Eine Fruchtbarkeitsklinik in der Nähe von Chennai (Indien). (Bild: John Hill, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

Pro Life

«Wir ken­nen immer nur die Geschich­ten von glück­li­chen Eltern»

Eltern, die Kin­der wol­len, aber keine bekom­men kön­nen, haben in Deutsch­land ver­schie­dene Mög­lich­kei­ten, von der künst­li­chen Befruch­tung bis zur Samen­spende; ver­bo­ten ist bis­her die Eizell­spende – anders als etwa in Tsche­chien oder Spanien.

Die Bundesregierung hat eine Kommission eingesetzt, die eine mögliche Legalisierung prüfen soll. Biologin, Humangenetikerin und Sozialethikerin Sigrid Graumann, Rektorin an der Evangelischen Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe, ist Mitglied dieser Kommission und auch Mitglied im Deutschen Ethikrat.

Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) sprach mit ihr am Freitag in Bochum über gesundheitliche Risiken für Spenderin und Empfängerin, seelische Belastungen – und warum Frauen früher Kinder bekommen sollten.

Frau Prof. Graumann, Sie sind in die Kommission der Bundesregierung berufen, die das Für und Wider einer Legalisierung der bisher in Deutschland verbotenen Eizellspende ausloten soll. Anfang nächsten Jahres will der Bundestag darüber beraten. Was für eine Meinung vertreten Sie persönlich?
Mir ist es wichtig, das Augenmerk nicht nur auf das Paar zu legen, das gerne ein Kind möchte. Sondern auch auf die Frau, die die Eizelle spendet. Um eine Eizellspende möglich zu machen, bedarf es der Behandlung mit Hormonen zur Stimulation der Eizellen, dann müssen diese unter Vollnarkose entnommen werden. Dabei handelt es sich immer um einen medizinischen Eingriff, der fremdnützig ist: Er dient nicht der Eizellenspenderin, sondern dem Kinderwunschpaar.

Wer nimmt den medizinischen Eingriff vor? Bisher ist er in Deutschland ja verboten.
In Ländern, wo die Spende erlaubt ist wie etwa Spanien oder Tschechien, findet sie in kommerziellen Settings statt. Private Firmen betreiben Kinderwunschpraxen und Eizellbanken und verdienen viel Geld damit. Das ist ein Riesenwachstumsmarkt, in dem die deutschen Praxen bisher nicht beteiligt sind. Die Spenderin bekommt in diesen Ländern Geld für ihre Spende, das sind etwa 1000 Euro, was etwa in Spanien einem Monatslohn entspricht. Die Frauen, die das machen, müssen entweder eine finanzielle Notlage überbrücken, oder sie leben in sehr prekären Lebensumständen und sind von daher einfach auch verletzliche Personen.

Also arme Frauen spenden ihre Eizellen, damit das gut situierte Paar sich den Wunsch vom eigenen Kind erfüllen kann?
Ja, es ist immer ein Wohlstandsgefälle notwendig, damit das funktioniert. Mir geht es auch um reproduktive Gerechtigkeit. Es kann nicht darum gehen, wessen Kinderwunsch mehr wert ist.

Bestehen gesundheitliche Risiken für die Spenderin?
Auf jeden Fall kann es passieren, dass es bei der Entnahme zu Blutungen oder Infektionen kommt. Die Hormonstimulation ist mit dem – wenn auch heute geringen – Risiko eines Überstimulationssyndroms verbunden. Über die Langzeitrisiken wissen wir noch sehr wenig. Zum Beispiel was die Spende für die eigene Fruchtbarkeit der Spenderin bedeutet: Dazu gibt es nur spärliche Daten und keine aussagekräftigen Langzeituntersuchungen. An solchen Untersuchungen scheint kein Interesse zu bestehen.

Was sind die gesundheitlichen Folgen für Frauen, die die Spende bekommen?
Sie haben zum Beispiel ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Präeklampsie (Anmerkung der Redaktion: Kennzeichnend ist vor allem der hohe Blutdruck der Schwangeren), was nicht nur sie gefährdet, sondern auch das Kind.

Es gibt ja auch eine altruistische – also eine uneigennützige – Spende, wo die Spenderin kein Geld bekommt. Könnte das eine Lösung für Deutschland sein?
Nein. Wenn man keine Aufwandsentschädigung zahlt, wird kaum eine Frau bereits sein, Eizellen zu spenden. In Österreich zum Beispiel, wo die Eizellspende erlaubt ist und wo es ein gut ausgebautes Sozialsystem gibt, bekommen die Spenderinnen nur eine sehr geringe Aufwandsentschädigung – und entsprechend gibt es nur sehr wenig Spenden. Dann reisen die Leute wieder ins Ausland, um sie dort zu bekommen.

Kann man sich dort aussuchen, von wem die Eizellspende kommt?
Es findet immer Selektion statt, auf die haben die Kinderwunschpaare aber nur begrenzt Einfluss. Dabei spielen ethnische Merkmale eine Rolle. Normalerweise wird nach Augenfarbe, Haarfarbe und Körpergrösse geschaut. Gerade Eizellen von Frauen nordeuropäischen Typs sind besonders begehrt. Ansonsten durchlaufen die Spenderinnen in den Ländern, in denen Spenden durchgeführt werden, medizinische und psychologische Screenings. Aber das heisst natürlich nicht, dass ein gesundes Kind garantiert wird.

Selektion – ist so etwas ethisch vertretbar?
Das ist schwierig. Selbst bei einer Auswahl allein nach ethnischen Merkmalen: Die Eltern wollen möglichst viel Ähnlichkeit mit sich selbst. Aber natürlich stammt die Eizelle von einer anderen Frau, und die Verwandtschaft ist erst mal auch die biologische Verwandtschaft zu einer anderen Frau. Und das wird durch diese Auswahl möglichst unsichtbar gemacht. Da stecken natürlich auch Wertvorstellungen dahinter, die nicht unbedingt mit schönen Assoziationen verbunden sind.

Wie sieht es mit der psychologischen Belastung von den Beteiligten aus? Kann es passieren, dass die Mutter das Kind, das genetisch nicht ihr eigenes ist, irgendwann ablehnt?
Es ist denkbar, dass es solche Probleme geben kann – wobei wir immer nur die Geschichte der glücklichen Eltern kennen. Allerdings wird nicht in die Tiefe geguckt, sondern eher, ob sich die Kinder allgemein unauffällig entwickeln. Es gibt viele Möglichkeiten, familiäre Konflikte zu haben, und das dann direkt auf die Eizellspende zurückzuführen, ist natürlich schwierig. Trotzdem ergeben sich Fragen. Dass die meisten Eltern bei der Spendenauswahl darauf achten, dass das Kind ihnen ähnlich sieht, spricht ja eigentlich für sich.

Wie verkraftet es das Kind, wenn es erfährt, dass es biologisch nicht mit der Mutter verwandt ist?
Spenderkinder wollen wissen, wer ihre biologischen Eltern sind – gleich ob Samen- oder Eizellspende. Und sie wollen wissen, ob sie noch Geschwisterkinder haben. Das ist ein Hinweis auf psychische Belastungen, wenn die Kinder solche Informationen nicht bekommen können. Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass es noch schlimmer ist, wenn den Kindern die Spende verheimlicht wird. Solche Familiengeheimnisse belasten die Beziehungen in der Familie noch mehr.

Kann man Menschen, die keine Kinder bekommen können, anderweitig in ihrem Kinderwunsch unterstützen?
Es gibt kein Recht auf ein eigenes Kind. Und es gibt viele Möglichkeiten, Beziehungen zu Kindern zu haben. Das muss nicht unbedingt ein Adoptivkind sein, sondern etwa ein Pflege- oder ein Patenkind. Etwa zwei Drittel der Paare, die ungewollt kinderlos sind, nutzen keine Fortpflanzungsmedizin. Bei einer Eizellspende ziehen noch mehr für sich eine Grenze.

Der Leidensdruck von kinderlosen Paaren ist oftmals ja sehr gross.
Das stimmt. Ich will das auch nicht kleinreden. Ein unerfüllter Kinderwunsch kann eine schwere Krise auslösen. Wir müssen aber auch bedenken, dass es primär ältere Frauen sind, die oft mehrere erfolglose künstliche Befruchtungen hinter sich haben, die die Eizellspende in Anspruch nehmen. Eine Eizelle von einer sehr viel jüngeren Frau kann dann noch eine Chance auf ein eigenes Kind sein.

Das heisst?
Das heisst, dass viele Frauen den Kinderwunsch zu lange hinausschieben – zum Beispiel wegen langer Ausbildungszeiten oder befristeten Arbeitsverhältnissen. Nach dem Motto: ‹Wenn wir die Eigentumswohnung gekauft und beide den festen Job haben, dann wollen wir ein Kind.› Und das ist eben häufig zu einem Zeitpunkt, wo die Fruchtbarkeit schon eingeschränkt ist. Mit über 35 oder 40 Jahren haben Frauen sehr viel geringere Chancen, auf natürlichem Weg schwanger zu werden als etwa mit Mitte 20. Wir vermitteln bei der Aufklärung über Familienplanung viel zu wenig das Wissen darüber.
 

In der Schweiz ist die Eizellspende gemäss Art. 119 der Bundesverfassung verboten. Deshalb würde im Unterschied zu Deutschland eine blosse Gesetzesänderung nicht genügen.


KNA/Redaktion


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