Wer in der Kirche als Priester oder in einer anderen Funktion als Seelsorgerin oder Seelsorger arbeiten möchte, braucht in der Regel ein Vollstudium der Theologie mit Masterabschluss. Dieses dauert im Normalfall fünf Jahre und kann an den Theologischen Fakultäten Fribourg und Luzern sowie an der Theologischen Hochschule Chur absolviert werden. Wer Theologie nur im Hauptfach studiert, muss gemäss Auskunft von Barbara Melzl, Kommunikationsverantwortliche des Bistums Basel, in einem Ergänzungsjahr die verpassten Inhalte und Credit Points nachholen.
Alle drei Standorte ermöglichen auch Personen ohne Matura ein Theologiestudium (Angaben dazu am Ende des Beitrages).
Nachdem der «Dritte Bildungsweg» (Hochschulstudium ohne Matura) eingestellt worden war, führten die Deutschschweizer Diözesen ein sogenanntes «Bischöfliches Studienprogramm» (BSP) ein. Dieses ermöglicht eine Anstellung als Priester resp. «Seelsorger». Vorausgesetzt werden eine Erstausbildung und mehrjährige Erfahrung in einem Beruf sowie ein «theologisches Grundstudium» – entweder durch ein Diplom am Religionspädagogischen Institut Luzern[1] und Berufserfahrung oder durch den «Studiengang Theologie TBI» und abgeschlossene ForModula-Ausbildung mit entsprechender Praxis-Erfahrung. In Luzern wird das Studienprogramm in Absprache mit dem Studienleiter und den Verantwortlichen der Bistümer individuell auf die Bewerber abgestimmt und führt zum «Bischöflichen Diplom».
Im Bistum Chur wird als «theologisches Grundstudium» der «Studiengang Theologie» und eine katechetische Ausbildung ForModula oder eine «äquivalente Vorbildung» vorausgesetzt. Dazu gibt es im Bistum Chur ein eigenes Reglement.[2] Das Studium dauert in der Regel 4 bis 8 Semester und verlangt 120 Credit Points. Abgeschlossen wird mit dem «Bischöflichen Zertifikat».
Auf die Anfrage von «swiss-cath.ch», warum Absolventen des BSP mit 120 Credit Points[3] zum kirchlichen Dienst als «Seelsorger» zugelassen werden, Absolventen eines Hauptfachstudiums mit 200 resp. 210 Credit Points hingegen nicht (ausser mit Zusatzjahr), antwortet Ingrid Krucker, Leiterin Regensamt des Bistums St. Gallen: «Das BSP ist eine Ausbildungsmöglichkeit für Quereinsteiger. Sie bringen berufliche Erfahrung mit, meist auch in der pastoralen Arbeit. Sie sind bereits älter und meist finanziell und familiär gebunden, sodass kein Vollstudium verlangt werden kann. Es wird vor allem auf die Erlernung der alten Sprachen verzichtet.»
In der Praxis wird nicht zwischen Theologie mit Masterabschluss und Absolvierung des BSP unterschieden, das heisst, es gibt weder eine Unterscheidung in der Funktionsbezeichnung («Seelsorger») noch beim Lohn – obwohl sich die Qualität der Ausbildungen erheblich unterscheidet.
In den aktuellen Diskussionen wird immer wieder deutlich, dass Seelsorger – und manchmal sogar Priester – oft nicht über grundlegende Inhalte der Glaubenslehre und Liturgie Bescheid wissen. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass viele Theologiestudierende keine kirchliche Sozialisierung mehr mitbringen, wie manche Theologieprofessoren beklagen. Es wäre deshalb angesichts der schwindenden Glaubenskenntnisse umso wichtiger, dass zukünftige «Seelsorger» eine qualitativ gute und umfassende Ausbildung erhalten, in der besonders Wert auf Dogmatik (Glaubenslehre) und Liturgie gelegt wird. Nur wer versteht, was und warum wir glauben und feiern, ist fähig, «jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt» (1 Petr 3,15). Berufliche Erfahrung ist kein Ersatz für ein fundiertes Theologiestudium, wie das Negativbeispiel der ehemaligen Gemeindeleiterin in Effretikon eindrücklich belegt.
In der Deutschschweiz geht es in eine andere Richtung: In die Richtung einer Nivellierung nach unten. Die Deutschschweizerische Ordinarienkonferenz (DOK) plant einen «Dualen Studiengang» wie die Kommunikationsverantwortliche des Bistums Basel mitteilt: «Er will Praxis und Theorie in der Ausbildung mehr verschränken und das Postulat ‹Kein Abschluss ohne Anschluss› einlösen.»
Der Beruf des «Seelsorgers» ist weltweit eine Ausnahmeerscheinung: In den meisten Ländern arbeiten Frauen und Männer ehrenamtlich in der Kirche mit, geben Katechesen, engagieren sich in der Kinder-, Jugend-, Erwachsenen- oder Seniorenpastoral.
Anstatt die fehlenden «Hauptamtlichen» durch unzureichend ausgebildete Frauen und Männer zu ersetzen, wäre es sinnvoller, vermehrt ehrenamtliche Gläubige in die Pastoral einzubeziehen. Alle Christen haben Charismen, die sie einsetzen können und auch sollen. Leider hat in den letzten Jahren die ungute Praxis um sich gegriffen, für alles eine Ausbildung mit einem wohlklingenden, pekuniär zu Buche schlagenden Titel zu verlangen, was viele interessierte Frauen und Männer von einer Mitwirkung in der Pfarrei abhält. Um zu sehen, wie eine Pastoral aussehen könnte, in der sich alle nach ihren Fähigkeiten beteiligen, muss man nicht weit reisen – es reicht bereits ein Blick über den «Röschtigraben»!
Nachtrag vom 6. Februar 2024: Ein Leser machte uns darauf aufmerksam, dass er bereits zwei Mal einen Brief zu diesem Thema der Schweizer Bischofskonferenz zukommen liess. In beiden Fällen erhielt er weder eine Eingangsbestätigung noch eine Antwort.
Theologiestudium ohne Matura
In Chur und Fribourg kann man bei Erreichen eines bestimmten Notendurchschnitts als ordentlicher Hörer zugelassen werden, d. h. man schliesst das das Studium mit einem akademischen Titel ab. Aber auch das Kirchliche Diplom berechtigt zu einem Dienst in der Kirche.
In Fribourg gilt noch eine besondere Regelung: Wer über 30 Jahre alt ist und einen Test über Allgemeinwissen und sprachliche Eignung besteht, kann Theologie als ordentlicher Hörer besuchen.
Die Theologische Fakultät Luzern akzeptiert eine Berufs- oder Fachmaturität mit bestandener Ergänzungsprüfung der Schweizerischen Maturitätskommission (Passerelle). Für alle ohne Matura bietet sie in Zusammenarbeit mit «AKAD College» einen zweijährigen berufsbegleitenden Kurs an, durch den ein Surrogat für die Matura erworben werden kann, das den freien Zugang zum Studium an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern ermöglicht.
[1] Inhalt des Studiums sind ersichtlich auf der Webseite www.unilu.ch/fakultaeten/tf/institute/religionspaedagogisches-institut-rpi/studium/
[2] Das der Redaktion vorliegende Reglement stammt aus dem Jahr 2016. Ob ein neueres Reglement vorliegt, ist nicht bekannt. Weder die Webseite des Bistums noch die Webseite der Theologischen Hochschule Chur geben Auskunft über das «Bischöfliche Studienprogramm».
[3] In Luzern wird das Programm individuell zusammengestellt. Es sind keine fixen Angaben über die Credit Points bekannt.
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Zudem ist es völlig wurst, bei der heutigen Situation, weil sowieso niemand die alten sprachen benutzt.
Vor 60 Jahren war das noch nötig um das Brevier und die Messe vernünftig zu lesen.
Pastoral und Personalführung sind grundsätzlich verschiedene Führungsaufgaben. Ein Papst, Bischof, Pfarrer solle beide beherrschen . Und sauber trennen.
Auch sie meinen, die Wahrheit zu haben (und eben oft nicht haben).
Meine besten Professoren waren die "Liberalen", man konnte mit ihnen reden.
Beispielhaft erwähnt seien die Weihen von Josef Stübi, Joseph Bonnemain, und die Installation von Domkantor Camenzind.
Wer es gesehen hat, versteht. Der Glaube kommt auch vom Sehen.
Bisher regelt die kath. Kirche nur die Bedingungen der Zulassung zu Priesterweihe auch was das theologisches Studium betrifft. Die Bischöfe nutzen wieder mal eine Regelungslücke und lassen Seelsorger ausbilden nach eigenem Gusto. Es ist ihr Recht. So kommen bezahlte Knechte in die Seelsorge rein, welche fliehen sobald sie den kommenden Wolf sehen. Deshalb die Glaubenskrise und Selbstmord der Kirche in vollem Gange.