Flagellanten. Illustration in der Nürnberger Chronik von Hartmann Schedel (CCXVr).

Mit spitzer Feder

Wenn der Hir­ten­stab zur Geis­sel verkommt

Mitra, Fischer­ring und Hir­ten­stab gel­ten gemein­hin als klas­si­sche Insi­gnien des Bischofs. Letz­te­rer ver­kommt aber zur­zeit gerade hier in der Schweiz zur Geis­sel, zur Selbst­geis­se­lung . Wie das?

Die Selbstgeisselung hat eine uralte, weit in die vorchristliche Zeit zurückreichende Tradition. Gut dokumentiert sind etwa die Selbstgeisselungen im Rahmen des ägyptischen Isis-Kultes und des griechischen Dionysios-Kultes. Auch bei den alten Römern gab es diese Praxis, um damit die Fruchtbarkeit der Frauen zu stimulieren. Die Juden kannten Selbstgeisselungen bei grossen Tempelzeremonien.

Zu einem Massenphänomen wurden die Selbstgeisselungen im Mittelalter, ursprünglich als Mittel zur Busse und Reinigung begangener Sünden gedacht. Sich ausbreitende Pestseuchen und Hungersnöte wurden als Vorboten der Endzeit gedeutet – regelrechte Geisselzüge breiteten sich von Italien ausgehend in ganz Westeuropa aus.

Aktuell erleben Selbstgeisselungen gerade ein Revival, und zwar der besonderen Art. Ihre Protagonisten: Schweizer Bischöfe. Unter dem Druck einer beispiellosen medialen Hetzkampagne, befeuert von einer sogenannten Pilotstudie («Weltwoche»: «Eine Pseudo-Studie», ein «Machwerk») mit 1002 behaupteten, aber nicht belegten sexuellen Missbrauchsfällen, gaben sich die Bischöfe nicht nur einer öffentlichen Flagellation preis, sondern geisselten sich gleich auch noch selbst, nicht zuletzt in der Absicht, den eigenen Kopf aus der unter ihrer Beihilfe gezogenen Schlinge ziehen zu können.

Zu diesem Behuf haben die Bischöfe ihre Geisseln mit Quasten voller Dornen bestückt. Nebenwirkungen, schwere Nebenwirkungen waren dabei durchaus intendiert. Letztere sollten vorab «Mitbrüder im kirchlichen Dienst» treffen und sie selbst vor dem medialen Schafott verschonen: Ein Unterfangen, das mittlerweile immer groteskere Züge annimmt. So verweisen Bischof Büchel und seine Entourage auf Strafanzeigen, die sie bei den zuständigen Staatsanwaltschaften erstattet haben, obwohl die betreffenden Fälle bereits verjährt sind: Von wenigen Ausnahmen abgesehen ein Unding, eine sinnlose Mehrarbeit für die ohnehin überlastete staatliche Justiz. Doch damit nicht genug. In der Medienmitteilung vom 5. März 2024 gab Bischof Gmür bekannt, er habe seit dem 12. September 2023 10 Strafanzeigen eingereicht, davon «betreffen 8 Strafanzeigen verstorbene beschuldigte Personen». Der Freiburger Diözesanbischof Charles Morerod seinerseits war sich nicht zu schade, eigens eine Pressekonferenz einzuberufen, bloss um urbi et orbi kundzutun, dass gegen seinen bereits am 21. September 2010 verstorbenen Vorgänger im Bischofsamt, Bernard Genoud, jüngst Klagen wegen sexueller Vergehen erhoben worden seien. Nicht einmal Tote, und seien es Bischöfe, bleiben vor diesem postmortalen Overkill verschont. Bischof Josef Maria Bonnemain benutzte die Bühne der Hauptausgabe der Tagesschau SRF vom 5. März 2024, um von 120 bis 130 neuen Fällen seit der Publikation der Pilotstudie zu berichten. Letztere blieb dabei selbstredend von jeglicher noch so berechtigten Kritik verschont – Kunststück, hat er sie doch selbst in Auftrag gegeben. Die genannten Fälle reichen von Vergewaltigungen bis hin zu «kleinen Berührungen» – was die Ringier-Presse nicht hinderte, pauschal von «Verbrechen» zu schreiben – Freund Rauch lässt grüssen.

Wer hätte gedacht, wie modern und aktuell das Mittelalter mit seinen (Selbst-)Geisselungen in unserer ach so aufgeklärten Zeit wieder werden könnte.


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

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Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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Bemerkungen :

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    Erich Häring 12.03.2024 um 13:36
    Thomas Großbölting: Die schuldigen Hirten. Geschichte des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche, Verlag Herder 2022, 288 Seiten, ISBN: 978-3-451-38998-6, 24 Euro.

    ……kann zur „Geisselung der Bischöfe“ aus meiner Sicht sachlich einen offeneren und sachlichen Beitrag liefern als der Inweis auf die WELTWOCHE“.
  • user
    John Henry 08.03.2024 um 18:41
    Unser Problem liegt viel tiefer. Ich davon aus, dass ca. 95% aller “Katholiken” in der Schweiz 🇨🇭 unbekehrte Namenschristen sind, die weder die Bibel noch den Katechismus kennen und die Dogmen der Kirche und die Gebote Gottes als veränderbar betrachten. Ihre geistlichen “Kinder” sind heute Theologen, Katecheten, Kirchenratsmitglieder, Priester und sogar Oberhirten. Wäre ich Bischof, dann würde ich mich mit rechtgläubigen Führungspersonen umgeben, kath.ch mit gläubigen Katholiken besetzen, eine Hochschule mit rechtgläubigen Theologen schaffen für den Nachwuchs, Adoray und die Seligpreisungen für die Jugendarbeit gross machen, Radio Maria als Stimme nutzen, zum Gebet für rechtgläubige Arbeiter im Weinberg unseres Herrn aufrufen, die Einheit mit allen Christen suchen und Christus überall so klar und vollmächtig predigen, dass die Kirchen sich wieder füllen. Die Steuereinnahmen gingen so wohl verloren aber Seelen könnten wieder gerettet werden und die Kirche könnte neu beginnen.
    • user
      Marquard Imfeld 11.03.2024 um 20:43
      Dem kann ich 100%ig zustimmen. Radio Maria aber nur noch 90%ig.
  • user
    Stefan Fleischer 08.03.2024 um 16:52
    Liegt es vielleicht daran, dass viele Christen (selbst Geistliche) ein klares Wort des Völkerapostels nicht mehr wirklich ernst nehmen, oder zu mindest nicht mehr zu verkünden wagen:
    «Wir kennen doch den, der gesagt hat: Mein ist die Rache, ich werde vergelten, und ferner: Der Herr wird sein Volk richten.» (Hebr 10,30)?