Dass die katholische Religion eine Religion der Künste ist, ist allgemein bekannt. Die Kunstgeschichte des Abendlandes ist nicht nachvollziehbar, ohne katholisches Denken und Fühlen zu verstehen. Die mittelalterlichen Buchmalereien, die gotischen Kathedralen, die Skulpturen und Gemälde aus der Renaissance- und Barockzeit sprechen alle vom katholischen Leben, das um die Menschwerdung Gottes und das Geschick seiner Kirche auf Erden kreist. Doch diese enge Bindung der Kirche und der Künste scheint in der Moderne verlorengegangen zu sein. Kaum jemand assoziiert katholische Kunst mit moderner oder zeitgenössischer Kunst. Ein weit verbreitetes Vorurteil sieht die katholische Kirche in steter Spannung zu jeglicher Kultur, die kein simples Nachbeten ihrer Dogmen ist. Und dennoch ist eines der prominentesten der ungefähr 9000 Kunstwerke der modernen Sammlung des Vatikans ein Gemälde (Crocifissione von 1928) des Futuristen Gerardo Dottori. Kaum eine Kunstströmung steht in grösserer Spannung zur katholischen Weltsicht als der gewalt-, geschwindigkeits- und fortschrittsverherrlichende, betont aggressive Futurismus. Und dennoch ist dieses Werk, eingebettet zwischen den Giganten Raffael und Michelangelo, im Vatikan anzutreffen.
Ein Papst der Künste: Paul VI.
Die Entstehung dieser Sammlung hängt eng mit Papst Paul VI. zusammen, einem leidenschaftlichen Förderer der Künste. 1964, zum Abschluss des 2. Vatikanischen Konzils, adressierte er persönlich die Kunstschaffenden seiner Zeit, in der Hoffnung, die einst enge Bindung zwischen der Kirche und den Künsten wieder zu stärken. Er sprach damals zu Kunstschaffenden aller Disziplinen: «Seid Ihr Freunde genuiner Kunst, so seid Ihr unsere Freunde!» und würdigte den Dienst, den die Künste zu jeder Zeit für Wahrheit und Schönheit geleistet haben. Damit startete Paul VI., der 2018 von Papst Franziskus heiliggesprochen wurde, eine Tradition, die von den folgenden Päpsten weitergeführt wurde. Johannes Paul II., der selbst in seiner Jugend Schauspieler und Theaterdichter war, Benedikt XVI. und Franziskus adressierten ihrerseits die Kunstschaffenden, um diese Beziehung zu pflegen. Paul VI. beschloss, eine Sammlung von moderner Sakralkunst zu gründen. Der Grossteil dieser Sammlung kam damals durch Schenkungen an den Papst zustande, die den kleinen Bestand an Kunstwerken aus dem 19. Jahrhundert, die unter Pius XII. zusammengetragen wurde, ergänzte. Über zehn Jahre lang arbeitete Msgr. Pasquale Macchi, der Privatsekretär von Paul VI., an der Sammlung. 1973 wurde diese eröffnet. Seitdem kommen immer neue Werke hinzu. Erst 2023 zur Feier des 50-jährigen Jubiläums der Sammlung wurden zehn neue Werke aufgenommen. Heute ist sie eine der grössten Sammlungen moderner Sakralkunst der Welt und beinhaltet Werke von Van Gogh, Matisse, Chagall, De Chirico, El Anatsui und vielen mehr.
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