Synodalversammlung im Herbst 2022. (Bild: © Synodaler Weg/Maximilian von Lachner)

Weltkirche

Vier Frauen haben genug

Hanna-​Barbara Gerl-​Falkovitz, Mari­anne Schlos­ser, Doro­thea Schmidt und Katha­rina West­er­horst­mann reicht’s. Die vier Frauen ver­las­sen den deut­schen «Syn­oda­len Weg» kurz vor der letz­ten Syn­odal­ver­samm­lung. In ihrer öffent­li­chen Erklä­rung üben sie deut­li­che Kri­tik am unde­mo­kra­ti­schen Pro­ze­dere des auf einen Bruch mit der Kir­che zusteu­ern­den deut­schen Sonderweges.

Wir waren seit 2019 Delegierte der Deutschen Bischofskonferenz für den «Synodalen Weg» der katholischen Kirche in Deutschland. Dessen erklärtes Ziel war die Aufarbeitung der Fälle von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche. Im Zuge dessen wurden jedoch auch zentrale katholische Lehren und Überzeugungen in Zweifel gezogen. Diesen Weg, auf dem sich nach unserer Einschätzung die Kirche in Deutschland mehr und mehr von der Weltkirche entfernt, können wir nicht mehr mitgehen.

Nach reiflicher Überlegung haben wir uns daher entschlossen, an der bevorstehenden letzten Synodalversammlung vom 9. bis 11. März 2023 nicht mehr teilzunehmen und aus dem «Synodalen Weg» auszuscheiden. Hiermit legen wir unser Mandat nieder. Die Mitwirkung an einem Prozess, in dem wiederholt Interventionen und Klarstellungen von Seiten vatikanischer Stellen und des Papstes selbst ignoriert wurden, würde bedeuten, einen Kurs mitzutragen, der die Kirche in Deutschland offenkundig ins Abseits von der Universalkirche treibt. Das können und wollen wir nicht mitverantworten.

Die Beschlüsse der vergangenen drei Jahre haben wesentliche Grundlagen der katholischen Theologie, Anthropologie wie auch der kirchlichen Praxis nicht nur in Frage gestellt, sondern reformuliert und zum Teil gänzlich neu definiert. Dabei wurde nicht geklärt, was ein valides theologisches Argument sein kann. Bei der Ausarbeitung der Beschlussvorlagen und ihrer Diskussionen fanden ernsthafte Einwände zugunsten der aktuell geltenden kirchlichen Lehre kaum Berücksichtigung.

Wenn Entscheidungsfindung zudem unter massivem (Zeit-)Druck stattfinden muss, dann ist der Anspruch der Synodalität nicht gewahrt. Es hat uns besonders befremdet, wie im Rahmen der letzten Synodalversammlung der Antrag auf geheime Abstimmung abgelehnt und die Ergebnisse der namentlichen Stimmabgabe im Internet veröffentlicht wurden – trotz der gleichzeitigen Forderung nach demokratischen Standards in der Kirche.

Letzter Anlass unserer Entscheidung ist nun die Tatsache, dass das jüngste Schreiben aus Rom vom 16. Januar 2023, unterzeichnet von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin sowie den Kardinälen Luis Ladaria und Marc Ouellet, den Mitgliedern der Synodalversammlung bislang weder zugeleitet noch sonst irgendwie direkt zur Kenntnis gebracht wurde. Das Schreiben, das ausdrücklich vom Papst selbst gebilligt worden und damit rechtsbindend ist, betrifft ein zentrales Ziel des «Synodalen Weges» in Deutschland: die Errichtung des sogenannten Synodalen Rates.

Dem vatikanischen Schreiben zufolge haben weder der «Synodale Weg» noch ein von ihm eingesetztes Organ noch eine Bischofskonferenz die Kompetenz, einen «Synodalen Rat» auf nationaler, diözesaner oder pfarreilicher Ebene einzurichten. Dieser Einspruch aus Rom fand nicht einmal als Tagesordnungspunkt für die kommende Synodalversammlung Berücksichtigung. Stattdessen soll in der Synodalversammlung der «Synodale Ausschuss» eingerichtet werden, dessen erklärtes Ziel nicht zuletzt die Etablierung des «Synodalen Rates» ist.

Damit wird trotz aller Verlautbarungen aus Rom der Eindruck erweckt, es gebe keinerlei Änderungsbedarf in der Agenda des «Synodalen Weges». Diese Reaktion, eine eindeutige Intervention zu übergehen, ist leider kein Einzelfall.

Weder wurden die Hinweise zweier Kurienkardinäle (Ouellet und Ladaria) anlässlich des Ad-limina-Besuches der deutschen Bischöfe erkennbar rezipiert noch die Klarstellung des Heiligen Stuhles vom Juli 2022. Letztere hatte kurz und knapp festgestellt, niemand sei befugt, Bischöfe oder Laien «zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten». Mit der Begründung, es handle sich um ein anonymes Schreiben aus dem Vatikan, wurde es auf der Synodalversammlung im Herbst 2022 einfach ad acta gelegt.

Papst Franziskus selbst hat mehrfach sein Befremden über die weitgehend ausgebliebene Rezeption seines «Briefes an das pilgernde Gottesvolk in Deutschland» geäussert.

Vor diesem Hintergrund fragen wir uns: Wie verlässlich sind Beteuerungen von Seiten des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz oder des Präsidiums des «Synodalen Weges», man werde in der Ordnung der katholischen Weltkirche bleiben und das Kirchenrecht respektieren? Wenn Einsprüche schlicht übergangen werden und wenn «Reformen» in Bistümern bereits umgesetzt werden, welche die geltende Lehre ignorieren?

Wir sehen die Notwendigkeit einer tief greifenden Erneuerung der Kirche, die auch strukturelle Relevanz hat. Wir sind zugleich überzeugt, dass es eine Erneuerung, die den Namen verdient, nur in der Wahrung der kirchlichen Gemeinschaft über Raum und Zeit hinweg gibt – und nicht im Bruch mit ihr. Um mit John H. Newman zu sprechen: Nicht jede Änderung ist eine sinnvolle und fruchtbare Entwicklung; es gibt auch Änderungen, welche die Grundgestalt von Kirche und Offenbarung unterminieren.


Der Text wurde swiss-cath.ch von der Co-Autorin Prof. Marianne Schlosser zur Verfügung gestellt (Erstabdruck in der Zeitung «Die Welt»).

 

Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz ist eine deutsche Religionsphilosophin. Sie leitet seit 2011 das «Europäisches Institut für Philosophie und Religion» an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. in Heiligenkreuz bei Wien.

Marianne Schlosser ist Universitätsprofessorin für Theologie der Spiritualität an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

Dorothea Schmidt ist freie Journalistin.

Katharina Westerhorstmann ist Professorin für Theologie und Medizinische Ethik an der «Franciscan University of Steubenville» für den Campus in Gaming (A).


Redaktion


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