Die Theologische Hochschule in Chur (links oben), die Universität Luzern (links unten) und die Aula der Universität Freiburg. (Bilder: Luzern: A.Savin, FAL, via Wikimedia Commons: Freiburg: Chris ALC, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Hintergrundbericht

Aus­bil­dung für den kirch­li­chen Dienst: Nivel­lie­rung nach unten

Das hier­zu­lande seit Jah­ren obses­siv betrie­bene Kirchen-​Bashing zeigt Wir­kung: Immer weni­ger junge Men­schen ent­schei­den sich für einen haupt­amt­li­chen Dienst. Die Katho­li­sche Kir­che in der Deutsch­schweiz rea­giert mit einem «Je-Ka-Mi»-Ausbildungsprofil.

Wer in der Kirche als Priester oder in einer anderen Funktion als Seelsorgerin oder Seelsorger arbeiten möchte, braucht in der Regel ein Vollstudium der Theologie mit Masterabschluss. Dieses dauert im Normalfall fünf Jahre und kann an den Theologischen Fakultäten Fribourg und Luzern sowie an der Theologischen Hochschule Chur absolviert werden. Wer Theologie nur im Hauptfach studiert, muss gemäss Auskunft von Barbara Melzl, Kommunikationsverantwortliche des Bistums Basel, in einem Ergänzungsjahr die verpassten Inhalte und Credit Points nachholen.
Alle drei Standorte ermöglichen auch Personen ohne Matura ein Theologiestudium (Angaben dazu am Ende des Beitrages).

Nachdem der «Dritte Bildungsweg» (Hochschulstudium ohne Matura) eingestellt worden war, führten die Deutschschweizer Diözesen ein sogenanntes «Bischöfliches Studienprogramm» (BSP) ein. Dieses ermöglicht eine Anstellung als Priester resp. «Seelsorger». Vorausgesetzt werden eine Erstausbildung und mehrjährige Erfahrung in einem Beruf sowie ein «theologisches Grundstudium» – entweder durch ein Diplom am Religionspädagogischen Institut Luzern[1] und Berufserfahrung oder durch den «Studiengang Theologie TBI» und abgeschlossene ForModula-Ausbildung mit entsprechender Praxis-Erfahrung. In Luzern wird das Studienprogramm in Absprache mit dem Studienleiter und den Verantwortlichen der Bistümer individuell auf die Bewerber abgestimmt und führt zum «Bischöflichen Diplom».

Im Bistum Chur wird als «theologisches Grundstudium»  der «Studiengang Theologie» und eine katechetische Ausbildung ForModula oder eine «äquivalente Vorbildung» vorausgesetzt. Dazu gibt es im Bistum Chur ein eigenes Reglement.[2] Das Studium dauert in der Regel 4 bis 8 Semester und verlangt 120 Credit Points. Abgeschlossen wird mit dem «Bischöflichen Zertifikat».

Auf die Anfrage von «swiss-cath.ch», warum Absolventen des BSP mit 120 Credit Points[3] zum kirchlichen Dienst als «Seelsorger» zugelassen werden, Absolventen eines Hauptfachstudiums mit 200 resp. 210 Credit Points hingegen nicht (ausser mit Zusatzjahr), antwortet Ingrid Krucker, Leiterin Regensamt des Bistums St. Gallen: «Das BSP ist eine Ausbildungsmöglichkeit für Quereinsteiger. Sie bringen berufliche Erfahrung mit, meist auch in der pastoralen Arbeit. Sie sind bereits älter und meist finanziell und familiär gebunden, sodass kein Vollstudium verlangt werden kann. Es wird vor allem auf die Erlernung der alten Sprachen verzichtet.»

In der Praxis wird nicht zwischen Theologie mit Masterabschluss und Absolvierung des BSP unterschieden, das heisst, es gibt weder eine Unterscheidung in der Funktionsbezeichnung («Seelsorger») noch beim Lohn – obwohl sich die Qualität der Ausbildungen erheblich unterscheidet.

In den aktuellen Diskussionen wird immer wieder deutlich, dass Seelsorger – und manchmal sogar Priester – oft nicht über grundlegende Inhalte der Glaubenslehre und Liturgie Bescheid wissen. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass viele Theologiestudierende keine kirchliche Sozialisierung mehr mitbringen, wie manche Theologieprofessoren beklagen. Es wäre deshalb angesichts der schwindenden Glaubenskenntnisse umso wichtiger, dass zukünftige «Seelsorger» eine qualitativ gute und umfassende Ausbildung erhalten, in der besonders Wert auf Dogmatik (Glaubenslehre) und Liturgie gelegt wird. Nur wer versteht, was und warum wir glauben und feiern, ist fähig, «jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt» (1 Petr 3,15). Berufliche Erfahrung ist kein Ersatz für ein fundiertes Theologiestudium, wie das Negativbeispiel der ehemaligen Gemeindeleiterin in Effretikon eindrücklich belegt.

In der Deutschschweiz geht es in eine andere Richtung: In die Richtung einer Nivellierung nach unten. Die Deutschschweizerische Ordinarienkonferenz (DOK) plant einen «Dualen Studiengang» wie die Kommunikationsverantwortliche des Bistums Basel mitteilt: «Er will Praxis und Theorie in der Ausbildung mehr verschränken und das Postulat ‹Kein Abschluss ohne Anschluss› einlösen.»

Der Beruf des «Seelsorgers» ist weltweit eine Ausnahmeerscheinung: In den meisten Ländern arbeiten Frauen und Männer ehrenamtlich in der Kirche mit, geben Katechesen, engagieren sich in der Kinder-, Jugend-, Erwachsenen- oder Seniorenpastoral.
Anstatt die fehlenden «Hauptamtlichen» durch unzureichend ausgebildete Frauen und Männer zu ersetzen, wäre es sinnvoller, vermehrt ehrenamtliche Gläubige in die Pastoral einzubeziehen. Alle Christen haben Charismen, die sie einsetzen können und auch sollen. Leider hat in den letzten Jahren die ungute Praxis um sich gegriffen, für alles eine Ausbildung mit einem wohlklingenden, pekuniär zu Buche schlagenden Titel zu verlangen, was viele interessierte Frauen und Männer von einer Mitwirkung in der Pfarrei abhält. Um zu sehen, wie eine Pastoral aussehen könnte, in der sich alle nach ihren Fähigkeiten beteiligen, muss man nicht weit reisen – es reicht bereits ein Blick über den «Röschtigraben»!

Nachtrag vom 6. Februar 2024: Ein Leser machte uns darauf aufmerksam, dass er bereits zwei Mal einen Brief zu diesem Thema der Schweizer Bischofskonferenz zukommen liess. In beiden Fällen erhielt er weder eine Eingangsbestätigung noch eine Antwort.

 

Theologiestudium ohne Matura
In Chur und Fribourg kann man bei Erreichen eines bestimmten Notendurchschnitts als ordentlicher Hörer zugelassen werden, d. h. man schliesst das das Studium mit einem akademischen Titel ab. Aber auch das Kirchliche Diplom berechtigt zu einem Dienst in der Kirche.
In Fribourg gilt noch eine besondere Regelung: Wer über 30 Jahre alt ist und einen Test über Allgemeinwissen und sprachliche Eignung besteht, kann Theologie als ordentlicher Hörer besuchen.

Die Theologische Fakultät Luzern akzeptiert eine Berufs- oder Fachmaturität mit bestandener Ergänzungsprüfung der Schweizerischen Maturitätskommission (Passerelle). Für alle ohne Matura bietet sie in Zusammenarbeit mit «AKAD College» einen zweijährigen berufsbegleitenden Kurs an, durch den ein Surrogat für die Matura erworben werden kann, das den freien Zugang zum Studium an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern ermöglicht.

 


[1] Inhalt des Studiums sind ersichtlich auf der Webseite www.unilu.ch/fakultaeten/tf/institute/religionspaedagogisches-institut-rpi/studium/
[2] Das der Redaktion vorliegende Reglement stammt aus dem Jahr 2016. Ob ein neueres Reglement vorliegt, ist nicht bekannt. Weder die Webseite des Bistums noch die Webseite der Theologischen Hochschule Chur geben Auskunft über das «Bischöfliche Studienprogramm».
[3] In Luzern wird das Programm individuell zusammengestellt. Es sind keine fixen Angaben über die Credit Points bekannt.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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Bemerkungen :

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    Daniel Ric 06.02.2024 um 14:19
    Sehr guter Artikel, der das grundlegende Problem unserer hiesigen Kirche aufzeigt. Die Zulassungsbedingungen werden gesenkt, um neues Personal zu rekrutieren, damit die volkskirchlichen Strukturen weiterhin am Leben erhalten werden können. Dadurch werden die strukturellen Reformen (die nichts mit dogmatischen Reformen zu tun haben), die unsere Kirche benötigt, verschleppt. Anstatt sich zu fragen, wie man die Kirche dynamischer machen könnte, um eine nötige Neuevangelisierung einzuleiten, werden Menschen hauptamtlich beschäftigt, die weder das Wissen noch den nötigen Glauben haben, um in der Kirche fruchtbringend mitzuwirken. Es bräuchte den Mut, als Kirche kleiner, dafür aber authentischer zu werden. Niemand wird einen Theologen ernst nehmen, dessen Auftrag es ist, die Bibel auszulegen, der jedoch kein Wort Hebräisch oder Griechisch kann. Auch in anderen Bereichen wäre es wichtig, dass Priester und Laientheologen ein breites Wissen haben. Die Gottesfrage kann nur dann wieder in die Welt hineingetragen werden, wenn die Theologen sich in verschiedenen Gebieten auskennen und in der Lage sind aufzuzeigen, dass sich Glaube, Wissenschaft und modernes Leben nicht ausschliessen, sondern der Glaube an Jesus Christus kompatibel ist mit den Erkenntnissen der Wissenschaften. Hier gilt es auch kritisch aufzuzeigen, dass einige Erkenntnisse der modernen Wissenschaften gar keine sind, sondern de facto reine Ideologien darstellen. Ich denke hier vor allem an die Genderthematik, aber auch an andere Pseudo-Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte.
  • user
    Martin Meier-Schnüriger 06.02.2024 um 13:41
    Wer muss wieder einmal Federn lassen, wenn es darum geht, die Ausbildung zu kürzen? Natürlich die alten Sprachen! An den "weltlichen" Gymnasien ist Griechisch schon fast ganz ausgestorben und wird Latein mehr und mehr zum Nischenfach. Klar doch, in der Welt von heute muss man Englisch beherrschen und etwas von Wirtschaft und IT-Technologie verstehen. Dass auch diese Branchen für ihre Fachsprache nicht ohne Latein und Griechisch auskommen, sei nur am Rande erwähnt. Wenn jedoch Theologen ihre grundlegenden Schriften nicht mehr in den Originalsprachen lesen können, sind abenteuerlichen Interpretationen und willkürlichen Übersetzungen derselben Tor und Tür geöffnet.
    • user
      ser AD 06.02.2024 um 15:46
      Die Interpretation hängt nicht (nur) von den Sprachkenntnissen ab.
      Zudem ist es völlig wurst, bei der heutigen Situation, weil sowieso niemand die alten sprachen benutzt.

      Vor 60 Jahren war das noch nötig um das Brevier und die Messe vernünftig zu lesen.
  • user
    Stefan Fleischer 06.02.2024 um 06:27
    Ceterum censeo
    Pastoral und Personalführung sind grundsätzlich verschiedene Führungsaufgaben. Ein Papst, Bischof, Pfarrer solle beide beherrschen . Und sauber trennen.
  • user
    John Henry 06.02.2024 um 04:09
    Das schlimmste Versagen und die größte Sünde gegenüber Studierenden ist, wenn sie auf substanziell ungläubige, meist liberal-progressive Professoren stossen. Ich rate jedem gläubigen Katholiken dringend nur an Schulen zu studieren, wo der “orthodoxe” Glaube gelehrt wird. Wer sich ungläubigen jenen ausliefert, die nur noch einen Anschein von Religiösität haben, aber die Kraft Gottes verneinen (2 Tim 3,5), droht am Glauben Schaden zu nehmen. Ich kenne in der Schweiz keine Hochschule, wo der Glaube noch apostolisch, begeistert und authentisch gelehrt wird. Man muss das ins Ausland gehen. Hier laden sich unsere Bischöfe eine grosse Schuld auf.
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      ser AD 06.02.2024 um 09:21
      Ich kenne das, orthodoxe Professoren.
      Auch sie meinen, die Wahrheit zu haben (und eben oft nicht haben).

      Meine besten Professoren waren die "Liberalen", man konnte mit ihnen reden.
    • user
      Martin Meier-Schnüriger 06.02.2024 um 13:46
      Doch, es gibt in der Schweiz eine theologische Hochschule, wo man den Glauben noch ernst nimmt: die Facoltà Teologica di Lugano. Wer die Mühe nicht scheut, Italienisch zu lernen, kann dort auf Schweizer Boden ein fundiertes katholisches Theologiestudium absolvieren.
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    ser AD 05.02.2024 um 21:16
    Dass sich immer weniger Junge für einen hauptamtlichen Dienst entscheiden mögen, hat sicher auch mit völlig unterirdischen Bischofsliturgien zu tun.
    Beispielhaft erwähnt seien die Weihen von Josef Stübi, Joseph Bonnemain, und die Installation von Domkantor Camenzind.
    Wer es gesehen hat, versteht. Der Glaube kommt auch vom Sehen.
  • user
    Stefan Fleischer 05.02.2024 um 18:16
    Ein sehr wichtiges Kriterium für denb kirchlichen Dienst wird - soweit ich es beobachten kann - viel zu wenig kritisch bei der Ausewahl der Bewerber geprüft (un in der Ausbildung viel zuz wenig einbezogen). Es ist die "Glaubenspraxis". Wie will jemand den Glauben vermitteln, der ihn selbst nicht wirklich praktiziert?
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      Go west 05.02.2024 um 22:14

      Bisher regelt die kath. Kirche nur die Bedingungen der Zulassung zu Priesterweihe auch was das theologisches Studium betrifft. Die Bischöfe nutzen wieder mal eine Regelungslücke und lassen Seelsorger ausbilden nach eigenem Gusto. Es ist ihr Recht. So kommen bezahlte Knechte in die Seelsorge rein, welche fliehen sobald sie den kommenden Wolf sehen. Deshalb die Glaubenskrise und Selbstmord der Kirche in vollem Gange.