Symbolbild. (Bild: Alex Proimos from Sydney, Australia, CC BY 2.0 via Wikimedia Commons)

Mit spitzer Feder

Wie libe­ral doch die Libe­ra­len sein können!

Vom Phi­lo­so­phen Vol­taire stammt der berühmte Satz: «Ich bin zwar ande­rer Mei­nung als Sie, aber ich werde mein Leben dafür ein­set­zen, dass Sie Ihre Mei­nung frei aus­spre­chen kön­nen.» Diese Bot­schaft, sozu­sa­gen die DNA der (fran­zö­si­schen) Auf­klä­rung, scheint es offen­sicht­lich nicht bis in die Eta­gen von Ver­lag und Redak­tion der «Neuen Zür­cher Zei­tung» geschafft zu haben.

Wie Roger Köppel jüngst auf seinem Medienkanal «Weltwoche Daily» bekannt gab, wollte er in der NZZ ein Inserat schalten, in dem er die Katholische Kirche verteidigte (vgl. swiss-cath.ch «Verteidigung der katholischen Kirche»). Der gellende, orchestrierte Applaus, mit dem die Medien reflexartig auf die Ergebnisse der Pilotstudie zu den Missbrauchsfällen reagierten, stimmte Köppel misstrauisch.

Hinter der flächendeckenden Wucht, die da über die Schweizer Bevölkerung hereinbrach, ortet Köppel einen Kulturkampf gegen die Katholische Kirche, insofern sie für Familie, für Tradition, für Freiheit vom Staat, für die Unterscheidung von Mann und Frau eintritt – heftigst attackiert vom Zeitgeist der LGBT-Ideologie.

Köppel klopfte bei der NZZ an, um seine Sicht der Dinge in einem Inserat darlegen zu können. Doch damit überforderte er die Gralshüterin des Liberalismus heillos. So viel selbstständiges Urteilsvermögen mochte die NZZ ihrer Leserschaft nicht zumuten – und verschmähte damit sogar den schnöden Mammon, dem sie ansonsten vorab im Wirtschaftsteil mit ungeteilter Anteilnahme zu huldigen pflegt.

Fazit: Die NZZ scheint den postmodernen Liberalismus auf ihre ganz eigene Weise zu interpretieren: «Jeder darf nach meiner Façon selig werden.» Der alte Preussenkönig Friedrich II. dürfte da ob der Umpolung seiner Maxime nur noch den Kopf schütteln.


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

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Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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Bemerkungen :

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    Erich Häring 27.09.2023 um 11:38
    Sehr geehrter Herr Herzog, natürlich kommt es darauf an, wer was unter dem Stichwort „liberal“, bzw. „Liberaler“ versteht. Die NZZ lässt regelmässig die Herren Jan-Heiner Tück, Pofessor für Kath.-Theologie an der Universität Wien, H.H. Martin Grichting, ehem. Generalvikar im Bistum Chur, Mitglied des Domkapitels Chur und Giuseppe Gracia in Gastbeiträgen der NZZ zu Wort kommen. Daher kann ich Ihrer Diagnose nicht folgen.
  • user
    Meier Pirmin 27.09.2023 um 10:07
    Der Satz wurde, wie der von Rousseau "Der Mensch ist von Natur aus gut", so nie von Voltaire gesagt, wie der andere bei Rousseau sich konkret so nicht findet. Das mit dem Leben hergeben für die falsche Meinung,, nur damit sie gesagt werden dürfe, stammt von Evelyne Beatrice Hall, Voltaire hätte für irgendwelche idiotische Falschperspektiven nicht sein Leben gegeben, das ist schon eine Verkennung seines zynischen Charakters, wobei er es mit der Religion positiver hielt als man denkt. Auch der Satz "Wenn das Volk kein Brot hat, soll es Kuchen essen", war lediglich eine Verleumdung der Königin Marie Antoinette, um ihr mit umso besserem Gewissen den Kopf abschneiden lassen zu können, selbst sexueller Missbrauch der eigenen Kinder wurde der hochgebildeten Frau vorgeworfen. "Religion ist Opium für das Volk" hat zwar Marx gesagt, aber es war ein Zitat von Heinrich Heine. Im Museum Voltaire kann man die Gesamtausgaben von Rousseau und Voltaire studieren, in Genf. Auf Schloss Verney gab Voltaire sehr viel Geld aus für die Restauration der dortigen Kapelle, was er dann auch mit einer Inschrift würdigte. Seine freilich indirekten Verteidigungen der Religion sind bedenkenswert und gehören in die Geschichte eines intellektuellen Konservativismus. Rousseau wiederum wurde von Zentralisten, Linken und Populisten permanent einseitig nach Schlagworten zitiert, nie zu Ende gelesen, wie man es in Genf leisten könnte, allein seine Briefe füllen 56 Bände.
    • user
      Meier Pirmin 27.09.2023 um 15:26
      PS. Auf keinen Fall wollte ich, geschätzter Herr Herzog, Sie diesbezüglich schulmeistern; einzelne Zitate dieser Art haben es sogar in Schwanitz "Was man wissen muss" reingebracht, natürlich grassieren sie auch im Internet. Gemäss Canetti sollte man nur Zitate bringen, die man direkt aus der geleisteten Lektüre entnommen hat, wobei Schlagwortzitate, wie Sie wissen, oft aus dem Kontext genommen sind, leider auch wenn die Bibel zitiert wird. Viele glauben zum Beispiel, Paulus meine das "mit dem Glauben Berge versetzen" positiv, ist aber nicht der Fall, "und hättest du die Liebe nicht."
      • user
        Michael Dahinden, Riemenstalden 01.10.2023 um 13:54
        Zu Voltaire weiss ich Ihnen nicht weiter, allerdings zum Glauben, der Berge versetzt, da die Bibel nicht nur aus 1 Kor 13 besteht:
        "Amen, das sage Ich euch, wenn jemand zu diesem Berg sagt: Heb dich empor und stürz dich ins Meer!, und wenn er in seinem Herzen nicht zweifelt, sondern glaubt, dass geschieht, was er sagt, dann wird es geschehen." (Mk 11,23)