Bernadette Lang an ihrer Jungfrauenweihe. (Bild: Screenshot YouTube/ HOME Base Salzburg)

Interview

«Wir leben den Lebens­stil des Himmels»

Die junge Öster­rei­che­rin Ber­na­dette Lang ist seit dem 15. August 2022 gott­ge­weihte Jung­frau. Im «Tagespost»-Interview zeigt sie sich über­zeugt: Wo das zöli­ba­täre Leben blüht, da blüht die Kirche.


Dieser Beitrag erschien zuerst in «Die Tagespost».
 

Sie sagen, der Mensch könne auf Sexualität verzichten, nicht aber auf Intimität. Haben Sie eine Intimitätserfahrung mit Gott, die Ihr Leben verändert hat?
Ja, definitiv. Mit 14 Jahren war ich beim Jugendfestival in Medjugorje, unter 40 000 Leuten aus 70 Nationen. Da wurde mir in der Heiligen Messe in einem Moment bewusst: Was hier gefeiert wird, das ist real. Gott existiert und er liebt mich bedingungslos. Das war eine Erfahrung von lebendiger Intimität: Gott kennt unser Innerstes und begegnet uns in unserem innersten Wesen. Das hat mein Leben gewendet. Ich wusste: Wenn Gott so ist, will ich ihn besser kennenlernen.

Nicht jeder Gläubige hat solche Erfahrungen. Gibt es eine Gebrauchsanweisung für Gotteserfahrung?
Jede Gotteserfahrung ist ein Geschenk und in einer gewissen Unverfügbarkeit. Aber wir können Prämissen setzen, damit Gott eher handelt. Wenn wir Gott suchen, dann lässt er sich finden. Wenn wir ihn nicht suchen, dann ist es schwieriger, obgleich er sich trotzdem offenbaren kann. Wie schaffen wir einen Rahmen, in dem die Intimität Gottes etwas leichter erfahrbar wird? Etwa indem wir das Wort Gottes lesen, Räume des Gebets schaffen. Die Sakramente sind eine tiefe Form von Intimität. Das Problem ist, dass viele sie empfangen, ohne zu reflektieren, was eigentlich dahintersteckt. Wir bräuchten eine Mystagogie, eine Einführung in die Intimität mit Gott. Das müssen wir als Kirche wieder neu lernen.

Woher weiss man, dass die Erfahrung der Liebe Gottes ein Leben lang trägt?
Gott ist Beziehung und damit eine Dynamik. Jede Beziehung braucht Vertrauen. Der Glaubende vertraut darauf, dass Gott da ist und wieder handeln wird. Wenn wir ihm vertrauen, dann kann Gott nicht anders als einzugreifen. Meine Erfahrung ist: Wenn wir in die Beziehung mit ihm investieren, dann belohnt er uns in weit grösserem Mass. Das ist ein dynamisches Beziehungsgeschehen.

Kann man nur ein guter Christ sein, wenn da eine mystische Dimension ist?
Die mystische Dimension ist unweigerlich mit einer tiefen Gottesbeziehung verbunden. Wenn wir anfangen, in Gott zu investieren, bricht eine geheimnisvolle Dimension in unser Leben herein: die Ewigkeit.

Woher wussten Sie, dass Ihr gottgeweihtes Leben zwingend mit Ehelosigkeit verbunden ist?
Ich wusste es ohne Argumente. Mit 15 Jahren habe ich erstmals diesen Anruf gehört: «Willst du mir gehören?» Ich wusste, ohne dass es mir jemand erklärt hätte, dass diese Frage impliziert, dass ich ehelos sein werde. Darum konnte ich die Frage lange nicht mit Ja beantworten. Es brauchte einige Jahre, weil ich Angst hatte, ins Kloster gehen zu müssen. Für mich persönlich war klar, dass es um eine Exklusivität im zölibatären Lebensstil geht; aber ich habe den Ruf gespürt, in der Welt zu sein.

Abgesehen von Eremiten ist das klösterliche Leben mit einer Vielfalt von Beziehungen verbunden. Wieviel zwischenmenschliche Beziehung braucht Ihre Lebensform als gottgeweihte Jungfrau?
Definitiv braucht der Mensch andere Menschen. In unserer Kirche wurde weithin verlernt, wie man Gemeinschaft mit zölibatär Lebenden lebt. Wir sind aber aufeinander angewiesen. Ich selbst lebe in einem Haus mit 40 jungen Leuten, habe also sehr viel Gemeinschaft. Manchmal ist es ein Luxus, einen Tag für mich zu haben. Wir brauchen in unserer Kirche mehr Gemeinschaft der Gottgeweihten. Ich sehe, dass viele Priester vereinsamen. Gottgeweihten Jungfrauen ist grundsätzlich empfohlen, sich eine Gemeinschaft zu suchen: in einer Pfarrei oder geistlichen Gemeinschaft. Wir sind nicht für uns alleine da.

Worin besteht der spirituelle Wert immerwährender Jungfräulichkeit?
Die Gottgeweihten sind ein Spiegel, der zeigt, wie es um die Kirche steht. Wenn die Kirche die Anbetung verliert, steht es schlecht um das zölibatäre Leben. Dann gibt es wenige Berufungen, und die zölibatär Lebenden drohen den Fokus zu verlieren. Umgekehrt blüht die Kirche, wo das zölibatäre Leben blüht. Ich sehe, dass die Kirche heute gesellschaftliche Relevanz verliert, dass Priester vergessen, worin ihr Priestertum besteht, dass es in der Kirche um Aufgabenverteilung geht, nicht mehr um die mystische Dimension dieser Berufung. Ich bin überzeugt: Wo wir in das zölibatäre Leben investieren, wird die Kirche lebendiger werden. Ich will Zölibatäre an die übernatürliche Dimension ihrer Berufung erinnern. Wir leben den Lebensstil des Himmels in diesem Schon-jetzt-und-noch-Nicht-Zustand.

Ein Eintreten in die Lebensform Jesu?
Wir diskutieren zu oberflächlich über den Zölibat. Er ist die Lebensform Jesu, aber warum? Jesus will, dass die Priester ihn als Bräutigam repräsentieren; die Kirche repräsentiert die Braut. Wie soll eine Frau den Bräutigam repräsentieren? Es stimmt, dass Frauen ihre Rolle zu wenig gefunden haben, aber es macht gar keinen Sinn, dass sie die Rolle des Mannes einnehmen.

Ist die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen nur als Opfer wertvoll?
Der Verzicht ist nicht im Vordergrund, aber eine Implikation, die spürbar wird. Der Zölibat lebt von dieser Spannung der Sehnsucht des Bräutigams nach der Braut, oder der Braut nach dem Bräutigam. Als gottgeweihte Jungfrau lebe ich in der Erwartung, dass Christus ein zweites Mal kommen wird: als Bräutigam. Das ist meine Sehnsucht. Die Priester bereiten die Kirche auf das Wiederkommen des Bräutigams vor. Auch die Ehe ist eine Repräsentanz: Mann und Frau repräsentieren den Bund Gottes mit den Menschen. Auch wenn wir zölibatär leben, sind wir sexuelle Wesen. Aber wenn ich die spirituelle Intimität gut lebe und die Spannung der Sehnsucht halte, ist es kein so grosser Verzicht. Persönlich kann ich sagen: Ich weiss, dass Gott mir ein Geschenk gemacht hat und dass es viele Formen gibt, in denen ich Intimität leben kann.

Ist die bewusst gewählte Ehelosigkeit auch eine Aussage über die Ehe?
Ganz sicher! Die Ehe ist ein sichtbarer Verweis auf eine unsichtbare Wirklichkeit, nämlich darauf, dass Gott vollkommen eins werden will mit den Menschen. Das zölibatäre Leben verweist ebenfalls darauf. In der Ewigkeit werden wir vollkommen eins werden mit Gott.
 

Originalbeitrag in «Die Tagespost»


Die Tagespost


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    Anita 16.10.2023 um 06:24
    Sehr schön... das Zölibat ist viel mehr als Einsamkeit etc etc....toll beschrieben...
    Wagt zu beten für neue Berufungen... wagt Gott vielleicht auch sogar eure Kinder ganz zu schenken.

    Danke für diesen Bericht... der inspiriert...
  • user
    Claudio Tessari 14.10.2023 um 08:40
    Eine riesen Hochachtung von dieser Dame. In einer Kapelle wo ich manchmal die Messe besuche, wird bei jedem Gesätzlein des Rosenkranz folgendes gebetet: UND SCHENKE UNS HEILIGE PRIESTER, HEILIGE FAMILIEN UND HEILIGE PERSONEN IN ALLEN BERUFEN.