Symbolbild Judenverfolgung (shutterstock)

Hintergrundbericht

Wie eine Schule in Rom jüdi­sche Jun­gen vor den Nazis ver­steckte: «Sie haben mir die Haut gerettet»

Vor 80 Jah­ren hiel­ten die Nazis Rom besetzt. In der gan­zen Stadt öff­ne­ten mutige Men­schen ihre Türen und ver­steck­ten Juden vor der Ver­fol­gung – auch der Direk­tor einer katho­li­schen Schule. Ein Über­le­ben­der erin­nert sich.

Vor 80 Jahren retteten ihm die «Brüder» an diesem Ort das Leben. Jetzt sitzt Fausto Zabban auf der Bühne des Schultheaters im Collegio San Giuseppe in Rom und erzählt den Schülerinnen und Schülern seine Geschichte. Als die Nazis die italienische Hauptstadt besetzten, tauchte seine jüdische Familie unter, berichtet er. Der Vater versteckte sich an seinem Arbeitsplatz, die Mutter wurde in einem Privathaushalt als angeblich christliches Hausmädchen aufgenommen. Die beiden Söhne jedoch kamen ins Collegio zu den «Brüdern». «Dank ihnen konnten wir beide ...», setzt Zabban an, dann versagt ihm die Stimme. Die Mädchen und Jungen im Publikum klatschen.

Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs lebten in Rom Schätzungen zufolge 10 000 bis 15 000 Juden. Nachdem Italiens Regierung einen Waffenstillstand mit den Alliierten geschlossen hatte, besetzten die Deutschen im September 1943 die Hauptstadt. Sie verhafteten, deportierten und ermordeten etwa 2000 Menschen.

Etlichen gelang es jedoch, sich zu verstecken, bis die Alliierten im Juni 1944 die Stadt befreiten. Über ganz Rom verstreut öffneten Privatpersonen, Arbeitgeber und vor allem katholische Einrichtungen ihre Türen und liessen Juden und politisch Verfolgte untertauchen. Vergangenen September wurde im Archiv des Päpstlichen Bibelinstituts eine verschollen geglaubte Liste entdeckt. Sie zeigt, dass mehr als 4300 Personen in kirchlichen Häusern Schutz vor dem Zugriff der Nazis fanden.

Darunter war auch das Collegio San Giuseppe, eine katholische Schule ganz in der Nähe der Spanischen Treppe. 1850 gegründet, übertrug Papst Leo XIII. die Leitung des Instituts im Jahr 1900 an die Kongregation der Brüder der Christlichen Schulen, kurz Lasallianer. Die «Brüder», wie sie allgemein gerufen werden, versteckten während der deutschen Besatzung etwa 40 Menschen in ihrem Internat – vor allem Jungen, die sich als katholische Schüler ausgaben. Unter den Geretteten waren aber auch ein paar Erwachsene, vorgebliches Schulpersonal.

Zabban erinnert sich an seinen ersten Tag im Collegio. 14 Jahre war er damals alt, sein Bruder acht. Ihr erster Weg führte sie zu Schulleiter Sigismondo Ugo Barbaro. Der ermahnte die Jungen, ihr Name sei ab sofort nicht mehr Zabban, sondern «Zambani» – was italienischer klingt. Auch neue Vornamen bekamen sie und sie sollten erzählen, dass sie aus Apulien stammten und erst seit Kurzem in Rom seien.

Barbaro ging mit seinem Engagement ein hohes Risiko ein. Wären die Nazis ihm oder einem der wenigen Eingeweihten auf die Schliche gekommen, hätte das eine harte Strafe, vielleicht sogar den Tod, bedeutet. Heute würdigt in der Schule eine Gedenkplakette im Eingangsbereich den Einsatz.

Zudem erinnert das Collegio jedes Jahr rund um den Holocaust-Gedenktag am 27. Januar an die eigene Geschichte. Dann richtet für gewöhnlich auch Fausto Zabban ein paar Worte an die Mädchen und Jungen der Gymnasialstufe. Das fällt dem kleinen Mann mit den grauen Haaren und dem freundlichen Gesicht auch mit mittlerweile 94 Jahren nicht immer leicht. Mehrfach muss er seinen Vortrag für einige Augenblicke unterbrechen.

Als Hauptredner der diesjährigen Veranstaltung ist Mario Venezia, Stiftungspräsident des Schoah-Museums in Rom, an die Schule gekommen. Der Holocaust sei eine von Menschen gemachte Tragödie, sagt der Sohn eines KZ-Überlebenden. Sie müsse sich nicht unbedingt eins zu eins wiederholen. «Aber es ist wichtig, bestimmte Mechanismen zu erkennen, damit so etwas nicht noch einmal passiert.»

Die Gedenktage am Collegio verpasse er nie, erzählt Zabban der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Im Internat sei es ihm gut gegangen. Nur seine Eltern habe er in den Monaten der Nazi-Besatzung nicht sehen können. Einmal sei er ihnen zufällig in einem Park begegnet, als seine Klasse einen Spaziergang unternommen habe. Vater und Mutter hätten auf einer Bank gesessen. «Ich habe den Lehrer um Erlaubnis gebeten und dann bin ich zu ihnen gegangen und habe sie begrüsst», erzählt der 94-Jährige. «Natürlich ohne zu sagen, dass sie meine Eltern sind.»

Dank des Einsatzes der Menschen, die sie versteckten, überlebten die Mutter, der Vater und die beiden Söhne den Zweiten Weltkrieg. Bis heute fühle er sich dem Collegio sehr verbunden, sagt Fausto Zabban. «Sie haben mir im Grunde die Haut gerettet.»

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KNA Katholische Nachrichten-Agentur


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