Elisa Waldvogel am Steuer

Interview Pro Life

Tri­so­mie 21 ist keine End­sta­tion, son­dern der Anfang einer wun­der­ba­ren Erdenreise

Das fol­gende Inter­view wird im Report 122 von HLI-​Schweiz erschei­nen. An der letz­ten Gene­ral­ver­samm­lung von HLI-​Schweiz wurde ange­regt, mehr Posi­ti­ves bezüg­lich Lebens­schutz zu berich­ten. Dazu passt das fol­gende Inter­view mit Frau Michaela Wald­vo­gel bes­tens. Es geht um ihre Toch­ter Elisa, die mit Tri­so­mie 21 (auch bekannt als Down-​Syndrom) gebo­ren wurde. Die Fra­gen stellte Pfr. Roland Graf.

Frau Waldvogel, Ihre Tochter wurde mit Trisomie 21 geboren. Können Sie kurz beschreiben, was das bedeutet?
Trisomie 21 wird nicht als Krankheit definiert, sondern es ist eine Chromosomenstörung. Das 21. Chromosom ist dreifach vorhanden. Neben Entwicklungsverzögerungen können auch verschiedene Begleiterkrankungen auftreten. Viele Kinder kommen mit einem Herzfehler zur Welt. So auch unsere Elisa. Sie hatte einen sogenannten Vorhofscheidewanddefekt Typ II. Doch dieser regulierte sich selbst innerhalb von 4 Jahren. Mittlerweile müssen wir nur noch alle 5 Jahre zum Ultraschall, um sicherzugehen, dass immer noch alles in Ordnung ist und auch um den Lungendruck zu kontrollieren. Menschen mit Trisomie 21 haben einen ausgeprägten Willen und eine starke Weglauftendenz. Sie haben einen unglaublichen Entdeckerdrang, können aber gleichzeitig Gefahren nicht einschätzen. Ausserdem zeigen sie keinerlei Scheu vor fremden Menschen.

Hatten Sie während Ihrer Schwangerschaft Tests machen lassen, mit denen sich die Wahrscheinlichkeit für Trisomie 21 berechnen lässt oder invasive pränatale Diagnostik?
Nein, obwohl ich eine Risikoschwangerschaft hatte und insgesamt 2 ½ Monate im Krankenhaus war, haben wir alle Tests abgelehnt. Für uns war immer klar, dass wir dieses Kind wollen, egal was es mitbringt. Wir mussten uns gegen Ärzte wehren, die das Kind aufgrund von Komplikationen bei mir abtreiben wollten und natürlich wurde uns immer wieder geraten, wir sollen die pränatalen Tests machen. Doch beides kam zu keiner Zeit für uns in Frage. Wir sind für das Leben, es liegt nicht in unserer Hand, wer leben darf und wer nicht und in welcher gesundheitlichen Verfassung.

Wann haben Sie realisiert, dass Ihre Tochter Trisomie 21 hat?
Kurz nach der Geburt von Elisa sind meinem Mann und mir die mandelförmigen Augen aufgefallen. Nach etwa drei Stunden sprachen wir das erste Mal darüber. Wir waren uns beide fast sicher, dass sie Trisomie 21 mitgebracht hatte. Doch weder Hebammen noch Ärzte sprachen uns darauf an. Drei Tage später fragte ich eine Hebamme, ob ihr das nicht auch aufgefallen sei und sie meinte, ja, sie und die Ärzte hätten das auch bemerkt. Es kam dann ein Kinderarzt ins Krankenhaus und untersuchte sie. Doch er meinte, ausser den Augen und einer durchgehenden Handfurche sei ihm nichts aufgefallen. Da Elisa einen zu hohen Bilirubinwert hatte und nicht weiter im Krankenhaus behandelt werden konnte, wo sie geboren wurde, mussten wir dann in ein anderes Krankenhaus. Da wurde ein Chromosomenschnelltest gemacht und alle Organe untersucht. Am 10. Tag bekamen wir die definitive Bestätigung für Trisomie 21.

«Wir sind für das Leben, es liegt nicht in unserer Hand, wer leben darf und wer nicht und in welcher gesundheitlichen Verfassung.»

Wie hat das medizinische Personal auf die Diagnose reagiert und haben sie von medizinischer Seite Hilfe erfahren, worauf Sie bei Ihrem Kind besonders achten müssen?
Nachdem das Krankenhaus die Testresultate bekam, wurde ich ins Arztzimmer zitiert. Die Assistenzärztin wollte nicht einmal auf meinen Mann warten, der 10 Minuten später eintraf. Sie hat mir dann sehr empathielos das Ergebnis mitgeteilt. Sie hat die Zukunft von Elisa schwarzgemalt und nur aufgezählt, welche Krankheiten sie noch bekommen könnte und welche Dinge sie nie lernen wird. Das Gespräch dauerte 10 Minuten. Dann kam mein Mann und wir wurden erneut ins Ärztezimmer gebeten, wo sie uns die gleichen Dinge zusammen nochmals erzählte. Dann drückte sie uns einen Zettel in die Hand mit einer Telefonnummer, wo wir uns bei Fragen melden konnten. Der Anruf kostete pro Minute drei Franken und wir wären wohl arm geworden bei einem Anruf, weil wir viele Fragen hatten. Keine 30 Minuten später waren wir auf dem Heimweg mit unserer Tochter, ohne Informationen und ziemlich ratlos, was uns jetzt erwartet.

Für die Eltern ist die Diagnose Trisomie 21 zunächst wohl ein Schock. Was hat Ihnen geholfen, damit umzugehen?
Wir sind mit Elisa nach Hause und haben sofort im Internet nach Informationen gesucht. Dabei haben wir ein Video gefunden von Insieme, was uns sehr zum Lachen gebracht hat. Das war sehr heilsam. Und wir mussten feststellen, alles, was die Ärztin uns erzählte, eintreffen kann, aber es muss nicht. Es gibt so viele gesunde Kinder mit Trisomie 21. Von Käthi Kaufmann, Präsidentin von IG Familie 3 Plus, habe ich dann eine Telefonnummer vermittelt bekommen, von einer Familie mit einem älteren Kind mit Trisomie 21. Dieses Gespräch hat mir auch sehr geholfen.
Heute gibt es zum Glück den Verein Hope21, der hier wertvolle Aufklärungsarbeit leistet und für den wir uns engagieren. Das war uns sehr wichtig, dass es für werdende Eltern von Trisomie 21-Kindern oder solche, die gerade ein Kind bekommen haben, eine Anlaufstelle gibt, wo sie ausgewogen und nicht einseitig informiert werden. Wenn wir nur ein Elternpaar überzeugen können, dass ein Kind mit Trisomie 21 nicht nur eine Belastung ist, sondern auch unendlich grosses Glück bedeuten kann, dann hat sich der ganze Aufwand gelohnt. Auch der neu gegründete Verein Adastra ist eine grosse Hilfe. Es ist ein Netzwerk für Eltern mit einem schwerkranken oder behinderten Kind. Der Austausch über die alltäglichen Hürden, aber auch über die Fortschritte unserer Kinder ist sehr wertvoll und die regelmässigen Treffen bedeuten eine kleine Auszeit vom Alltag.

Wie hat Elisa das Leben Ihrer Familie verändert?
Unser Alltag ist hektischer geworden, lauter, wir mussten uns sehr an Elisas Rhythmus anpassen. Ausflüge mit ihr sind anstrengend, weil sie dauernd in Bewegung ist und viele Leute um sie herum und hohe Geräuschpegel überfordern sie sehr schnell. Aber wir haben immer wieder so viel zu lachen mit ihr. Sie hat eine unverblümte, offene Art. So geht sie auch auf die Menschen zu. Dank ihr sind wir schon mit vielen in Kontakt gekommen, die wir ohne sie nie kennengelernt hätten. Dabei sind auch viele interessante Gespräche zusammen gekommen. Wir mussten uns auch auf viel Neues einlassen. So zum Beispiel auf all die IV-Abklärungen und Revisionen, die jeweils sehr belastend sind, da man dort nur defizitorientiert ist und es nicht darum geht, all ihre Fortschritte zu bewerten, und dass man auch mal vor Gericht muss, um für Elisas Rechte zu kämpfen. Wir konnten dank der IV Assistenzpersonen einstellen, die uns etwas entlasten. Das war anfangs auch gewöhnungsbedürftig, regelmässig fremde Menschen im Haus zu haben. Doch heute schätzen wir die Hilfe sehr.

Elisa ist jetzt 9 Jahre alt und geht in die örtliche Primarschule. Welche Erfahrungen haben Sie und Elisa seither gemacht?
Elisa besucht die 2. Regelklasse im Dorf. Für uns war die Integration die beste Entscheidung. Als sie im August in den Kindergarten kam, konnte sie praktisch nicht sprechen. Bis zu den Herbstferien bildete sie bereits kurze Sätze. Auch heute noch macht sie täglich Fortschritte in jedem Bereich. Die Entwicklung, die sie bisher durchgemacht hat, ist erstaunlich, auch wenn es nicht immer einfach war. Damit die Integration zustande kommt, braucht es viele Stellen, die dazu bereit sind. Es gibt regelmässige Standortgespräche, wo zusammen mit der Schulleitung, den Lehrpersonen, Heilpädagogen, der heilpädagogischen Schule und der Schulpsychologin besprochen wird, was Elisa alles erreicht hat und wie es weiter geht. Da muss dann schlussendlich der Kanton, wie auch die Gemeinde einverstanden sein.

Sie sind anderen betroffenen Eltern behilflich. Auf welche Weise?
Wir sind Mitglied vom Verein Hope21, sind da registriert als HopeFamily und durften auch schon eine Familie, die ein Kind mit Triomie 21 erwartete, beraten. In nächster Zeit darf ich drei Familien besuchen für ein Aufnahmegespräch, die auch ein Teil der HopeFamily werden möchten. Zudem schreibe ich einen Blog im Facebook (Das kleine Extra Glück) und neu auf Instagram (Kleines Extra Glück). Da gebe ich Einblicke in unseren Alltag mit Elisa, schreibe über die schönen, aber auch die nicht so schönen Momente. In erster Linie will ich allen Eltern, die ein Kind mit Trisomie 21 erwarten, zeigen, dass dies keine Endstation ist, sondern der Anfang einer wunderbaren Erdenreise, wenn man den Mut hat, sich darauf einzulassen.

Verein Hope21: www.hope21.ch

Adastra Verein – Ein Netzwerk für Eltern schwerkranker oder behinderter Kinder: https://web.adastraverein.ch


Redaktion


Kommentare und Antworten

×

Name ist erforderlich!

Geben Sie einen gültigen Namen ein

Gültige E-Mail ist erforderlich!

Gib eine gültige E-Mail Adresse ein

Kommentar ist erforderlich!

You have reached the limit for comments!

* Diese Felder sind erforderlich.

Sei der Erste, der kommentiert