Symbolbild. (Bild: BOOM/Pexels)

Kirche Schweiz

Bischof Gmür zeigt Luzer­ner Syn­ode die Rote Karte

Am 8. Novem­ber stellte die Luzer­ner Syn­ode fünf For­de­run­gen auf. Sollte das Bis­tum diese For­de­run­gen nicht umset­zen, würde die im Herbst 2024 fäl­lige zweite Hälfte des jähr­li­chen Bis­tums­bei­trags nicht aus­be­zahlt. Nun hat Bischof Felix Gmür auf die­ses grobe Foul mit der Roten Karte reagiert.

Die Luzerner Synode entschied, dass dem Bistum Basel «per sofort» folgende fünf Forderungen zu übermitteln seien:

  • Schaffung einer unabhängigen Meldestelle;
  • Durchführung von unabhängigen Untersuchungen;
  • Verbot der Aktenvernichtung;
  • Öffnung der Akten der Nuntiatur;
  • Abschaffung der lebensfeindlichen und homophoben Sexualmoral.

Die Antwort von Bischof Felix Gmür, die an Annegreth Bienz-Geisseler, Präsidentin des Synodalrats der römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Luzern, sowie an Benjamin Wigger, Präsident der Synode der römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Luzern, gerichtet ist, liegt «swiss-cath.ch» vor und wird nachfolgend im Wortlaut wiedergegeben.

«Solothurn, 13. November 2023

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident

Ich habe vom «Synodalbeschluss über die Forderung an den Bischof des Bistums Basel für die Aufarbeitung sexueller Missbrauchsfälle» vom 8. November 2023 Kenntnis erhalten. Weil der Beschluss Forderungen an mich stellt, teile ich Ihnen hiermit den Stand der Dinge zu den Punkten 1.1. bis 1.6 (hier im Brief Nummern 1-6) mit.

1. Unabhängige Untersuchungen: Die kanonischen (kirchenrechtlichen) Voruntersuchungen und die Prüfung von Antragsgesuchen auf Genugtuung werden im Bistum Basel extern und unabhängig von der Kirche von der Anwaltskanzlei Kellerhals Carrard durchgeführt. Die entsprechende Medienmitteilung vom 6. November 2023 hätte der Synode bekannt sein müssen.

2. Unabhängige Meldestelle: Für das Bistum Basel ist bereits seit 2017 eine unabhängige, externe Rechtsanwältin als Koordinationsperson zuständig. Sie ist die offizielle Meldestelle für sexuelle Übergriffe im Bistum Basel und nimmt die Meldung eines mutmasslichen sexuellen Übergriffs durch Betroffene, Vertrauenspersonen, Mitwissende, Zeugen, Zeuginnen und beschuldigte Personen entgegen. Zudem nimmt die Koordinationsperson die Kontrollfunktion über die Verfahren wahr, d.h. sie kontrolliert, ob die Verfahren abgeschlossen wurden. Die Synode wusste davon, weil die entsprechenden Informationen öffentlich und seit langem auf der Internetseite des Bistums verfügbar sind.

3. Aktenvernichtung: Das Archiv des Bistums Basel ist seit 2006 der Öffentlichkeit zugänglich. Es orientiert sich an der Gesetzgebung für das Bundesarchiv und die Staatsarchive und vernichtet keine Akten. Zudem habe ich wie alle anderen Diözesanbischöfe der Schweiz eine Selbstverpflichtung unterzeichnet, wonach keine Akten im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen vernichtet werden, und diese beim Generalsekretariat der Schweizer Bischofskonferenz hinterlegt. Dass das Archiv einwandfrei und professionell geführt wird und auch früher keine Akten systemisch vernichtet wurden, wusste die Synode, denn es steht im am 12. September 2023 vom Historischen Seminar der Universität veröffentlichten «Bericht zum Pilotprojekt zur Geschichte sexuellen Missbrauchs im Umfeld der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz seit Mitte des 20. Jahrhunderts» auf den Seiten 33-34.

4. Archive der Nuntiatur: Über die Archive der Nuntiatur bestimmt nicht der Bischof von Basel, sondern der Heilige Stuhl, der ein Völkerrechtssubjekt ist. Das «Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen» vom 18. April 1961, weiches in der Schweiz am 24. April 1964 als nationales Recht in Kraft getreten ist, bestimmt in Art. 24: «Die Archive und Schriftstücke der Mission sind jederzeit unverletzlich, wo immer sie sich befinden». Art. 27,2 ergänzt: «Die amtliche Korrespondenz der Mission ist unverletzlich». Trotz dieser eindeutigen Rechtslage erklärte Bischof Bonnemain an der Medienkonferenz vom 12. September 2023, er werde in dieser Sache persönlich beim Papst vorstellig werden.

5. RKZ-Massnahmen: Adressatin der Massnahmen, welche die RKZ fordert, ist zunächst die Schweizer Bischofskonferenz bzw. der Bischof von Chur als vom Dikasterium für die Bischöfe ernannter Voruntersuchungsführer und nicht das Bistum Basel.
5.1. Massnahme 1 betrifft eine externe Fachperson, die Bischof Bonnemain bei seinen Voruntersuchungen, die auch vier Mitglieder der SBK betreffen, zur Seite gestellt wird. Bischof Bonnemain führt dazu Abklärungen und nimmt eine solche Begleitung gerne an. Das ist öffentlich und muss auch den Luzerner Synodalen bekannt sein, zumal eine Luzerner Synodalrätin als RKZ-Präsidentin in dieser Sache eng eingebunden ist. Seit dem 10. November 2023 kennt man zudem die Namen: Pierre Cornu und Brigitte Tag werden Bischof Bonnemain unterstützen.
5.2. Massnahme 2 wurde gemeinsam von der SBK, der RKZ und KOVOS beschlossen und anlässlich der Medienkonferenz zur Veröffentlichung der Pilotstudie am 12. September 2023 öffentlich kommuniziert. Ob und in welcher Weise die Meldestelle eine Kontrollfunktion wahrnehmen kann oder soll, ist Gegenstand von Verhandlungen auch mit den Opferverbänden, welche eine solche nationale Meldestelle fordern. Das Bistum Basel hat seit 2017 eine unabhängige Meldestelle. Ferner gibt es seit langem weitere unabhängige Meldestellen, z.B. die kantonalen Opferhilfestellen, SAPEC, CECAR.
5.3. Strafgericht: Die Errichtung eines kirchlichen Straf- und Disziplinargerichts für die römisch-katholische Kirche in der Schweiz teilte die SBK am 23. September 2023 mit. Es wird sich mit Sanktionen befassen, die verhängt werden müssen, wenn ein Verstoss gegen ein Kirchengesetz vorliegt. Wie von der SBK bereits am 23. September 2023 und seither oft mitgeteilt, sind dafür Treffen mit schon informierten römischen Instanzen nötig, die geplant sind und zeitnah stattfinden sollen.
5.4 Sexualmoral: Die Abkehr von der kirchlichen Sexualmoral kann der Bischof von Basel nicht beschliessen. Da das Thema auf dem Tisch liegt, wurde darüber zuletzt an der synodalen Versammlung des Bistums in Bern ausgetauscht, ebenso in der Deutschschweizer Ordinarienkonferenz (DOK), in der SBK und darüber hinaus an der Bischofssynode in Rom.

6. Der Bischof unterrichtet die Mitglieder des «Kleinen Forum» und der Diözesanen Finanzkommission, wo auch eine Person aus der Landeskirche des Kantons Luzern anwesend ist, zweimal jährlich über alle relevanten Entwicklungen im Bistum Basel.

Gleichzeitig erlaube ich mir folgende Bemerkungen:

7. Es befremdet mich, dass die Synode an mich Forderungen stellt, von denen man weiss, dass sie bereits erfüllt sind (Nrn. 1-3), die ich wegen mangelnder Zuständigkeit gar nicht erfüllen kann (Nrn. 4, 5.1, 5.4) oder die ein Gegenstand von Verhandlungen mit Dritten sind (Nrn. 5.2, 5.3).

8. Ich akzeptiere nicht, dass die Synode durch Nichtbeachtung bzw. in Unkenntnis der Tatsachen engagierte Menschen ignoriert, die gerade für die Aufarbeitung sexueller Missbrauchsfälle seit Jahren seriöse und professionelle Arbeit leisten, so die Koordinatorin (Nr. 2), den Archivar und die Fachmitarbeiterin im Archiv (Nr. 3).

9. Mein Vorgesetzter ist der Papst und sonst niemand. Die römisch-katholische Landeskirche des Kantons Luzern hat von mir darum weder eine einseitig bestimmte Berichterstattungspflicht zu erwarten (Punkt 2 des Beschlusses) noch einseitig festgelegte Fristen aufzuerlegen (Punkt 3 des Beschlusses).

10. In einer Zeit, in der wir überall und auf allen Stufen der Kirche Wege synodalen Miteinanders suchen, bedeutet das Vorgehen und der Beschluss der Synode einen herben Rückschlag. Forderungen, Fristen und Drohungen befeuern ein altes und überkommenes Kirchenbild, das ich nicht unterstütze. Eine moderne, synodale Kirche ringt vielmehr gemeinsam um Antworten auf Fragen und um Lösungen bei anstehenden Problemen.

11. Wie Sie wissen, stehe ich zum dualen System der römisch-katholischen Kirche, wie wir es in unseren zehn Bistumskantonen kennen. Es beschränkt und ordnet die Befugnisse des Bischofs und der staatskirchenrechtlichen Körperschaften und respektiert die jeweiligen Zuständigkeiten. Ich akzeptiere das und gehe davon aus, dass dies auch für die Landeskirche Luzern gilt. Ansonsten gefährden wir ein funktionierendes Zusammenspiel. Dieses ist gerade für die Aufarbeitung sexueller Missbräuche unabdingbar.

12. Das Zusammenspiel betrifft das ganze Bistum, also alle zehn Bistumskantone. Die neun anderen Bistumskantone erhalten deshalb eine Kopie dieses Briefes.

Ich wünsche mir, dass wir auch in Zukunft gemeinsam voranschreiten und danke Ihnen dafür. Ihr Engagement in dieser schwierigen Zeit weiss ich zu schätzen und grüsse Sie freundlich

Felix Gmür

Bischof von Basel»


Redaktion


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    Tobias Maier 22.11.2023 um 08:50
    Gut gemacht! Es ist schon ein Problem in der Kirche, dass so viel inkompetente Leute mitreden. Wenn schon Forderungen aufstellen, dann doch bitte zuerst die Hausaufgaben erledigen und sich informieren! Was da in der Landeskirche abläuft, ist doch Kindergartenniveau!
  • user
    Claudio Tessari 21.11.2023 um 17:29
    Bravo Bischof Felix.

    Mein Vorgesetzter ist der Papst und sonst niemand...Zitat Ende. Genau so ist es.
  • user
    Stefan Fleischer 21.11.2023 um 17:25
    Wenn dies der Arbeitsstil jener neuen, andere Kirche sein soll, welche der Deutsche und damit auch der Deutschschweizer synodale Weg propagiert, dann gute Nacht! Den Exodus aus der Kirche lässt sich so sicher nicht stoppen.