«The fin de siècle newspaper proprietor» vom 7. März 1894. (Bild: Frederick Burr Opper, Public domain via Wikimedia Commons)

Mit spitzer Feder

Tages-​Anzeiger alias Tages-​Anlüger

«Wir haben Michael Meier vom ‹Tages-​Anzeiger› als Investigativ-​Quelle für katho­li­sche The­men über­holt und abge­hängt», lobte sich gross­spu­rig der aus dem gros­sen Kan­ton ein­ge­si­ckerte «kath.ch»-Redaktionsleiter Raphael Rauch gleich selbst (vgl. Jah­res­be­richt 2020 des «Schwei­ze­ri­schen Katho­li­schen Pressevereins»).

Ein Fake, denn der 1955 geborene Michael Meier wurde weder überholt noch abgehängt, sondern war kurz zuvor aus der Redaktion des «Tages-Anzeiger» ausgeschieden. Niemand von seinen Kolleginnen und Kollegen konnte oder wollte jedoch in die Fussstapfen seines antikatholisch kontaminierten Journalismus treten.

Noch so gern in die Lücke sprang «kath.ch». Unter der Ägide von Raphael Rauch toppte dieses Medienportal Meiers «Antirömischen Affekt» (Hans Urs von Balthasar) in kurzer Zeit und steigerte ihn gar zum «Antirömischen Defekt». Offensichtlich mochte der «Tages-Anzeiger» diese schlagzeilenträchtige Themenbewirtschaftung auf Dauer nicht kampflos einem vergleichsweisen Online-Medium en miniature überlassen. Die Pilotstudie über den sexuellen Missbrauch im Umfeld der Katholischen Kirche war der gegebene Anlass, um verlorenes Terrain aufzuholen. Am 15. Dezember war es so weit. Jean-Martin Büttner, dem der «Tages-Anzeiger» im Jahre 2020 nach 37 Jahren «aus persönlichen Gründen»(!) gekündigt hatte, kehrte nach einem verunglückten Intermezzo bei der «Weltwoche» als «freier Journalist» zu seinem Stammclub zurück. In seinem Beitrag «Kirchenaustritte sind die einzig richtige Reaktion» holte er zu einem ressentimentzerfressenen Rundumschlag aus. Ungefragt macht er sich zum Sprachrohr des Kirchenvolkes, das von den Beschwichtigungs- und Vertuschungsversuchen der Kirchenleitung endgültig die Nase voll habe. In seinem blindwütigen Furor schreibt er sich von Zeile zu Zeile immer mehr in Rage: Die Kirche agiere wie eine ausserrechtliche Organisation, der Mafia ähnlich. Als Vehikel dient ihm die genannte Pilotstudie, die eine «überwältigende Zahl bekannt gewordener Missbrauchsfälle belege». Belege? Die behaupteten 1002 sexuellen Missbrauchsfälle werden von wenigen Fallbeispielen abgesehen mitnichten belegt. Es muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass es sich bei einer nicht unerheblichen Zahl dieser 1002 Fälle nicht um «sexuelle Missbräuche» handelt.

In diese Richtung weist jedenfalls die Recherche «Exklusiver Blick in den ‹Giftschrank› des Bischofs» von Andreas Maurer in der «Aargauer Zeitung» vom 9. Dezember 2023. Letzterer hat darin fünf Fälle detailliert analysiert und beschrieben, alle im Dunstkreis der sexuellen Missbräuche angesiedelt. Effektiv haben zwei dieser fünf Fälle, also 40 Prozent, mit sexuellem Missbrauch nichts zu tun. In dem einen Fall unterhielt ein Pfarrer ein Verhältnis zu einer Coiffeuse – von beiden Seiten als einvernehmlich und gewollt bezeichnet. Im zweiten Fall erregte der Pfarrer Ärgernis in Teilen des Kirchenvolkes, weil er eine unübliche Vorliebe für das Fotografieren von Frauen an den Tag legte – Fotos, die aus heutiger Sicht gemäss Autor Andreas Maurer als geradezu bieder klassifiziert würden. Selbstredend kann die Zahl von fünf Fällen keine Repräsentativität für sich beanspruchen, aber ein Indiz ist sie allemal.

Und wie sieht es mit der von Büttner unterstellten Tatenlosigkeit der Bischöfe tatsächlich aus?

Die Bischofskonferenz teilte in ihrem jüngsten Communiqué vom 1. Dezember 2023 mit, dass sie den Genugtuungsfonds mit weiteren Fr. 300 000 Franken aufstocken. Die Errichtung einer nationalen, hierarchieunabhängigen Meldestelle für Betroffene ist beschlossene Sache. Und soeben hat der Vatikan auf Betreiben der Bischöfe grünes Licht gegeben zur Schaffung eines schweizweiten kirchlichen Strafgerichts, um Fälle von sexuellem Missbrauch zu ahnden. Ebenso müssen in Zukunft kirchliche Mitarbeiter vor dem Stellenantritt einen speziellen Strafregisterauszug, den sogenannten Sonderprivatauszug, vorlegen. Dieser gibt u. a. Auskunft darüber, ob eine Person aufgrund einer Vorstrafe nicht mehr mit Kindern arbeiten darf.

Ungeachtet dieses eindrücklichen, nicht abschliessend aufgelisteten Massnahmenkatalogs bilanziert Büttner: «Die Kirche verharrt im Ankündigungsmodus […] Man will weitermachen wie bisher. Also nichts tun.» Fazit: Der «Tages-Anzeiger» hat sich seinen Spitznamen wieder einmal ehr- und redlich verdient: «Tages-Anlüger».


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

E-Mail

Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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Bemerkungen :

  • user
    Anita Wick 19.12.2023 um 09:58
    Gut geschrieben, Herr Herzog. Ich habe mich immer über Herrn Meier gewundert, sogar geärgert und fragte mich, woher dieser abgrundtiefe Hass auf die Katholische Kirche wohl stammt. Über den Boulevard-Journalist Rauch äussere ich mich nicht, da sind mir die Buchstaben zu schade. Auch über seine Nachfolgerin kann ich nur den Kopf schütteln. Dass die Schweiz. Bischofskonferenz diese Plattform weiterhin unterstützt, ist mir ebenfalls ein Rätsel. Gut gibt es SwissCath. Gerade wohltuend zu lesen und zu erfahren, dass es noch andere Themen gibt, über die es sich lohn zu berichten. Weiter so.
    • user
      Ferdi23 19.12.2023 um 21:41
      Michael Meiers Hass auf die katholische Kirche ist in der Tat frappant. In gefühlten 90 Prozent seiner Artikel im „Tages-Anzeiger“ musste die katholische Kirche als Zielscheibe herhalten. Der Träger des „Herbert-Haag-Preises für Freiheit und Menschlichkeit in der Kirche“ (2006) wurde tatsachenwidrig z. B. in Wikipedia als „römisch-katholischer Theologe“ bezeichnet. Könnte es sein, dass er im Gefolge seiner schliesslich gescheiterten Konversion zur katholischen Kirche eine Art Hassliebe entwickelt hat?