Rudolf Simek. (Bild: Diane Krauss (DianeAnna), CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons, Ausschnitt)

Interview

«Wir reden nicht mehr über die Hölle»

Mit Trol­len und Mons­tern hat sich Rudolf Simek (69) bereits befasst. In sei­nem neu­es­ten Buch «Dämo­nen, Teu­fel, Hexen­glaube» sind nun «Böse Geis­ter im euro­päi­schen Mit­tel­al­ter» an der Reihe. Harm­los beginnt Simeks Gespräch mit der Katho­li­schen Nachrichten-​Agentur (KNA). Dann nimmt der eme­ri­tierte Bon­ner Pro­fes­sor für Ältere Ger­ma­nis­tik mit Ein­schluss des Nor­di­schen die Teu­fel der Gegen­wart in den Blick – und unsere Flucht vor dem Bösen.

KNA: Herr Professor Simek, in welchem Verhältnis stehen die Dämonen zum Teufel?
Rudolf Simek: Dämonen sind die gefallenen Engel, die mit Luzifer aus dem Himmel gestürzt wurden. Ihr Verhältnis zu Luzifer – also zu Satan oder dem Teufel – ist in etwa so wie das der Engel zu Gott. Dämonen sind Boten und Helfershelfer des Teufels. Sie führen ihm die Sünder zu und die sündigen Seelen im Jenseits.

Gibt es so etwas wie einen Stammbaum oder eine Hierarchie unter den Dämonen?
Interessanterweise nein. Ich hatte ja gehofft, dass ich eine Klassifikation finde, die den sieben Hierarchien bei den Engeln entspricht. Aber da ist nichts – bis auf einige spätmittelalterliche italienische Fresken, wo es mit Tierelementen versehene Dämonen gibt, die sich in der Hölle um unterschiedliche Gruppen von Sündern kümmern. Für die Faulen sind beispielsweise die eselköpfigen Dämonen zuständig, für die Gefrässigen die bärenköpfigen. Wolfsähnliche widmen sich den Klerikern, und Wollüstige werden von wildschweinartigen Dämonen gequält.

Wo begegnen uns Dämonen in Kunst und Architektur?
Auf Tafelbildern im 15. und zu Anfang des 16. Jahrhunderts sowie auf Wandmalereien und in mittelalterlichen Handschriften begegnen sie uns in jeder Form. Als Skulpturen im kirchlichen Raum bleiben sie eher Fratzen. Noch klischeehafter wird es in der Literatur: Da sind Dämonen klein, schwarz und komisch – das war's in der Regel.

Aber einer wie der Mönch Caesarius von Heisterbach schrieb doch erstaunlich häufig von Dämonen.
Ja, aber er sagt nichts über ihr Aussehen. Zu den Dingen, die mich bei Caesarius allerdings faszinieren, gehört sein Bild von Dämonen als Insektenschwärme. Eine ähnliche Vorstellung begegnet uns beim Kleinen Mariazeller Wunderaltar, wo Dämonen wie Küchenschaben aus einer Besessenen entfleuchen.

Sollten Christen durch diese Bilder und Erzählungen diszipliniert werden?
Das ganze Dämonenkonzept kommt aus dem Neuen Testament. Da hat es keine disziplinierende Funktion, sondern eine befreiende. Christus wird als jemand gezeigt, der Kraft und Macht über die Dämonen hat. Der gemeine Mensch hingegen ist dauernd von Dämonen und dem Teufel umgeben und kann sich nur durch asketische Beständigkeit dagegen wehren.

In der Kirche haben sich derlei Gedanken bis heute erhalten.
Da redet aber niemand mehr drüber.

Glauben Sie selbst an Dämonen und Teufel?
Ja, es gibt das personifizierte Böse – so würde ich es nennen.

Aber tendieren wir nicht dazu, das Böse zu vermenschlichen, etwa in Gestalt von Wladimir Putin?
Selbstverständlich denke auch ich an Putin, Lawrow und Konsorten! Das Erzengel-Michael-Gebet ist doch gerade recht populär: «Und Du, Fürst der himmlischen Heerscharen, stürze den Satan und die anderen bösen Geister.»

Aber?
Natürlich haben wir die Tendenz, das Böse zu vermenschlichen, ins Diesseits zu holen. Doch ich glaube nach allem, was ich gelernt habe, dass der Glaube an Dämonen nicht erfunden ist; sondern dass es eine Vorstellungsweise ist, sich das metaphysisch vorhandene Böse personifiziert vorzustellen. So wie im Neuen Testament. Ob da jetzt tatsächlich eine Schar von Dämonen in eine Schweineherde gefahren ist, die sich anschliessend in den See Genezareth gestürzt hat? Sei's drum! Aber dass es das Böse gibt, glaube ich schon.

Mit anderen Worten: Es tut uns nicht gut, das Böse kleinzureden?
Davon bin ich überzeugt. Wir reden nicht mehr über die Hölle. Wenn ich meine katholischen Freunde nach dem Fegefeuer frage, winken die ab. Ob das jetzt ein Ort ist, wo ein Feuerchen brennt, um das Dämonen herumhuschen, ist eine andere Geschichte. Aber wir alle wissen doch, dass jeder von uns seine eigenen Dämonen hat, die ihn jagen, quälen – und dies wahrscheinlich bis in die andere Welt hinüber tun.
 

Wie könnte denn ein zeitgemässes Konzept von Hölle aussehen?
Mir gefällt dieser Gedanke vom Insektenschwarm, wonach die Dämonen beim Tod eines Menschen in einer unglaublichen Menge vorhanden sind. Kann man sich das als heutiger Mensch nicht so vorstellen, dass es sich dabei um all die bösen Gedanken, Worte und Taten handelt, die man im Leben angesammelt hat, die einen in den Tod hinein verfolgen und die wir nur mit göttlicher, oder – wenn man an die Engel denkt – mit himmlischer Hilfe besiegen können, indem wir uns durch den Glauben dagegen stemmen und darauf vertrauen, dass die göttliche Gnade uns da hindurchträgt?

Dann ist der Moment des Sterbens aber extrem grauenhaft.
Das muss nicht notwendig so sein. Aber das Sterben ist ein Moment des Kampfes zwischen Gut und Böse, da sind sich alle einig. Es ist eine Entscheidungssituation.

Im Taufritual widersagen Christen dem Satan. Woher kommt das?
Aus der Spätantike, wo Menschen vor der Aufnahme ins Christentum der römischen Religion widersagen mussten. Darin zeigt sich der Totalitätsanspruch des Christentums. Alle alten Götter werden zu Dämonen, denen man abschwören muss.

Gibt es eine Lieblingsgeschichte, die Sie mit dem Thema Dämonen verbinden?
Da bin ich wieder bei Caesarius von Heisterbach und seiner Auffassung, wonach die Beichte das Gedächtnis des Teufels oder der Dämonen über eine Sünde löscht.

Wie hat man sich das vorzustellen?
Der Teufel schickt einen Dämon los, um einen Sünder zu quälen. Der ist aber, bevor ihn der Dämon erreicht, schon bei der Beichte gewesen. Nun steht der bedauernswerte Dämon vor der Tür und sagt: «Ich soll dich quälen – aber ich weiss eigentlich nicht mehr, warum.» Die Beichte hat das Wissen der bösen Geister über die Sünde ausgelöscht. Das ist dann tatsächlich eine Art Disziplinarmassnahme, die uns zum Beichten treiben soll. Übrigens auch ein Wort, das neben Hölle und Dämon nahezu ausgestorben ist.

Die Beichte ist für viele eben ein schwieriges Sakrament.
Wieso? Man spart sich den Psychiater und ausserdem viel Geld.

Trotzdem sinkt die Zahl derer, die sich einem Priester in einer Beichte anvertrauen.
Mag sein. Ich versuche lediglich zu vermeiden, bei einem Priester zu beichten, der mich kennt.

KNA: Warum?
Der vergleicht mich am Ende mit anderen Bekannten und sagt sich: «Nicht mal ordentliche Sünden schafft der Simek!»
 

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Bemerkungen :

  • user
    Erich Bernhard 13.09.2023 um 21:54
    Trotzdem sinkt die Zahl derer, die sich einem Priester in einer Beichte anvertrauen.
    Mag sein. Ich versuche lediglich zu vermeiden, bei einem Priester zu beichten, der mich kennt.
    W a r u m w o h l , Herr Prof. Simek ???
    Selten soviel Blödsinn auf einem Haufen gelesen!!!