, verachtet Christus und ihn, der Christus gesandt hat» (LG 20).
  • Das Konzil lehrt über die Bischöfe, dass die Bischofsweihe mit dem Amt der Heiligung auch die Ämter der Lehre und der Leitung überträgt. (LG 21). In kanonisches Recht übersetzt: «Allein Kleriker können Ämter erhalten, zu deren Ausübung Weihegewalt oder kirchliche Leitungsgewalt erforderlich ist» (can. 274 CIC).
  • Das Konzil lehrt über die Bischöfe, dass nur sie authentische, mit der Autorität Christi ausgerüstete Lehrer sind (LG 25), und dass sie die Verwaltung der Sakramente mit ihrer Autorität ordnen (LG 26).
  • Das Konzil lehrt über die Bischöfe, dass sie die ihnen zugewiesenen Teilkirchen als Stellvertreter und Gesandte Christi durch Rat, Zuspruch, Beispiel, aber auch in Autorität und heiliger Vollmacht leiten, und dass ihnen diese Gewalt, die sie im Namen Christi persönlich ausüben, als eigene, ordentliche und unmittelbare Gewalt zukommt (LG 27).
  • Das Konzil lehrt über die Bischöfe, dass sie zusammen mit dem Papst und unter seiner Autorität das Werk Christi, des ewigen Hirten, durch alle Zeiten fortsetzen. «Daher sind die Bischöfe durch den Heiligen Geist, der ihnen mitgeteilt worden ist, wahre und authentische Lehrer des Glaubens, Priester und Hirten geworden» («Christus Dominus» 2).
  • Das Konzil lehrt über die Bischöfe, dass aus den verschiedenen Gegenden der Erde ausgewählte Bischöfe dem obersten Hirten der Kirche in einem Rat, der die Bezeichnung «Bischofssynode» trägt, wirksam beistehen (CD 5).
  • Das Konzil hält am wesenhaften, nicht graduellen Unterschied zwischen dem gemeinsamen Priestertum der Gläubigen und dem Priestertum der Bischöfe und Priester fest (LG 10).
  • Das Konzil lehrt über die Laien, dass sie zur Mitarbeit mit dem Apostolat der Hierarchie berufen sind und von der Hierarchie zu gewissen kirchlichen Ämtern herangezogen werden können, die geistlichen Zielen dienen (LG 33).

Aufgrund dieser Vorgaben hält das kanonische Recht fest, dass zur Übernahme von Leitungsgewalt, die es aufgrund göttlicher Einsetzung in der Kirche gibt und die auch Jurisdiktionsgewalt genannt wird, nur diejenigen befähigt sind, die die heilige Weihe empfangen haben, Laien aber bei der Ausübung dieser Gewalt nach Massgabe des Rechtes mitwirken können (can. 129 § 1 und § 2 CIC).

Diese Mitwirkung bedeutet aber nicht, dass die bischöfliche Leitungsvollmacht durch eine Art Gewaltenteilung bei der Leitung der Kirche kraft eines egalitären Stimmrechts auf Laien ausgedehnt wird, die zusammen mit den Bischöfen in den synodalen Räten Einsitz nehmen und mit letzteren auf Augenhöhe am Sitzungstisch gemeinsam entscheiden (Mehrheitsentscheide). Damit wird nämlich nicht nur den Boden des Konzils verlassen, sondern auch die Apostolizität und Sakramentalität des Leitungsamtes unterminiert und durch eine Art synodaler Parlamentarismus neutralisiert (sog. Gewaltenteilung). Die Folgen sind absehbar. Im kirchlichen Osten weiss man das. Nur im lateinischen Westen wird weiterhin gezündelt.


Weihbischof em. Marian Eleganti


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    Daniel Ric 24.03.2024 um 11:48
    Leider ist es so, dass Bischöfe und Priester heutzutage in der Schweiz vor allem einer sitzenden Kirche vorstehen, die ihre Zeit nicht bei den Menschen, sondern hinter verschlossenen Türen verbringt. Dieses Problem betrifft jedoch nicht nur die Kirche, sondern auch andere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Man führt Sitzungen, nicht um Probleme zu lösen, sondern um Sitzungen abzuhalten. In der jetzigen Kirchenkrise führt dies zu einem existentiellen Problem, da die Kirche neue Wege finden muss, die Menschen zu erreichen. Die Kreativität für solche Ideen bei Sitzungen mit den immer gleichen Leuten zu finden, bezweifle ich. Weiter möchte ich zu bedenken geben, dass dieser Prozess, dass Bischöfe nicht mehr die Leitung der Diözese in der Hand haben, bereits seit sehr langem im Gange ist. Unter Kardinal Koch war der Personalverantwortliche, Fabian Berz, der eigentliche Chef des Bistums. Unter Bischof Huonder hatten Martin Kopp und Josef Annen in der Urschweiz bzw. in Zürich das Sagen. Die jüngste Entwicklung ist daher nicht neu, sondern hat eine lange Vorgeschichte, an der sich viele schuldig gemacht haben. Die Frage ist nun, wie man wieder eine bischöfliche Autorität herstellen kann. Unser lieber Provokateur Hansjörg (meine ich übrigens sogar positiv, da es solche Menschen braucht) hat natürlich schon recht. Die Gesellschaft hat sich gewandelt und man kann nun nicht darauf hoffen, eine Autorität, die verloren gegangen ist, einfach zurückzufordern. Meines Erachtens braucht es nun Bischöfe, die jenseits der in der Schweiz so beliebten kirchlichen Kategorien konservativ und progressiv das Evangelium durch Wort und Tat verkörpern. Bischof Bonnemain war so ein Hoffnungsträger, der mich aber enttäuscht hat. Ich bin aber überzeugt, dass es Priester in der Schweiz gibt, welche diesem Profil entsprechen würden.
  • user
    Martin Meier-Schnüriger 23.03.2024 um 11:01
    Danke, lieber Bischof Marian, für Ihre klare Analyse! In diesem Zusammenhang möchte ich an zwei Papiere erinnern, deren Umsetzung die Kirche in der Schweiz an Haupt und Gliedern gesunden lassen würde. Es handelt sich um das "Vademecum" der Schweizer Bischofskonferenz von 2013 und die Schrift "Pfarrei heute" von Pfarrer Josef Stadler aus dem Jahr 2010. In beiden Dokumenten wird aufgezeigt, wie die Kirche der Zukunft in unserem Land aussehen könnte, und zwar in völliger Übereinstimmung mit der Lehre der katholischen Kirche und unterwegs mit Jesus Christus.
  • user
    Kurt Wiedmer 22.03.2024 um 17:52
    Es tut gut die Stimme eines treuen Hirten zu hören. Als Konvertit und "Ältester" einer Freikirche vermisse ich manchmal die Möglichkeit das Wort Gottes teilen zu können. Ich bin auch überzeugt, dass viel ungenutztes Potential von enthusiastischen Gläubigen brach liegt. Hier gilt es Wege zu finden, dieses Potential zu nutzen. Letzteres setzt aber immer einen treuen Bischof voraus der fest in der Lehre der Apostel verankert ist und seinen "Schafen" den guten und wahren Weg aufzeigt und sie vor Irrlehre beschützt. Wo Bischöfe die Lehre der Kirche - die Wahrheit - verlassen, da sind jene die ihnen folgen dazu verdammt "Schaden" anzurichten. Gott bewahre! Gott bewahre!
  • user
    Hansjörg 22.03.2024 um 13:48
    Eventuell ist die Zeit vorbei, als die Katholikinnen einfach Teil einer Herde sein wollten, und ihrem Hirten ohne selbst nachzudenken gefolgt sind. Eventuell glauben auch nicht mehr alle Katholiken, dass die Bischöfe "aufgrund göttlicher Einsetzung" an ihrer Position sind.
    Die Menschen wandeln sich seit tausenden von Jahren. In den letzten Jahrzehnten um ein vielfaches schneller als im Mittelalter. So muss sich auch die Kirche wandeln.
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    Claudio Tessari 21.03.2024 um 16:38
    Vergelts Gott lieber Bischof Marian für diese klare Analyse.
  • user
    Kurt Vogt 21.03.2024 um 10:24
    "Synodalismus und Gremienkatholizismus" ist der Titel dieses Artikels. Der Artikel sollte allerdings mit verschiedensten Akzenten ergänzt werden, denn es stellt sich die Frage, ob hier von Deutschland, von Österreich oder der Schweiz geredet wird - und dann vom synodalen Prozess der Weltkirche.
    Es erstaunt mich immer wieder in dieser ganzen Diskussion, wie gerade die Situation von Deutschland mit derjenigen in der Schweiz vermischt wird, statt eindeutig voneinander zu trennen und zu unterscheiden.
    Das duale System in der Schweiz, das schon längst einer Weiterentwicklung und Ausmerzung der Fehler bedarf, hat viele zusätzliche Mitsprachemöglichkeiten geschaffen. Doch waren diese auch schon zuvor gegeben in kirchlichen Stiftungen, Institutionen usw.
    Seit mehr als 30 Jahren redet man z.B. im Bistum Chur, dass dringendst einfachere Strukturen geschaffen werden müssen mit weniger Gremien und Untergremien usw. - Stattdessen werden immer wieder neue Kommissionen und Gremien geschaffen, die dann wiederum in Kompetenzabgrenzugsfragen zu schon bestehenden Kommissionen/Gremien stehen. Bei dringendst notwendigen Lösungen heisst es jedoch dann: "Wir sind nicht zuständig".
    So wäre ein klärender Reinigungsprozess in diesem Dickicht sinnvoll und dann wäre auch erfahrbar, welche Kompetenzen viele Gremien schon haben. z.B. In keinem deutschsprachigen Schweizer Bistum kann ein Bischof mehr einen Priester/Seelsorgenden anstellen in einer Pfarrei ohne die verschiedensten Gremien. Oder: Ohne Finanzen, die öffentlich-rechtliche Körperschaften einbringen (da sie die Steuern erhalten) sind etliche Projekte nicht möglich.
    Es gibt einen alten Spruch: "Schuster bleib bei deinen Leisten"